Dienstag, 18. September 2018

euro|topics: zu Brexit und Finanzkrise ab 2007

Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat in einem Gastbeitrag ein erneutes Brexit-Referendum gefordert. Die Konsequenzen für die Wirtschaft und den Lebensstandard der Briten seien zu hoch, als dass ihnen ein weiteres Mitspracherecht verwehrt werden dürfe. Während einige Kommentatoren große Hoffnungen in die mögliche Abstimmung setzen, sehen andere mindestens einen Haken an der Sache.
THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Undemokratischer Vorschlag

Ein erneutes Referendum würde die Risse in der britischen Gesellschaft nur vertiefen, warnt The Daily Telegraph:
„Sadiq Aman Khan hat seine wahren Intentionen verraten, indem er ein Referendum mit drei Optionen gefordert hat. Die Wähler sollten entscheiden können, ob sie in der EU bleiben, das Brexit-Verhandlungsergebnis der britischen Regierung mit Brüssel akzeptieren oder die Union ohne Abkommen verlassen wollen. Das würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die beliebteste Option weniger als 50 Prozent der Wählerstimmen erhält. Daher wäre diese Vorgangsweise weder demokratisch noch könnte sie dazu beitragen, die tiefen Risse zu schließen, die der Brexit geschaffen hat. Tatsächlich würden sich diese nur noch weiter vertiefen.“
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DER TAGESSPIEGEL (DE)

Keine Mehrheit für die EU

Auch der Tagesspiegel reagiert skeptisch auf den Vorschlag des Londoner Bürgermeisters:
„Khan vertritt eine urbane Mittelschicht, die gemeinsam mit vielen anderen Briten beim Brexit auf der Verliererseite stehen wird. Wer in der britischen Hauptstadt im Finanzsektor arbeitet, wird beim EU-Austritt mindestens genauso das Nachsehen haben wie etwa die Beschäftigten in der Automobilbranche in Oxford. ... Damit ein zweites Referendum Sinn ergäbe, müsste sich in den Umfragen eine eindeutige Mehrheit für die EU abzeichnen. Dies ist aber - allen Szenarien über einen möglichen No-Deal-Brexit zum Trotz - nicht der Fall. Auch wenn die negativen wirtschaftlichen Folgen des Brexit allmählich ins Bewusstsein der britischen Öffentlichkeit sickern, so scheint es immer noch einen sehr starken Willen zu geben, sich von der ungeliebten EU loszusagen.“
Albrecht Meier
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LES ECHOS (FR)

Langsam verzieht sich der Nebel

Die Unsicherheit, in welcher die Briten sich derzeit befinden, beschreibt Les Echos:
„Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel dauern an. Niemand weiß wirklich, ob es einen harten, einen soften, oder gar keinen Brexit geben wird. Und die Briten scheinen selbst nicht zu wissen, ob es besser wäre, diesen Kreuzweg zu Ende zu gehen oder umzukehren und ein sehr hypothetisches neues Referendum zu organisieren. Aber Schritt für Schritt löst sich der Nebel nun auf. Die Briten beginnen zu sehen, was sich in ihrem täglichen Leben ändern könnte, falls es keinen Deal geben sollte. ... Langsam aber sicher ist der Brexit dabei, die Finanzwelt umzugestalten. Wenn die Briten die EU ohne Freundschaftsabkommen verlassen, wäre das ein echter Sprung ins Leere.“
Guillaume Maujean
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UPSALA NYA TIDNING (SE)

