Montag, 25. Juli 2022

euro|topics: Odessa beschossen: Was wird aus dem Getreide-Deal?

 

Erst am Freitag hatten Vertreter aus Russland und der Ukraine mit Uno-Generalsekretär Guterres und dem türkischen Präsidenten Erdoğan in Istanbul eine Vereinbarung zum Export von blockiertem Getreide aus ukrainischen Häfen getroffen. Am Samstag schlugen russische Raketen im Hafen von Odessa ein. Laut Moskau galten sie militärischer Infrastruktur, laut Kyjiw wurden zivile Hafenanlagen getroffen. Kommentatoren sind ernüchtert.

TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Zynisches Spiel bleibt folgenlos

Frieden mit Russland durch Verhandlungen ist offensichtlich ein Irrweg, schreibt die taz:

„Russlands Regierung setzt einzig auf Unterwerfung durch Gewalt. Der Beschuss von Odessa ist eine Machtdemonstration. Die Botschaft: Denkt bloß nicht, ihr hättet unsere Hände gebunden, nur weil wir etwas unterschreiben. ... Keine Vereinbarung mit dem aktuellen Regime in Moskau ist belastbar. Russlands zynisches Spiel ist bekannt aus den Kriegen in Syrien und dem Donbass 2014/15: Auf eine diplomatische Zusage Moskaus folgt unmittelbar eine militärische Demonstration des Gegenteils, wohl wissend, dass das folgenlos bleibt – die Gegenseite will ja Frieden.“

Daniel Johnson
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LA STAMPA (IT)

Realität endlich anerkennen

Russlands Unberechenbarkeit hat System, erklärt auch La Stampa:

„Das russische Pendeln zwischen Weltuntergangsbeschuldigungen und Opferrolle, zwischen schwülstigen Erzählungen über die rosigen Aussichten der russischen Wirtschaft und den 'kolossalen' Schäden der westlichen Sanktionen, zwischen Rechtfertigungen der Invasion im Lichte der Nato-Bedrohung und Eingestehen des imperialen Restaurationsprojekts und nun zwischen unterzeichneten Abkommen und bewaffneten Angriffen, die das mühsam auf diplomatischem Wege erreichte Ziel zur Makulatur machen - all das gehört zur inzwischen vorhersehbaren Unberechenbarkeit der Kreml-Strategie. Die Augen vor dieser Realität zu verschließen, ist nicht nur naiv, sondern auch unverantwortlich.“

Nathalie Tocci
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WYACHESLAW ASAROW (UA)

Kriegslogistik getrennt abwickeln

Der in Odessa lebende linke Blogger Wyacheslaw Asarow meint auf seiner Facebook-Seite, dass die Ukraine mit den Angriffen hätte rechnen müssen:

„Kürzlich habe ich geschrieben, dass für ein reibungsloses Funktionieren des 'Getreidekorridors' das Gebiet von Odessa aus der Logistik der militärischen Hilfslieferungen herausgenommen werden muss, da es sonst weiterhin angegriffen wird und Lebensmittelexporte unmöglich werden. Offensichtlich wurde dieses Problem nicht beseitigt, sondern man hat vielleicht im Gegenteil unter dem Deckmantel eines Getreidevertrags weitere Waffen geliefert. Somit stehen uns weitere Angriffe ins Haus - bis das Problem gelöst ist.“

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KURIER (AT)

Russland zum Frieden zwingen

Der Beschuss zeigt, dass gegen den Kriegsherrn Putin nur klare militärische Erfolge helfen, betont die Tageszeitung Kurier:

„Mit Putin lässt sich nicht so einfach Frieden schließen. ... Derzeit also gibt es nur eine Botschaft, die auf jeden Fall im Kreml ankommt: anhaltender militärischer Druck durch moderne westliche Waffen. Erst wenn Russlands Angriffskrieg hoffnungslos festgefahren ist, wird sich Putin auf der diplomatischen Bühne wirklich bewegen.“

Konrad Kramar
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Samstag, 23. Juli 2022

euro|topics: EZB leitet Zinswende ein

 


Nach langem Zögern hat die Europäische Zentralbank eine deutliche Erhöhung des Leitzinses um 0,5 Prozentpunkte beschlossen. Ebenso wurde das neue Kriseninstrument TPI geschaffen, mit dem über Anleihekäufe stark verschuldeten Staaten geholfen werden soll. Kommentatoren bezweifeln, ob die Doppelkrise aus Inflation und drohender Rezession damit gelöst werden kann.

