Samstag, 30. April 2016

Wie Unternehmen Verbraucher- und Umweltstandards beseitigen können (TTIP)

"Über regulatorische Kooperation sollen Lobbyisten frühstmöglich in Gesetzesvorhaben einbezogen werden - noch bevor die Parlamente einbezogen werden. Eine von uns im Januar veröffentliche Studie zeigt, dass bereits die informelle Variante der regulatorischen Kooperation in der Vergangenheit Verbraucher- und Umweltstandards abgeschwächt hat. In TTIP und CETA soll sie nun festgeschrieben werden."

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Donnerstag, 28. April 2016

euro|topics: Wieder Panik wegen Griechenland?

Die Überprüfung der griechischen Sparmaßnahmen verzögert sich und damit auch die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem dritten Hilfspaket. Griechenland droht im Juni erneut die Pleite. Premier Tsipras scheiterte mit seinem Vorschlag bei Ratspräsident Tusk, einen EU-Sondergipfel einzuberufen. Welcher Weg führt aus der Krise?

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)  28. April 2016:
Euro-Partner sollten Schuldenschnitt akzeptieren
„Alexis Tsipras will die große Bühne; er strebt eine Debatte auf höchster Ebene an, weil er glaubt, dann mehr erreichen zu können als sein Finanzminister. In welchem Kreis am Ende auch entschieden wird, eines ist klar: Beide Seiten müssen einlenken. Griechenland muss endlich vereinbarte Reformen im Parlament beschließen. Die Gläubiger wiederum müssen es unterlassen, Athen zusätzliche Notsparpläne aufzubürden, die nur einen Grund haben: Die Euro-Partner versuchen so, den Internationalen Währungsfonds als Kreditgeber an Bord zu holen. Wer das will, muss aber auch zu Schuldenerleichterungen bereit sein.“

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Mittwoch, 20. April 2016

Kommt ein Flüchtlingspakt mit Nordafrika?

Die EU-Kommission hat die Pläne von Italiens Premier Renzi zur Kooperation mit nordafrikanischen Staaten begrüßt. Er will, dass diese nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals Migranten aufhalten und zurücknehmen. Dafür sollen sie finanzielle und logistische Unterstützung erhalten. Werden Geflüchtete bald ins Bürgerkriegsland Libyen abgeschoben?

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 THE INDEPENDENT (GB) Zeugen des IS-Terrors willkommen heißen 
Anstatt Flüchtlinge in die Türkei oder nach Nordafrika zurückzuschicken, sollte Europa sie aufnehmen und ihre Schreckensberichte als Waffe gegen den Islamismus einsetzen, rät die Tageszeitung The Independent: „Die Berichte von Flüchtlingen stellen eine einmalige Möglichkeit dar, den Darstellungen der Extremisten etwas entgegenzusetzen. ... Familien, Überläufer und Flüchtlinge können - wenn sie unterstützt und beschützt werden - überzeugend und persönlich die Gewalttaten der IS-Milizen bezeugen. Wir sind die am besten vernetzte, digitale und verbundene Generation der Geschichte der Menschheit. Glaubwürdige Stimmen, Botschafter und wahre Berichte sind bei der Bildung von Vorstellungen entscheidend. Flüchtlinge und Familien sind eine nicht angezapfte Quelle von enormer emotionaler Stärke. Und sie sind eine Generation, die, wenn sie respektiert und gut behandelt wird, eine organische Masse darstellt, die extremistischen Ideologien widerstehen kann.“

