Mittwoch, 30. Oktober 2013

Koalitionsverhandlungen 1

Bisher ist nicht zu sehen, wo über Fragen verhandelt wird, die einen Beitritt der SPD in die Regierung rechtfertigen würden. Ein Chat, in dem Gabriel SPD-Mitgliedern Auskunft über die Verhandlungen geben wollte, scheiterte am 29.10. an "technischen Schwierigkeiten". Anscheinend waren mehr Mitglieder an dem Chat interessiert, als die Technik bewältigen konnte.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Koalitionsgespräche

Unwahrscheinlich, dass zwischen den Spitzenvertretern noch nicht abgesprochen ist, dass Seehofer für seinen Verzicht auf die Ausländer-Pkw-Maut ein schönes Zugeständnis für seine Klientel bekommt und dass Gabriel der SPD-Linken noch ein Stückchen Steuererhöhung für die Reichen präsentieren kann.
SPD-Mitglieder waren immer sehr staatstragend und bereit, Opfer zu bringen. Das ist die Bank, auf die die SPD-Spitze baut.

Sie könnte sich aber verrechnet haben. Zu rasch hat Hannelore Kraft ihre Position aufgegeben, zu deutlich ist geworden, dass der Vorstand bereit ist, jede Kröte zu schlucken, wenn er nur Neuwahlen oder eine irgendwie geartete Kooperation mit der Linken andenken soll.
"Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!" Dies Gefühl höre ich aus der Mehrheit der Diskussionsbeiträge von SPD-Mitgliedern über die Koalitionsverhandlungen heraus. Ob geschickte Taktik die Stimmung der Basis noch umdrehen kann?
Da gibt es ja die Möglichkeit, noch einige Wochen zu verhandeln, ein paar Skandale zu inszenieren, schnell mal den Euro in eine Krise zu treiben, aus der nur eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat retten kann.

Es gibt viele Optionen und im Vorgefühl der neuen Macht- und Karrieremöglichkeiten sind Schwarz und Rot "Plötzlich beste Freunde" - Spiegel online, 23.10.13

Zur Struktur der Verhandlungen; SPD-Teilnehmer der großen Runde
Die einzíge Gruppe, bei der ich glaube, dass der SPD-Standpunkt nicht zu kurz kommen könnte, ist Familie, Frauen und Gleichstellungspolitik, in der Manuela Schwesig (SPD) und Annette Widmann-Mauz (CDU) die Hauptverhandlungsführerinnen sind. Aber auch da bin ich vermutlich zu blauäugig.

Montag, 21. Oktober 2013

Skandalisierung

Ich habe ja auch etwas für Skandalisierung. Wenn ein Politiker aus einer Partei, die mir auf die Nerven geht, gegenüber einer Journalistin eine anzügliche Bemerkung macht, gönne ich es ihm, wenn unter dem hashtag #aufschrei Zehntausende von Frauen ihren Unmut über den noch immer herrschenden alltäglichen Sexismus äußern und er tagelang im Gespräch ist. Ich habe auch kein schlechtes Gewissen dabei, zumal er es beeindruckend unbeeindruckt wegsteckt und sich sogar zum Spitzenkandidat seiner Partei benennen lässt (vermutlich, weil er bewiesen hat, wie unbeschädigt er aus Fettnäpfchen herauszusteigen in der Lage ist).

Für problematisch halte ich es freilich, wenn in- und ausländische Geheimdienste systematisch Grundrechte verletzen und der Skandal darüber kaum langlebiger ist als der wegen eines unverschämt luxuriösen Bischofsitzes.
Wir haben keine Lösung für die Lagerung von Atommüll, der Millionen von Jahren strahlen wird und produzieren fortlaufend neuen. Schon unsere Kinder werden in einer Welt leben, in der weltweit der Lebensstandard sinken wird, weil der Schutz vor den Folgen der globalen Erwärmung sämtliche Produktivitätsfortschritte (und noch mehr!) auffressen wird. Doch davon ist fast nie die Rede, wohl aber ständig davon, dass ein katholischer Bischof angeblich nicht in der Lage ist, eine Urlaubsvertretung für eine Woche zu organisieren.

Auch ich habe kein Verständnis dafür, wenn für einen Bischofssitz das Geld ausgegeben wird, das seit Jahren für Gemeindehäuser, Kindergärten u.ä. fehlt.
Aber müssen wir wirklich ständig über fehlende Unterschriften in Limburg informiert werden, während weiterhin täglich Flüchtlinge ertrinken, über die wir nichts mehr hören, weil das Aufmerksamkeitskontingent für Flüchtlinge aufgebraucht ist?

