Mittwoch, 26. August 2020

euro|topics: Wie will Trump die Wahl gewinnen?

Die Republikaner haben auf ihrem Parteitag Donald Trump offiziell zu ihrem Kandidaten gewählt. Der verspricht, bei seiner Wiederwahl Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen, die Steuern zu senken und die USA von China unabhängig zu machen. Gegen das Coronavirus solle es bis Ende des Jahres einen Impfstoff geben. Beobachter erklären, welche Register der Amtsinhaber im Wahlkampf noch zieht.
JUTARNJI LIST (HR)

Angst vor radikalen Linken schüren

Trump zieht mit düsteren Prophezeiungen in den Wahlkampf, beobachtet Jutarnji list:
„Der US-Präsident hatte Optimismus, Hoffnung und Freude versprochen für den republikanischen Parteitag. ... Doch schon am ersten Abend wurde klar, dass Trumps Lager sich für eine andere Taktik entschieden hat: Angst schüren vor dem eventuellen Sieg der 'radikalen Linken' und 'marxistischen Aktivisten' angeführt von Joe Biden und Kamala Harris. ... Durch den Sieg der Demokraten am 3. November würden stille US-Vorstadtviertel in Kriegszonen verwandelt, Häftlinge würden entlassen und den Bürgern würde mit Gewalt die Waffen abgenommen werden, die sie legal besitzen, um sie danach wieder in Quarantäne zu schicken wegen des Virus, 'mit dem der Präsident erfolgreich abgerechnet hat'.“
Tea Trubić Macan
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LA STAMPA (IT)

Verharren im Schützengraben

Wer glaubte, Trump würde sich wandeln, hat sich geirrt, erklärt Kolumnist Gianni Riotta in La Stampa:
„Die ersten Stunden des Parteitags löschten alle Zweifel derjenigen, die glaubten, der Präsident suche eine neue Harmonie; einige Beobachter hatten gar auf einen 'optimistischen Parteitag' gehofft. ... Trump wird, wie diejenigen wissen, die ihn seit seinem Debüt am New Yorker Finanzmarkt kennen, siegen oder verlieren. Trump, der Feind des Optimismus von Eisenhower und Reagan, des Pragmatismus von Kissinger und Bush Senior, der neoliberalen Illusionen von Bush Junior. ... Seine mögliche zweite Regierung wird im Schützengraben bleiben, wie die erste.“
Gianni Riotta
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PRAVDA (SK)

Die Wahrheit bringt Trump nicht weiter

Da Trump nicht mit Erfolgen punkten kann, braucht er die verbalen Attacken auf die Demokraten, meint Pravda:
„Die Intuition sagt ihm, dass er das unverhältnismäßig große Lob [seiner Partei] mit heftigen Angriffen auf die Demokraten verbinden muss. Während das Motto von Bidens Rede die Aufteilung in Licht und Dunkelheit - sprich: Demokraten und Republikaner - war, sprach Trump vom Weg des Schicksals. Dies ist in der Tat Trumps schicksalhafte Reise. Obwohl die Vereinigten Staaten eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder sind und das Land die Pandemie dank falscher und verwirrender Aussagen des Präsidenten eindeutig nicht bewältigt, erklärt er, dass er mit der Pandemie umgehen könne. Jeder kennt die Wahrheit. Trump und die Republikaner werden sich jedoch nicht die Mühe machen, im Wahlkampf die Wahrheit zu sagen. Mit der Wahrheit gewinnt man keine Wahlen.“
Igor Daniš
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DAGENS NYHETER (SE)

Referendum über den Kurs der Partei

Dagens Nyheter fragt sich, ob sich die Republikaner je wieder von der Vereinnahmung durch Trump erholen können:
„Trump hat gezeigt, dass man die Partei mit einer populistischen und nationalistischen Agenda kapern kann, und voraussichtlich werden dies auch andere versuchen. Die Parteibasis hält offenbar alles Mögliche aus, und diejenigen, die noch vom alten Establishment übrig sind, haben sich als feige und schwach erwiesen. Ein Nachfolger muss nicht so chaotisch sein wie Trump und könnte gerade deshalb effektiver sein als er. Vielleicht könnte eine herbe Niederlage im November die Republikaner auf andere Gedanken bringen. Somit wird die Wahl ein Referendum über Trump wie auch über den Kurs der Partei.“
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Donnerstag, 20. August 2020

euro|topics: Cancel Culture: Problem oder Gespenst?


