Donnerstag, 26. Juli 2018

euro|topics: EU und USA einigen sich im Handelsstreit


Die EU und die USA sind im Handelsstreit aufeinander zugegangen: Juncker und Trump kündigten an, keine weiteren Zölle einzuführen und stattdessen den Handel auszuweiten. Kommentatoren erörtern, warum sich der US-Präsident kompromissbereit zeigte und fragen sich, wie lang der Frieden halten wird.
CORRIERE DEL TICINO (CH)

Warum Trump Juncker den Olivenzweig reicht

Letztlich hat sich Trump doch den ökonomischen Realitäten stellen müssen, erklärt Corriere del Ticino:
„US-Wirtschaftsanalysten haben bereits darauf hingewiesen, dass der kürzlich vom Bewohner des Weißen Hauses begonnene Handelskrieg negative Auswirkungen hat, und zwar nicht nur für europäische Unternehmen und andere weltweit, die vom Trump-Kreuzzug betroffen sind, sondern auch für US-amerikanische Firmen. Insbesondere diejenigen, die im Automobilsektor tätig sind. Höhere Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte führen zu höheren Produktionskosten und damit zu geringeren Gewinnen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Trump es gestern vorgezogen hat, Juncker einen Olivenzweig zu reichen. Die Zeit wird zeigen, ob dies den Dialog wirklich fördert.“
Osvaldo Migotto
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DER STANDARD (AT)

EU und Weltwirtschaft gewinnen Zeit

Die Einigung im Handelsstreit war ein Meisterstück von Jean-Claude Juncker, lobt Der Standard:
„Ohne echte Zugeständnisse hat der EU-Kommissionspräsident Donald Trump davon abgebracht, neue Strafzölle auf europäische Autoimporte zu verhängen, was dieser wochenlang angedroht hatte. Stattdessen wird in den kommenden Monaten und Jahren zwischen den USA und der EU über die Senkung von Handelsbarrieren verhandelt - das, was sich Unternehmen schon die ganze Zeit wünschen. ... Dass all die Verhandlungen rasch zum Erfolg führen werden, ist unwahrscheinlich. Dazu gibt es zu viele Interessenvertreter, die querschießen werden. Aber darum geht es nicht. Hauptsache es wird geredet und nicht gedroht. Die EU und mit ihr die Weltwirtschaft hat Zeit gewonnen. Trump kann sich wieder anderen Feinden zuwenden. Wie lange dieser Burgfrieden halten wird, weiß wohl nur der US-Präsident selbst.“
Eric Frey
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EL PAÍS (ES)

Trumpismus ist gekommen, um zu bleiben

Auch El País warnt davor, sich nach der Einigung im Handelsstreit in Sicherheit zu wiegen:
„Die USA bestehen nicht nur aus Trump, aber es ist möglich, dass das Phänomen Trump nicht so schnell vorübergeht, weil es einen Wandel in den USA widerspiegelt. So wie auch das Aufleben von Populismus und Nationalismus in großen europäischen Staaten große Verschiebungen in der EU ausdrücken. Der Trumpismus ist gekommen, um zu bleiben. Doch bevor man die transatlantische Beziehung einfach aufgibt, sollte man genau überlegen, welchen Schaden der Wegfall mit sich brächte und wodurch das entstehende Vakuum gefüllt würde. ... Nur ein starkes und geeintes Europa, das seine Bürger beschützen kann, ist in der Lage auf Augenhöhe mit Trump zu verhandeln und die transatlantische Allianz zu erhalten.“
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DELO (SI)

Wer zuletzt lacht

Die Einigung zwischen Trump und Juncker lässt Delo skeptisch zurück. China werde langfristig als Sieger aus den Handelsstreitigkeiten hervorgehen:
„Einige hatten sich gefreut: Trump galt als Verkünder des großen Neustarts der Weltordnung und des Untergangs des 'großen Imperialisten' - dem Staat, der das System der abgesprochenen Regeln erschaffen und sieben Jahrzehnte lang die Globalisierung und den freien Handel verteidigt hatte. Alle treffen jetzt an Washington vorbei Vereinbarungen, wie das System zu retten ist. Dabei scheint es, dass China, der Hauptschuldige für die Probleme des internationalen Handels, am längeren Hebel sitzt.“
Sebastijan Kopušar
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Dienstag, 24. Juli 2018

euro|topics: Rücktritt von Özil: Gescheiterte Integration?