Es täte uns gut, wenn eine Zeit lang Journalisten wieder orientiert an ihrer gesellschaftlichen Relevanz weitergäben statt orientiert am Skandalisierungsfaktor.

Keine große Koalition

Offenbar ist die große Mehrheit der SPD-Mitglieder gegen eine große Koalition.
Dadurch dass der Vorstand in die Koalitionsverhandlungen mit einem äußerst reduzierten Forderungskatalog hineingeht, fehlt ihm die Verhandlungsmasse, ein Ergebnis zu erzielen, das für die Mehrheit der SPD-Mitglieder akzeptabel wäre.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Gabriels Spekulation folgende:
Einer unbestimmten Zahl von SPD-Mitgliedern, vielleicht sogar mehr als 10 Prozent ist eine große Koalition auch bei mageren Verhandlungsergebnissen recht.
Bei der Wählerschaft der SPD dürfte dieser Anteil deutlich höher liegen.
Merkel hat im Fall, dass ihr nur eine Minderheitsregierung möglich ist, die Option, Neuwahlen anzustreben.
Bei diesen Neuwahlen würde die SPD aus den oben genannten Gründen an Stimmen verlieren. Wie viele sie gewinnen würde, ist ungewiss.
In Kenntnis dieser Tatsache wird ein großer Teil der SPD-Mitglieder, die gegen eine große Koalition sind, sich dennoch für diese Koalition entscheiden.

Dafür spricht auch: Hannelore Kraft scheint aus den genannten Gründen ihren Widerstand gegen die große Koalition aufgegeben zu haben. Eine Entscheidung gegen diese Koalition würde also scheinbar auch gegen sie gefällt.
Ob seine Taktik aufgeht, wird sich zeigen. Jedenfalls gibt sie Angela Merkel viel Spielraum, die letzten Reste von SPD-Programmatik aus dem Koalitionsvertrag herauszuhalten. Das Ergebnis wäre eine Unionsregierung mit einigen Ministern mit SPD-Parteibuch.

Was schreibt dagegen der SPD-Vorstand den SPD-Mitgliedern:
Das werden harte Verhandlungen. Denn unsere Aufgabe besteht nicht darin, unter allen Umständen in eine Regierung zu gehen. Unser Auftrag ist, Bewegung, Fortschritt und mehr Gerechtigkeit für das Land zu verwirklichen. Konkrete Verbesserungen für Arbeit und Leben von vielen Millionen Menschen in Deutschland.

Der Auftrag an die SPD ist "Bewegung, Fortschritt und mehr Gerechtigkeit für das Land zu verwirklichen". Diesen Auftrag hat Gabriel jetzt schon verraten.
 Heribert Prantl stellt in der SZ vom 21.10.13 fest, dass die SPD auch ohne Forderungen zum Schutz der Grundrechte  und zur Reform des Verfassungsschutzes in die Verhandlungen geht.
Dem wäre noch viel hinzuzufügen.

Samstag, 19. Oktober 2013

Wer bestimmt den Kurs der SPD?

Gegen den Parteivorsitzenden Lafontaine setzte sich der erfolgreiche Kanzlerkandidat Gerhard Schröder durch.
Nach dem durch den Ausschluss einer rot-grün-roten Koalition programmierten Misserfolg Steinbrücks will Sigmar Gabriel sich durchsetzen. Dafür setzt er auf ein Bündnis mit der Union. Die Parteibasis soll damit abgespeist werden, dass sie dies Bündnis nachträglich absegnet.
Gabriel vertraut auf die Parteidisziplin seiner Genossen.
Nachdem er einen Linksschwenk weg von den Auswüchsen der Agenda 2010 unternommen hat, will er jetzt den Rechtsschwenk zu Merkel dirigieren. Veit Medick von Spiegel online (18.10.13) hält das für einen klugen Schachzug.
Aber er verspielt damit seine politische Glaubwürdigkeit. Bei Merkel wird ihm das nicht schaden, wohl aber bei einer Abstimmung der Parteimitglieder. Es könnte sein politisches Ende sein.

Freitag, 18. Oktober 2013

Wohin entwickelt sich der Journalismus?