 CORRIERE DELLA SERA (IT) Jetzt nicht über die Details streiten 
Renzi schlägt vor, das mögliche EU-Afrika-Abkommen mit Eurobonds zu finanzieren. Doch darauf sollte sich Rom nicht versteifen, meint der Corriere della Sera: „Es geht nicht um die in Italien so beliebten Eurobonds, die Deutschland verhasst sind. Die Debatte zwischen Rom und Berlin dreht sich um die Notwendigkeit, eine mittel- bis langfristige Strategie zu finden. Der Vorschlag der Regierung Renzi lässt sich mit dem Konzept mehr Leistung für mehr Gegenleistung zusammenfassen: Mehr konkrete Hilfen für afrikanische Länder - mit einer neuen Logik als die der bisherigen Hilfen - als Gegenleistung Kontrollen und Eindämmung der Migrantenströme in den Ausreiseländern. Die Kosten dafür müssen gedeckt werden, so wie auch der von Merkel gewollte Pakt mit der Türkei finanziert werden musste. Ganz gleich ob mit oder ohne Eurobonds. Ziel ist es, die Flüchtlingsströme einzudämmen. ... Und hier, in der Findung einer gemeinschaftlichen Lösung, dürften Deutschland und Italien übereinstimmen.“

 DIE PRESSE (AT) Fehler in Libyen kommen EU teuer zu stehen
Dass so viele Flüchtlinge die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten, ist eine Folge des verfehlten internationalen Militäreinsatzes in Libyen 2011, analysiert die konservative Tageszeitung Die Presse: „Nach dem von Europäern forcierten Militäreinsatz hätte es deshalb vor allem europäischer Anstrengungen bedurft, um der inhomogenen Rebellenallianz bei der Suche nach einer tragfähigen Nachkriegslösung zu helfen. ... Doch diese Anstrengungen waren nur halbherzig. Die Rivalitäten zwischen Libyens neuen Herren verschärften sich immer mehr, bis das Land 2014 erneut in den Strudel der Gewalt hinabgezogen wurde. ... Die Stabilisierung Libyens ist eine ernste Prüfung für die EU-Außenpolitik. Denn weitere Planungsfehler wird Europa direkt zu spüren bekommen.“ Wieland Schneider Teilen auf Zum Originalartikel Kommt der Flüchtlingspakt mit Nordafrika? Teilen auf Davutoğlu macht Druck wegen Visa-Freiheit Der türkische Premier Ahmet Davutoğlu hat die EU aufgefordert, die zugesagte Visa-Freiheit für Türken ab Juni umzusetzen. Andernfalls könne man von der Türkei nicht erwarten, dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber der EU einhalte, betonte er. Lässt sich die EU von der Türkei wegen des Flüchtlings-Deals erpressen?

Dienstag, 19. April 2016

Humanitäre Katastrophe im Jemen

Im Jemen findet gegenwärtig die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg statt.
Umfassender und von weit höherer Dynamik als der syrische Bürgerkrieg.
Sie ist auch auswegsloser, weil den Bewohnern praktisch jede Fluchtmöglichkeit fehlt.
Das gesamte Land wird bombardiert. Flucht innerhalb des Landes ist sinnlos. Fluchtwege nach außen sind versperrt durch den Feind, die Wüste und das Meer. Jenseits des Meeres liegen die Länder, aus denen vor dem Angriff der Bomber Saudi-Arabiens Hundertausende von Menschen nach Jemen geflohen sind.
Die Katastrophe ist fast unbeachtet, weil nur wenige Journalisten berichten können.

Tweets zu Jemen

20 Millionen Menschen können ihren Grundbedarf nicht decken. 14,4 Millionen fehlt aktuell die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln. In Syrien sind weniger Menschen betroffen, weil sie im Lande fliehen können. Und die Katastrophe ist im Jemen weit schneller eskaliert, in gut einem Jahr ist der Zerstörungsgrad so hoch geworden wie in Syrien in 5 Jahren.

Ursache ist die "Militärintervention im Jemen, die am 26. März 2015 von einer von Saudi-Arabien angeführten und von den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützten Militärallianz unter Beteiligung von Saudi-Arabien, ÄgyptenBahrainKatarKuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), JordanienMarokkoSudan und seit Mai 2015 Senegal begonnen wurde."
„Humanitäre Aspekte der Militärintervention im Jemen 2015/2016“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. April 2016, 20:10 UTC. URL:https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Humanit%C3%A4re_Aspekte_der_Milit%C3%A4rintervention_im_Jemen_2015/2016&oldid=153272368 (Abgerufen: 19. April 2016, 04:32 UTC) 

Jemen: Briefe aus einem verstörten Land SPON 15.4.2016

Montag, 18. April 2016

Warum droht die SPD unter 20 Prozent zu fallen?