Nach der Debatte um das umstrittene Foto mit dem türkischen Staatschef Erdoğan ist der Fußballstar Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten. In einer Erklärung kritisierte er den Deutschen Fußball-Bund scharf und sprach von Rassismus und Respektlosigkeit. Nicht alle Kommentatoren zeigen Verständnis für den Abgang des Fußball-Weltmeisters.
DENNIK N (SK)

Peinliche Verteidigung

Ein in Deutschland aufgewachsener Fußballer sollte wissen, dass man sich nicht mit einem Diktator fotografieren lässt, auch wenn man gemeinsamer Herkunft ist, meint Dennik N:
„Özil wirft seinen Kritikern Rassismus vor. Die würden sich nur an seiner türkischen Herkunft stoßen. Für einen Menschen, der in einem demokratischen Land des Westens geboren wurde, taugt diese peinliche Verteidigung nicht. Diktatoren und Populisten geben sich gern als Verkörperung ihrer Nation aus, damit sie ihren Kritikern dann Hass gegenüber dieser Nation vorhalten können. Wer mit westlichen Werten erzogen wurde, muss wissen, dass die Kritik an einem Diktator und seinen Methoden keinerlei Kritik an einer Nation bedeutet. Er muss wissen, dass die Kritik an einem solchen Diktator berechtigt ist.“
Peter Morvay
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JYLLANDS-POSTEN (DK)

Die Schuld liegt immer bei den anderen

Verständnislos reagiert Jyllands-Posten auf den Rücktritt Özils aus der deutschen Nationalmannschaft:
„Mit seinem unkontrollierten Ausbruch hat Özil unterstrichen, dass es ernsthafte Probleme mit großen Teilen der Bürger mit türkischem Hintergrund in Westeuropa gibt. Das ist ungerecht gegenüber den wohlintegrierten Menschen wie [dem ehemaligen Grünen-Vorsitzenden] Özdemir; auch in Dänemark führen viele mit einer Einwanderungsbiografie ein untadeliges Leben und tragen zu der Gesellschaft bei, in der sie leben. Aber nicht sie sind die Herausforderung. Es sind Leute wie Özil, die sich in der Opferrolle gefallen und eine persönliche Verantwortung von sich weisen. Für sie liegt die Schuld immer bei den anderen.“
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HANDELSBLATT (DE)

Integration bedeutet Toleranz

Özils Rücktritt ist ein Aufruf, noch einmal über das richtige Verständnis von Integration nachzudenken, findet hingegen das Handelsblatt:
„Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar. Aber auch nicht die Meinungsfreiheit, die darin verankert ist. Dazu gehört auch, die Meinung des Andersdenkenden zu ertragen; auch wenn er einem Staatspräsidenten Respekt zollt, den in Deutschland inzwischen viele ablehnen. Özils leidenschaftliche Heimatbekundungen muss nicht jeder akzeptieren. Fakt ist aber, dass er so denkt, dass sein Gefühl ihm sagte, er tut aus Sicht seiner türkischen Identität das Richtige, auch wenn es aus Sicht seiner deutschen Identität womöglich falsch gewesen wäre. So etwas fällt den Betroffenen oft sehr schwer. Integration bedeutet hier, zumindest zu versuchen, sich in dieses Spannungsfeld hineinversetzen zu können. Integration bedeutet Toleranz.“
Ozan Demircan
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LA REPUBBLICA (IT)

Was in acht Jahren geschah

Vor acht Jahren, beim 3:0 Deutschlands gegen die Türkei, war Özil ein Held, erinnert die Deutschland-Korrespondentin von La Repubblica, Tonia Mastrobuoni:
„Am Ende des Spiels stürzte Merkel in die Kabine und die Fotografen verewigten sie, als sie dem türkischstämmigen Mittelstürmer die Hand schüttelte. ... Das zweite Foto, von 2018, zeigt Özil mit dem türkischen Autokraten Erdoğan. ... Zwischen beiden Bildern liegen Welten. Denn inzwischen hat der Sultan sein Land in eine Diktatur verwandelt, in der unbequeme Gegner und Journalisten eingesperrt werden. Und auch in Deutschland, das die größte türkische Gemeinde im Ausland aufweist - versuchte Erdoğan, für die Präsidentschaftswahl und das Verfassungsreferendum Wahlkampf zu machen. Vor allem aber versucht er, die türkische Gemeinde in den immer häufiger auftretenden diplomatischen Krisen mit Berlin auf seine Seite zu ziehen.“
Tonia Mastrobuoni
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