Freitag, 31. August 2012

Arbeitsmarkt

Das Problem, weshalb viele Facharbeitsplätze in Deutschland unbesetzt bleiben, ist nicht die Demographie, es ist die mangelnde Integrationsfähigkeit.
Wir schaffen es nicht, die Jugendlichen an die Art von Anforderungen herauzuführen, die der deutsch Arbeitsmarkt heute stellt, und wir schaffen es nur bedingt, Migranten, die nach Deutschland kommen, zu integrieren.
In ihrem Artikel "Job-Rätsel" in der FR vom 31.8.12 beantwortet Eva Roth die Frage, weshalb zwar die Zahl der Beschäftigten steigt, aber die der Arbeitslosen auch, und das bei zurückgehenden Geburtenraten.

Die wachsende Zahl der Stellenangebote lockt Griechen, Spanier und andere aus Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit an und ermutigt die "stille Reserve", diejenigen, die die Arbeitssuche schon aufgegeben hatten und deshalb nicht mehr als arbeitslos gezählt wurden, erneut ihr Glück auf dem Stellenmarkt zu versuchen. Nicht selten erfolgreich.

ZEIT online 30.8.12: "Schwächeres Wachstum treibt Arbeitslosigkeit hoch"

Information der Bundesregierung zum Problem

Das Beschäftigungsproblem, eine allgemeinere Darstellung von Jürgen Pätzold

Montag, 27. August 2012

Rüstungsexporte

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und liefert, obwohl es Beschlüsse gibt, wonach das nicht geschehen soll, immer wieder in Krisengebiete, freilich: "Laut einem Kongressbericht stammen weltweit drei Viertel aller Rüstungslieferungen aus Amerika, der Großteil geht in den Nahen Osten." (Spiegel online, 27.8.12)

Sonntag, 26. August 2012

noch einmal: Beschneidung

Einen wunderbar differenzierten Artikel zum Thema "Beschneidung" und einen wertvollen Beitrag zur Diskussion eines Beschneidungsverbotes hat Lorenz S. Beckhardt am 23.8.12 in der Frankfurter Rundschau geliefert. Von anderen Erfahrungen her kommend habe ich eine etwas abweichende Position, aber ich bin sehr dankbar für seinen Beitrag, weil er mir ein weit besseres Verständnis des Problems ermöglicht, als ich es ohne ihn hätte erreichen können. Er schreibt:
Natürlich ist ein Judentum ohne Beschneidung denkbar. Diskutieren, streiten, Regeln aufstellen, um sie wieder zu verändern, das ist jüdischer Alltag. Noch mag die Mehrheit auch der säkularen Juden nicht auf die Beschneidung verzichten. Salopp formuliert: Wir brauchen sie, solange der Geruch der Asche noch in unseren Kleidern steckt. Doch selbst aus einer orthodoxen Gemeinde wird schon heute niemand verwiesen, der unbeschnitten daherkommt.
Aber er weist auch darauf hin, dass es hoch problematisch ist, wenn in Deutschland eine Diskussion über Beschneidung geführt wird, ohne zu beachten, dass es bei der Begründung des Judentums bereits eine Ablehnung der Beschneidung als "barbarisch blutenden Akt" (Abraham Geiger) gab, dass diese Diskussion aber durch die Schoa (Holocaust) in einen Kontext gestellt worden ist, der die Ablehnung der Beschneidung erschwert.
Religionsfreiheit verstehen wir so, dass wir den in Auschwitz unterbrochenen Weg in die Moderne aus eigenem Antrieb und in freier Selbstbestimmung gehen, wie es seit den Tagen Moses Mendelssohns, des großen jüdischen Aufklärers, bei uns Tradition ist. Eine nichtjüdische Begleitung auf diesem Weg benötigen wir nicht; ihn nicht zu behindern, würde dieses Mal schon reichen.
Religionsfreiheit rechtfertigt in meinen Augen nicht Körperverletzung der eigenen Kinder, auch wenn diese ihrerseits noch keine Religionsmündigkeit haben können und den Eltern nicht zugemutet werden kann, ihre Kinder ohne Religion aufzuziehen, wenn sie Religion für ein "richtiges Leben" für notwendig halten.
Aber eine rechtliche Regelung der Beschneidung in Deutschland darf nicht den den historischen Kontext übergehen, in dem Beschneidung in der deutschen Geschichte steht. Dazu ist hochinteressant, zu erfahren, weshalb Beckhardts Vater seinen Sohn nicht beschneiden ließ und weshalb sich dieser mit 20 Jahren für eine Beschneidung entschied. Man lese es nach. (vgl. auch meine frühere Stellungnahme zur Diskussion eines Beschneidungsverbotes)