Eine Analyse, der ich weitestgehend zustimmen kann, legt Christian Nürnberger in ZEIT online vor. Ich zitiere bei weitem nicht alles, was ich unterstreichen möchte, sondern versuche nur, die Argumentation anzudeuten und zum Nachlesen anzuregen:
"Die Erosion der Partei begann ja schon bald nach Willy Brandt, als Helmut Schmidt nicht auf seinen Erhard Eppler hörte und immer noch weitere Milliarden in den Schnellen Brüter von Kalkar steckte. In Japan hat die Regierung damals schon massiv in die Mikroelektronik investiert. In der SPD und in den Gewerkschaften galten Computer als Jobkiller. Damit wollte man nichts zu tun haben. [...]
Den größten Schlag aber versetzte der SPD, zunächst unbemerkt, der Fall der Mauer. Er war zufällig verbunden mit der Erfindung des Internet, und es wurde lange nicht verstanden, dass beide Ereignisse zusammen das Gleichgewicht von Kapital und Arbeit aushebelten. [...]
Der Besitzer von Kapital war nun in der Lage, dem deutschen Arbeitnehmer die Pistole auf die Brust zu setzen und wie ein Erpresser zu sagen: Du, Ware Arbeitskraft, bist mir zu teuer geworden. Mach dich also billiger, wenn ich dich weiterhin kaufen soll. Es hat keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Waren wie dich finde ich überall auf der Welt. Arbeit ist auf der Welt billig wie Dreck. [...]
Im Folgenden schildert Nürnberger, weshalb er Schröders Reaktion für falsch hält, weshalb er andererseits aber nicht daran glaubt, dass erfolgreich umgesteuert werden kann. [...]
Nach 46-jähriger Parteimitgliedschaft fürchte ich daher: Es geht zu Ende. SPD-Mitglieder sind im Schnitt zu alt für eine Rebellion. Unter den Jungen befinden sich sehr viele Karrieristen. Woher die Partei die Kraft nehmen soll für eine Selbstreformation weiß ich leider nicht. Wir werden vermutlich auf die Gründung einer neuen Partei hoffen müssen, in der die alte Idee der Sozialdemokratie zu neuem Leben erweckt wird. "

Sonntag, 17. April 2016

Von der Verantwortung der Kolonialmächte

In Kein Platz an der Sonne (ZEIT 11/2016) schildert der Historiker Wolfgang Reinhard den Zusammenhang zwischen den Folgen der Kolonialherrschaft und der heutigen politischen Situation in Afrika:
[...] der moderne Staat blieb in den Augen der einheimischen Bevölkerung ein Werk der Kolonialherren, denen gegenüber man keine Verpflichtung spürte und deren Eigentum man nach Kräften schädigte. Nur die neuen postkolonialen Staatseliten identifizierten sich im eigenen Interesse mit ihrer Nation, die meisten Afrikaner hingegen solidarisierten sich stärker denn je mit ihrer wie auch immer umschriebenen Ethnie. Diese Stärkung des ethnischen Bewusstseins und seine Steigerung zum Rassismus bis hin zum Völkermord ist die schwerste Erblast des Kolonialismus. [...]
Zugleich zeigt das Beispiel Asien, dass die Kolonialherrschaft bei allen Schrecken auch Freiräume eröffnete. Sie brachte eben nicht nur Unterdrückung, sondern auch Befreiung von den Fesseln der Tradition. Neue wirtschaftliche Chancen wurden genutzt, Frauen fanden neue Rollen, neues religiöses Leben blühte auf, weltweite Kontakte und globale Mobilität wurden möglich, und ein kritisches, auch im Westen einflussreiches postkoloniales Denken entstand.

