Sonntag, 23. September 2018

Je mehr mitreden dürfen, desto größer ist der Gesprächsbedarf

Der Soziologe Armin Nassehi im Interview.

"Wenn Sie sich die westdeutsche Gesellschaft seit den 1970er Jahren anschauen, sehen Sie etwas, was ich mal "radikale Inklusionsschübe" genannt habe. Gruppen, die vorher nicht viel zu sagen hatten, wurden in die Gesellschaft reingeholt, vor allem durch Bildungsexpansion, sozialen Aufstieg und kulturelle Teilhabe. Das waren zunächst die Arbeiter, dann die Frauen, dann sexuelle Minderheiten und schließlich sogenannte ethnisch Fremde. [...]
Ich finde, dass wir all diese Dinge überhaupt diskutieren, zeigt dass die Inklusionspolitik in Wahrheit sehr erfolgreich war. Die Kollektivität ändert sich - und darüber wird heute mehr diskutiert als früher. Ein klar definierter Nationalstaat war auch in der Hochphase der Sozialdemokratie wesentlich. Das hören Sozialdemokraten nicht so gerne, aber das ist so. Deshalb gibt es heute linke Bewegungen, die einen geschlossenen Sozialstaat haben wollen, in den man nicht so leicht reinkommt. Und aus dieser Gemengelage entstehen die Polarisierungen, die wir gerade erleben, und es ist auch der Nährboden, aus dem überall in Europa rechte Politikmodelle sprießen." ("Nur in Diktaturen darf nicht gestritten werden" SZ 23.9.18)

Sieh auch: Das Integrationsparadox

 Armin Nassehi:
"Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind dabei letztlich Kompensationsmittel zur Herstellung von Übersichtlichkeit. Trumps Versuch des „Durchregierens“ erscheint dann geradezu als Erlösung von der Unübersichtlichkeit." ("Die extreme Willkommenskultur hatte nicht nur die Flüchtlinge im Blick", Tagesspiegel 13.3.2017) 

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