In Debatten taucht in letzter Zeit verstärkt der Begriff der "Cancel Culture" auf. Mit dem Ausdruck soll eine systematische Rufschädigung von Personen kritisiert werden, die unliebsame Positionen äußern würden - und damit eine Gefährdung der Meinungsfreiheit. Während einige Kommentatoren verheerende Auswirkungen der "Cancel Culture" fürchten, stellen andere infrage, dass es sie tatsächlich gibt.
DAILY EXPRESS (GB)

Keiner traut sich mehr, offen zu reden

Die Auswirkungen der "Cancel Culture" auf die zwischenmenschlichen Beziehungen sind desaströs, klagt Daily Express:
„Die 'Cancel Culture' wurzelt in etwas Positivem, nämlich in dem Ziel, die Verbreitung von Hass zu verhindern. Doch es sind nicht nur die Verbreiter von Hass, die davon betroffen sind. Die Unsicheren, die Neugierigen und diejenigen, die wachsen, lernen und sich mit anderen verbinden wollen, werden ebenfalls unterdrückt. Indem wir versuchen, die Ausbreitung von Hass durch Zensur zu stoppen, zerstören wir auch die Fähigkeit der Menschen, offen zu kommunizieren, zu lernen und zu wachsen, ohne Angst zu haben, etwas Falsches zu sagen. Ohne diese Freiheiten wird die Möglichkeit der Menschen, auf natürliche Weise mit anderen eine Beziehung aufzubauen, weiter schwinden - und unsere Fähigkeit, als Menschen mitzuwachsen, ebenso.“
Katy Moran
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Wie eine Minderheit sich durchsetzt

Corriere della Sera fürchtet das Aufkommen eines neuen Anpassertums:
„Wenn es einer Minderheit gelingt, sich durchzusetzen und eine viel größere Gruppe von Menschen mitzuziehen, wird ein neuer Konformismus etabliert. Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, aus wem diese 'schweigende Mehrheit' besteht. ... Sie besteht im Wesentlichen aus Chamäleons und Unterwürfigen. Chamäleons sind diejenigen, die sich für jede neue Idee einsetzen, egal welche es ist. … Die Unterwürfigen hingegen haben Angst, von ihren Freunden, von denen, die (scheinbar) begeisterte Befürworter der neuen Ideen sind, missbilligt und an den Rand gedrängt zu werden. Chamäleons und Unterwürfige bilden zusammen die Truppe, die von den Generälen (der bestimmenden Minderheit) manövriert wird. Dank ihnen etabliert sich ein neuer Konformismus.“
Angelo Panebianco
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LE MONDE (FR)

Der Zweck heiligt nicht alle Mittel

Die Soziologin Nathalie Heinich appelliert in Le Monde an die Linke, bei "Cancel Culture" nicht mitzumachen:
„Man kann sich nicht damit zufriedengeben, die Exzesse dieser radikalen Aktivisten zu verurteilen und gleichzeitig zu suggerieren, dass der Zweck trotz allem die Mittel heiligt. Die einzig gültige Frage muss mit Nachdruck gestellt werden: Welche Legitimität und Rechtmäßigkeit haben die von den neuen Zensoren verwendeten Methoden? Sonst droht die Linke erneut totalitären Versuchungen zu verfallen, die vom Revolutionsterror bis zu Stalins Gräueltaten ihre Geschichte verdunkelt haben. Sonst leben wir nicht mehr in Rechtsstaat und Demokratie, sondern in dem, was einst der Dorftratsch hervorbrachte und nun in den sozialen Netzwerke genauso stattfindet: unwiderrufliche, erbarmungslose und ausweglose soziale Kontrolle.“
Nathalie Heinich
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TAGES-ANZEIGER (CH)

Die Angst der rechtskonservativen Publizisten

Warum der Verlust der Meinungsfreiheit beklagt wird, erläutert der Tages-Anzeiger:
„Weil einige offensichtlich ein Problem damit haben, dass es Gegenwind gibt. Gemeint sind damit nicht die linken Aktivisten, denen oftmals vorgeworfen wird, sie seien so verweichlicht, dass sie sich als Opfer von allem gebärdeten … . Ein Problem haben vielmehr die zahlreichen rechtskonservativen Publizisten gesetzteren Alters ... - wenn auch aus strategischen Gründen: weil sie ein Problem damit haben, dass im Netz Öffentlichkeiten entstanden sind, gegen die sich ehrlicherweise nur wenig sagen lässt, die aber den eigenen Machtanspruch in Sachen Meinungsbildung unterlaufen. Deshalb beschwören sie das Schreckgespenst der Cancel Culture: um sich als heroische Verteidiger und zugleich erste Opfer eines vermeintlichen Extremismus zu gebärden.“
Andreas Tobler
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