In diesem Zuge haben sich manche Länder nicht nur Importartikel wie das westliche Staatskonzept angeeignet, sondern auch die englische Sprache. Unsere Weltkultur ist demnach zwar europäischen Ursprungs, aber längst nicht mehr europäischen Charakters. Die europäische Unterwerfung der Welt ist nur noch eine historische Feststellung. Damit sind die Historiker neu gefordert. Auch nach seiner Aneignung muss das problematische europäische Erbe reflexiv bewältigt werden. [...]"

Mehr dazu in Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt - Globalgeschichte der europäischen Expansion 1015-2015, 2016
Aus der Einleitung:
"Europa ist immer noch expansiv, obwohl seine weltgeschichtliche Führungsrolle längst der Vergangenheit angehört. 2013 umfasste die Europäische Union 28 Mitglieder. Ein Ende ihrer Expansion ist nicht abzusehen, wobei die Herausforderung Russlands 2014 ohne Bedenken in Kauf genommen wurde. Aber Europa wächst kaum mehr mit Einsatz militärischer Gewalt wie einst, sondern kraft seiner wirtschaftlichen Attraktivität, also nicht durch seine eher marginale hard power, sondern durch seine soft power. Denn nicht mehr die Verbreitung des wahren Glaubens oder die nationale Größe im agonalen Plural ist wie einst das Leitmotiv der Europäer, sondern grenzenloses Wirtschaftswachstum."

Freitag, 15. April 2016

EU-Kommission reagiert auf Panama Papers

Nach den Panama-Enthüllungen will die EU-Kommission multinationale Firmen zu mehr Transparenz verpflichten. Entsprechende Pläne präsentierte am Dienstag Finanzkommissar Jonathan Hill. Einige Kommentatoren begrüßen den Vorstoß, fordern aber gleichzeitig weitere Schritte. Andere halten eine gerechte Welt ohne Steueroasen für illusorisch.

Öffentlichkeit ist ein guter Wächter

Die Wirtschaftszeitung Kauppalehti begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission, wonach Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro ihre Einnahmen und Steuerzahlungen nach Ländern aufschlüsseln sollen:
„Ziel der Regelung ist es, dass Unternehmen ihre Steuern dort zahlen, wo die Einnahmen erzielt wurden. Das neue Gesetz knüpft an frühere Rechtsvorschriften an, geht aber durch die Offenlegung von Daten einen Schritt weiter. Die EU hofft, dass Transparenz die aggressive Steuerplanung eindämmt. Die Wirtschaft ist von der neuen Regelung der EU hingegen nicht begeistert. Die Unternehmen fürchten öffentliche Kritik und Fehlinterpretationen der Daten. Die Panama Papers haben aber gezeigt, dass die Öffentlichkeit oft ein besserer Wächter ist als die Behörden. Häufig rütteln Missstände erst wach, wenn sie öffentliches Aufsehen erregen.“
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Bitte keine Scheinmaßnahmen

Die Vorschläge der EU gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus, mahnt die katholische Tageszeitung Avvenire:
„Allem Anschein zum Trotz sind die Panama Papers und der weltweite Skandal der VIPs, die ihre üppigen Verdienste in Steueroasen verstecken, eine gute Nachricht: Die Welt ist zu klein geworden, um derartige Verhaltensweisen zu verbergen und die internationalen Institutionen, die Staaten und die öffentliche Meinung sind nicht länger bereit, dieses Phänomen so hinzunehmen. … Ein konkreter Vorstoß ist die Pflicht, die sogenannte Country-by-Country-Reporting-Regel zu befolgen. Die EU hat jüngst entschieden, diese Richtung einzuschlagen. Allerdings mit einer Maßnahme, die unserer Meinung nach noch vollkommen unzureichend ist. Dass die EU wirklich eingreifen will, ist zu bezweifeln, sie schürt den Verdacht, sie lasse sich von den Lobbys beeinflussen. Schon allein die Schwelle von 750 Millionen Umsatz, ab der die Pflicht gelten soll, nimmt einen Großteil der Unternehmen aus.“