Georg Diez berichtet über Angriffe auf Glenn Greenwald, den Kontaktmann des NSA-Enthüllers Edward Snowden, die ein fragwürdiges neues Verständnis von Jornalismus zeigen:
"Warum", fragte die erfahrene Journalistin Kirsty Wark, "sollten Sie der Schiedsrichter sein, was im Interesse der Öffentlichkeit ist und was der nationalen Sicherheit dient"?
Weil es sein Job ist, Kirsty! Manche nennen es Journalismus.
Was ist da also passiert?
Es wiederholte sich noch einmal, Anfang dieser Woche, als ein Kolumnist der britischen Zeitung "The Independent" erklärte, er hätte Snowdens Enthüllungen nicht veröffentlicht - denn wenn der Geheimdienst MI5 "warnt, dass das nicht im nationalen Interesse ist, wer wäre ich, ihnen nicht zu glauben?"
Georg Diez: Greenwald-Kritiker: Manche nennen es Journalismus, Spiegel online, 18.10.13

So ganz fremd ist uns diese Art Journalismus nicht. Enzensberger kritisierte sie in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts an der FAZ. Seitdem war es schon lange die Ehre eines Journalisten investigativ zu sein. Was ist passiert? Gibt die Presse freiwillig das einzige auf, worin sie Blogs eindeutig überlegen ist?

Zur Ehrenrettung des Journalismus hier die internationalen Reaktionen auf einen Angriff auf den Guardian (weil er die Sache des Feindes betreibe)

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Umgang mit der demographischen Krise

Elisabeth Niejahr von der ZEIT (10.10.13, S.12) erklärt "Warum unsere Gesellschaft die demographische Krise meistert".
"Der demographisch bedingte Mangel an jungen deutschen Fachkräften bereitet [...] nun weniger Probleme als gedacht."
Der Grund: Erstens die Krise in Südeuropa, die "Zehntausende von jungen, qualifizierten Menschen" zu uns treibt. Zweitens die Versorgung mit Kitas, so dass Frauen zur Arbeit gehen können, statt sich um ihre Kinder zu kümmern.

Ich frage mich: Wie kurzsichtig kann man denn sein?
Wenn die Krise in Südeuropa langfristig anhält, kommt es - gelinde gesagt - zu schweren wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, die Gesamteuropa in eine akute wirtschaftliche und politische Krise treiben werden und die Hunderte von Milliarden Euro, die Deutschland als Kredit vergeben hat, fällig werden lässt. Sie müssen dann von uns gezahlt werden.


In ZEIT Wissen wird gestützt auf umfangreiches Quellenmaterial behauptet, die Behauptungen, die Renten seien nicht mehr bezahlbar, die Frauen kriegten zu wenige Kinder, die Gesundheit der Alten werde zu teuer und dem Arbeitsmarkt fehlten junge Leute. seien alle vier Irrtümer. 
Die Quellen findet dafür man hier: http://www.zeit.de/zw/0613demografie 
Wenn die dort verwendeten Argumente nicht besser sind als die Vorstellung, wir könnten mit Hilfe der Eurokrise isoliert von unseren Nachbarn unsere demographische Krise lösen, wären die Quellen nichts wert. Wieso aber führt Niejahr dies Argument an, wenn in den Quellen bessere stehen?

Montag, 7. Oktober 2013

"Angela Merkel bietet den Grünen keine Koalition an - sondern die Übernahme"

Jakob Augstein sieht bei einem Bündnis Schwarz-Grün die Deutungshoheit bei Merkel und darin den Untergang der Grünen. (sieh Kommentar in Spiegel online, 7.10.13)

So genau weiß ich das nicht. Aber auch ohne das spricht das Wahlergebnis m.E. für eine Minderheitsregierung der Union.
Wenn Rot-Grün mit der Linken nicht kann, ist das kein Grund, dass eine der Parteien ihre Wahlziele aufgeben müsste.

Eine energische Formulierung von Augstein möchte ich noch zitieren:
"Könnten sich die Grünen je mit der Asylpolitik der Union abfinden? An der Küste von Lampedusa treiben die Leichen der Flüchtlinge an, während sich ein CSU-Innenminister auf der "Drittstaatenregelung" ausruht."

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Letta gewinnt Vertrauensabstimmung

Krise in Italien: Regierungschef Letta gewinnt Vertrauensabstimmung, Spiegel online, 2.10.13

"Für den Erhalt der Mitte-Rechts-Regierung stimmten 235 Senatoren, 70 Senatoren votierten mit Nein. [...] Kurz vor dem Votum hatte Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi eineüberraschende Ankündigunggemacht: Er warb um Zustimmung für Letta. "Wir haben beschlossen, das Vertrauen auszusprechen ", so Berlusconi. Anfang der vergangenen Woche hatte er noch fünf Minister seiner Partei PdL ("Volk der Freiheit") zum Rückzug aus der Regierung der großen Koalition gezwungen und damit eine Krise ausgelöst."