Khan bietet einen Strohhalm

Mit dem neuen Referendum könnte im letzten Moment die Notbremse gezogen werden, bevor das Vereinigte Königreich in einen harten Brexit rast, hofft Upsala Nya Tidning:
„Am 13. November ist ein zusätzlicher EU-Gipfel geplant, um die Bedingungen [des Brexits] festzulegen. Wenn das britische Parlament den Vorschlag von Theresa May ablehnt, ist es zu spät, um von vorne zu beginnen. ... Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (Labour) bietet einen Strohhalm an, wenn er ein neues Referendum über das ausgehandelte Abkommen fordert (oder wenn nichts ausgehandelt wird). 'Die Menschen haben dafür gestimmt, die EU zu verlassen, nicht ärmer und isolierter zu werden', schreibt er.“
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Sollen Briten nochmal über Brexit abstimmen?
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Hat die Welt etwas aus der Finanzkrise gelernt?
Die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers gilt Vielen als Katalysator der Finanzkrise. In der Folge brach vor zehn Jahren die Konjunktur weltweit ein, Staaten verschuldeten sich massiv und der Euro geriet in Schwierigkeiten. Doch Lehren wurden aus dem Desaster nicht gezogen, kritisieren Kommentatoren - wobei einige bezweifeln, dass dies überhaupt möglich wäre.
EL PAÍS (ES)

Ein verlorenes Jahrzehnt

Die Fehler unseres Wirtschaftssystems sind nicht behoben, fürchtet El País:
„Die Idee von der siegreichen Allianz aus Markt und Demokratie explodierte, als wir merkten, dass das ungehemmte Kapital in einem unkontrollierten Finanzsystem machte, was es wollte. Nach dem Fall der Mauer hatte sich die Logik vom Wohlstand für alle durchgesetzt. Aber sie verbarg eine trügerische Falle: Die soziale Frage war von der politischen Agenda verschwunden. ... In der traurigen Bilanz drohen die vergangenen zehn Jahre zum verlorenen Jahrzehnt zu werden. Denn es ist offensichtlich, dass der durch Lehman Brothers entfachte soziale Konflikt nicht dazu geführt hat, dass wir die wirtschaftlichen Bedingungen prüfen, die die Krise ermöglichten.“
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CORRIERE DEL TICINO (CH)

Es begann nicht mit der Lehman-Pleite

Der Konkurs von Lehman Brothers war nicht der Auslöser der Finanzkrise, betont der Wirtschaftsexperte von Corriere del Ticino, Lino Terlizzi:
„Der Sturz von Lehman war Folge einer Krise, die bereits begonnen hatte. Auslöser waren die Immobilien. … An der Ansteckung anderer Finanz- und Wirtschaftszweige war dann die breite Verteilung der mit Immobilien verbundenen Risiken in Finanzprodukten schuld. Und die daraus resultierenden Kurseinbrüche an den Finanzmärkten, hatten negative Auswirkungen auf Banken, Unternehmen, Einkommen, Investitionen und Konsum. … Einen Unterschied zwischen Krise und Lehman-Pleite machen zu wollen, mag akademisch erscheinen, ist es aber nicht. Es ist wichtig, die wahren Wurzeln der Krise aufzuzeigen, umso mehr, wenn wir, wie oft behauptet wird, Lehren aus ihr ziehen wollen.“
Lino Terlizzi
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FINANZ UND WIRTSCHAFT (CH)

Nach der Krise ist vor der Krise

Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite wissen wir nicht, was die nächste Krise verhindern könnte, klagt Finanz und Wirtschaft:
„Möglicherweise ist jede Krise so anders als alle anderen zuvor, dass sich Einsichten und Erfahrungen über Krisen und ihre Folgen sowieso überhaupt gar nicht von einer Dekade auf die nächste übertragen lassen. Das dürfte dann ganz besonders der Fall sein, wenn eine Krise derart fundamentale Veränderungen und disruptive Entwicklungen verursacht, wie es bei der Finanzmarktkrise war. Dann lautet die finale Erkenntnis des 15. September 2008, dass sich aus Krisen lediglich lernen lässt, dass man aus ihnen nur lernen kann, dass offenbar 'nach der letzten Krise vor der nächsten Krise' ist, aber nichts darüber, was die nächste Krise verhindern könnte.“
Thomas Straubhaar
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Hat die Welt etwas aus der Finanzkrise gelernt?

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