Eine Welt ohne Steueroasen ist eine Illusion

So himmlisch einem eine Welt ohne Steueroasen nach den Panama-Papers auch erscheinen mag, realistisch ist diese nicht, erklärt die liberale Tageszeitung Večer:
„Der Hauptgrund dafür ist, dass man durch das Austrocknen der Steueroasen die Finanzindustrie und die multinationalen Firmen enthaupten würde, die die globale Wirtschaft beherrschen. So würden auch alle unaufrichtigen und unfähigen Politiker gehen müssen, die von dieser Industrie auf die Posten gehoben wird, in den größten und einflussreichsten ebenso wie in den ärmsten Ländern. Das ist der moderne Kapitalismus, der für die meisten Menschen alles andere als schön ist. Trotzdem wird ihn diese Mehrheit nicht stürzen können. Diese Mehrheit ist zu uneins, zu entfremdet, zufrieden mit ihren eigenen kleinen Tricks, mit denen sie den Staat betrügt. Und außerdem sind die Regale gut mit billiger Ware gefüllt.“


Schäubles Pläne gehen nicht weit genug

Bundesfinanzminister Schäuble hat einen Zehn-Punkte-Plan für den Kampf gegen Steuerbetrug und Geldwäsche angekündigt, den er am kommenden Wochenende auf der IWF-Frühjahrstagung zur Diskussion stellen will. Nur ein international abgestimmtes Vorgehen hat Erfolgschancen, glaubt der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk:
„Warum etwa ist auch die Regierung in London immer gern dabei, wenn es um publikumswirksame Initiativen gegen Steuerverkürzung und anderes geht, und gleichzeitig geht die Zahl der Briefkastenfirmen in britischen Überseegebieten immer noch in die Hunderttausende? Wieso legen die USA anderen Staaten gerne die Daumenschrauben an, wenn diese im Verdacht stehen, US-Bürgern bei unlauteren Deals Unterschlupf zu bieten, aber umgekehrt tut sich nichts etwa bei den beliebten Briefkastenfirmen im US-Bundestaat Delaware? ... Steuerfahnder und Kripobeamte, die jeden Tag gegen Wirtschaftskriminelle ermitteln - ihnen allen gehen Schäubles Vorschläge nicht weit genug.“


Offshore-Praktiken zu Unrecht im Zwielicht

Die Möglichkeit, Briefkastenfirmen zu gründen, ist für den internationalen Handel enorm wichtig, verteidigt die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph die umstrittenen Offshore-Praktiken:
„Ein großer Teil der finanziellen Praktiken im Offshore-Bereich ist gesetzeskonform und legitim. In vielen Fällen sind sie für die reibungslose Abwicklung globaler Geschäfte unerlässlich. ... Offshore-Zentren erleichtern die Verschiebung von Kapital und verkleinern die Hürden für Handel und Investitionen. ... Das Problem beim Thema Steuervermeidung sind nach den Worten von US-Präsident Barack Obama die 'so unzureichend gestalteten Gesetze'. Diese wurden für eine Zeit vor der Globalisierung konzipiert. Daher sollten die Gesetze repariert und jene bestraft werden, die sie brechen. Jagt aber bitte nicht Menschen, deren einziges Verbrechen darin besteht, reich zu sein!“


Das Geschäftsrecht muss reformiert werden

Um die Offshore-Praxis zu unterbinden, müsste man einfach nur das Geschäftsrecht reformieren, meint Edward Lucas in einem Kommentar der Nachrichtenagentur BNS:
„Ab dem kommenden Jahr sollte jede Geschäftsabmachung, die eine Überweisung von einer Million US-Dollar oder mehr beinhaltet, nur dann als juristisch verpflichtend gelten, wenn der Empfänger genannt wird. Wenn Sie ein Haus in London vermieten, ein Casino in Monaco verkaufen oder einen Öltanker in Noworossijsk erwerben möchten, müssten Sie sagen, wer Sie sind. Und angeben, wer die andere Geschäftspartei ist. Andernfalls würde Ihnen vor Gericht kein Recht gewährt. ... Derartige Beschränkungen würden niemandem Sorgen bereiten, der die Gesetze befolgt. Sie wären jedoch sehr unbequem für diejenigen, die ihre Geschäfte mit Hilfe von geschickten Anwaltskanzleien in exotischen Ländern erledigen.“