THE IRISH TIMES (IE)

Kein Wundermittel

Die Leitzinserhöhung war nötig, aber ist deshalb nicht weniger schmerzhaft, meint The Irish Times:

„Kreditnehmer sehen sich mit höheren Rückzahlungsraten konfrontiert und weitere Erhöhungen werden noch folgen. In normalen Zeiten mögen die meisten das verkraften können, aber mitten in einer Krise der Lebenshaltungskosten werden die Rückzahlungen vielen schwerfallen. Die EZB hatte kaum eine andere Wahl, als die Zinssätze zu erhöhen, aber in einer Zeit in der Angebotsfaktoren – insbesondere höhere Energiekosten – und nicht eine starke Nachfrage der Verbraucher die Preise in die Höhe treiben, ist es kein Wundermittel.“

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LA STAMPA (IT)

Italien verspielt sein Vertrauen

Flankierend zur Zinserhöhung beschloss der EZB-Rat das sogenannte Transmission Protection Instrument (TPI), das gezielte und unbegrenzte Anleihekäufe einzelner Länder ermöglicht, um Risikoaufschläge für hochverschuldete Länder wie Italien zu bändigen. Doch das funktioniert nur, wenn die profitierenden Länder eine gewisse Verantwortung tragen, mahnt La Stampa:

„Das Instrument stützt sich auf zwei Komponenten: den Einsatz der zur Erreichung eines bestimmten Ziels erforderlichen Ressourcen und die Einhaltung einer Reihe von Auflagen. Die erste (Solidarität) kann nicht von der zweiten (Verantwortung) getrennt werden. Dass sie diesen Zusammenhang nicht begriffen haben, ist einer der Fehler derjenigen, die beschlossen haben, der Draghi-Regierung den Stecker zu ziehen.“

Veronica De Romanis
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FRANKFURTER RUNDSCHAU (DE)

EZB bleibt Getriebene

Das Dilemma, in dem die EZB steckt, beschreibt die Frankfurter Rundschau:

„Die Inflation schreit förmlich nach drastischer Zinserhöhung, die drohende Rezession und das wieder mal wackelnde Italien mahnen eher zur Vorsicht. Die Europäische Zentralbank hat in dieser Lage das Mindestmaß getan ... Daran ist nichts falsch, aber in beiden Fällen [Zinserhöhung und TPI] darf man bezweifeln, ob es genügen wird. Nachdem die EZB die Entwicklung lange falsch eingeschätzt hat, wird auch die Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt die Inflationserwartungen kaum dämpfen. Und das neue Kriseninstrument TPI klingt bisher noch ein bisschen zu vage, um an den Kapitalmärkten Eindruck zu machen. So ändert sich nichts an dem Eindruck, dass die Zentralbank eine Getriebene ist.“

Stefan Winter
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NRC HANDELSBLAD (NL)

Schritt zurück nicht undenkbar

Die wirtschaftliche Lage verheißt nichts Gutes, warnt NRC Handelsblad:

„Es wäre nicht das erste Mal, dass die EZB von der Realität eingeholt wird. Das letzte Mal, als die EZB den Zins erhöhte, 2011, musste sie diesen Schritt innerhalb weniger Monate zurückschrauben, weil die europäische Wirtschaft in einer Rezession landete. Es ist nicht undenkbar, dass dies jetzt erneut geschieht: Die Kombination aus steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen nach der russischen Invasion in die Ukraine, Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen und das anhaltende Sinken des Verbrauchervertrauens auf Rekordtiefstwerte verspricht wenig Gutes für die nahe Zukunft.“

Egbert Kalse
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EL MUNDO (ES)

Spanien braucht einen wirtschaftlichen Umschwung

El Mundo ist angesichts der enormen Staatsverschuldung Spaniens besorgt, denn nun werden auch Schulden teurer:

„Wir sind das am vierthöchsten verschuldete Land in der EU. ... Dieser Richtungswechsel der EZB wird die Kosten der Regierung für die Platzierung ihrer Schulden um ein Vielfaches erhöhen und den Zugang zu den Märkten für Länder wie Spanien erschweren. ... Die Bürger, die Hypotheken haben oder Kredite aufnehmen müssen, werden unter der Entscheidung leiden, und es ist zu erwarten, dass der Konsum zurückgehen und die Produktion sich verlangsamen wird. Aus all diesen Gründen ist Spanien gezwungen, einen wirtschaftlichen Umschwung einzuleiten, der nicht aufgeschoben werden kann.“

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EZB leitet Zinswende ein