Internationale Gesetze statt Appelle

Die Veröffentlichung der Panama Papers zeigt, dass es nicht ausreicht, an die Moral der Menschen zu appellieren, konstatiert die christliche Tageszeitung Kristeligt Dagblad:
„Im November gelang es dem Steuerchef der OECD, Pascal Saint-Amans, die USA, die EU, Indien, China, Russland und Brasilien zu einem Versuch zu bewegen, ihre Steuerregeln und -verwaltungen zu harmonisieren. Es muss also auch möglich sein, Druck auf die kleinen Steueroasen auszuüben, damit sie nicht länger ein Hafen für versteckte Vermögen werden. Das ist ein schwieriger Prozess und die Gier der Menschen hat bisher zu sehr kreativen Lösungen geführt, wenn es darum geht, Steuern zu sparen. Eine Gesetzgebung ist hier der einzige Weg. Appelle an die Moral reichen nicht aus, denn das Gewissen der Menschen leidet offenbar zu sehr unter dem Sündenfall.“
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Enthüllungen machen die Welt gerechter

Unabhängig davon, wer für die Veröffentlichung der Panama Papers verantwortlich ist, wird sie sich positiv auswirken, glaubt die linksliberale Wirtschaftszeitung Cinco Días:
„Held oder Bösewicht? Wir wissen noch nicht, wer die Information veröffentlicht hat. Aber wir können uns die Konsequenzen ausrechnen. ... Die Steuerlast muss auf die Wirtschaftskraft der Steuerzahler verteilt werden - und das auf gerechte und progressive Weise. Wenn nun nicht mehr die Devise gilt, dass immer dieselben die Zeche zahlen müssen, ist das gut. Ein Held oder ein Bösewicht, wer auch immer, hat einem neuen Steuerfrühling die Türen geöffnet.“


Enthüllungen werden nichts verändern

Nach Veröffentlichung der Panama Papers wird sich nichts ändern, davon ist die liberale Tageszeitung Večer überzeugt:
„In den Steueroasen koexistieren die 'Linken' und die 'Rechten', die Politik und das Kapital. ... Es ist eine Koalition, die stark ist und dafür sorgt, dass die Steueroasen erhalten bleiben, auch wenn die Politiker immer wieder gesagt haben, sie würden diese abschaffen, oder zumindest stark regulieren. Können wir uns angesichts dieser bunten Bruderschaft im Steuerhimmel der Illusion hingeben, dass sich nach den Panama Papers etwas ändern wird? ... Vielleicht nur in Island, wo die Menschen letzte Nacht vor dem Parlament demonstriert haben.“


Steueroasen sind Fundament des Finanzsystems

Warum die baldige Austrocknung von Steueroasen illusorisch ist, erklärt der Investmentexperte Christophe Servan im rechten Onlinemagazin Boulevard Voltaire:
„Das Unerhörteste an der ganzen Sache ist, dass die Gelder, die am Fiskus vorbeigeschleust werden, größtenteils in die Finanzierung von Staatsschulden investiert werden. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. ... Diejenigen, die hoffen, dass die Verbreitung der Panama Papers das Ende der Steuerhinterziehung ankündigt, machen sich Illusionen. Denn die beschuldigte panamaische Kanzlei Mossack Fonseca ist nur eine von einem Dutzend weiterer. Vor allem - und das ist der wichtigste Punkt - erreicht die Steuerhinterziehung derzeit ein derartiges Ausmaß, dass Bekämpfungsmaßnahmen das gesamte internationale Finanzsystem erschüttern könnten.“