Nachtrag:
Charlotte Knobloch in der Süddeutschen Zeitung vom 5.9.12 zur Beschneidungsdebatte
Joachim Gauck bei Synagogeneinweihung
Hinweis auf Alfred Bodenheimer: „Haut ab!“, Wallstein-Verlag von Christian Bommarius in der Frankfurter Rundschau vom 1.12.12
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Nachtrag vom 13.12.12:
Diskussion zu Beschneidung und Blasphemie

Dienstag, 14. August 2012

Weinen mit Wulff, Lob für Lammert

Während sich ein kluger Politiker ein Beziehungsgeflecht aufbaut, das ihn bei Skandalen in Schutz nimmt und nach der Amtszeit eine einträgliche Stellung als Lobbyist in der Wirtschaft sichert, wie Schröder und Koch das getan haben, hat Wulff sich aus der gesicherten Position eines Ministerpräsidenten herausbegeben, ohne vorgesorgt zu haben.
Als Ministerpräsident kann er sich sicher sein, dass alle seine Parteifeinde, die noch etwas in ihrem Bundeslande werden wollen, nach seiner Pfeife tanzen. Als Bundespräsident hat er keine Posten und Aufträge mehr zu vergeben. Da hat ihn selbst die Bildzeitung fallen gelassen. Welcher Konzern will ihn da noch haben!
Als Bundespräsident und als Bundestagspräsident soll man über den Parteien stehen; dadurch verliert man seine Klientel. Man denke an Jenninger (Rede) und Süßmuth („Dienstwagen-Affäre“). Es gehört viel Mut dazu, solch einen Posten so gewissenhaft auszufüllen, wie Lammert es tut: Man darf keine Angst vor Skandalen haben und muss bereit sein, dermaleinst mit den Bezügen vorlieb zu nehmen, die für abgedankte Politiker vorgesehen sind.

In Obamas Bericht "Hoffnung wagen" kann man nachlesen, was alles Politiker zu tun bereit sind, nur um ihren Posten und ihre Anhängerschaft nicht zu verlieren.

Freitag, 10. August 2012

Weshalb ich im Todesfall Organspender sein wollte

Nachtrag vom 24.6.13 als Vorwort:
Ich habe meine hier begründete Bereitschaft zu freiwilliger Organspende nach ca. 30 Jahren, in denen ich einen Organspenderausweis bei mir getragen habe, jetzt beendet.
Dass Organtransplantationen unsozial sind, weil die Organspender nicht selten aus finanziellen Notlagen heraus spenden und die Empfänger hohe Summen für die Organe bezahlen, war mir bekannt. Mit meiner Spende wollte ich einen - zugegebenen minimalen - Beitrag dagegen leisten. Ein menschenunwürdiges Sterben zu provozieren bin ich dafür aber nicht bereit. (formuliert am 29.10.12)

In den Regionen und Lagern, wo die Menschen am verzweifeltsten sind, suchen Organaufkäufer ihre Lieferanten. Das sind zum Beispiel die Lager, wo noch heute Überlebende des Tsunamis der Jahreswende 2004/05 ohne jede Hoffnng, das Lager zu verlassen, leben. Organaufkäufer verschaffen ihnen die Mittel, sich eine kleine Existenz außerhab des Lagers aufzubauen (oder auch nur die Illusion, sie könnten das mit dem Geld erreichen), und lassen ihnen die Organe entnehmen, die am meisten gefragt sind.
Ein großer Teil geht an reiche US-Bürger mit - durch Übergewicht verursachter - Diabetes, deren Nieren auszufallen drohen oder die schon laufende Dialyse brauchen.
Aber es gibt auch andere Organlieferanten: Ein US-Bürger hat bei Einwanderern, die aus Osteuropa nach Israel gekommen sind, genügend Verzweifelte gefunden, die bereitwillig eine ihrer Nieren verkauften.
Er steht jetzt in den USA vor Gericht. Dabei hatte er sich noch mit einer vergleichsweise geringen Handelsspanne begnügt. 20 000 US-Dollar zahlte er für die Niere bei einem Verkaufspreis von ca. 120 000 US-Dollar. (Im Spiegel wurde berichtet, dass in Osteuropa eine Niere für 5000 € gekauft und für    80 000 weiterverkauft wurde. - Diese Angaben mache ich aus dem Gedächtnis. Wer präzise Belege will, liest besser in der Wikipedia unter Organhandel nach oder googelt danach.)
Wenn man, wie für den Kosovo überliefert, Menschen tötet und dann ihre Organe verkauft, ist die Gewinnspanne freilich am größten.

Wer keine Niere hergeben will und das richtige Geschlecht hat, kann sich freilich auch als Leihmutter verdingen. Am Rande von New Delhi finden sich genügend Matratzenlager, wo junge Frauen sich verstecken, um neun Monate fern von der Heimat gut versteckt ein eingepflanztes Baby auszutragen. Bezahlung freilich erst nach Lieferung. "Auf mein eigenes Kind habe ich nicht so viel Rücksicht genommen während der Schwangerschaft. Da habe ich weiter schwer gearbeitet. Aber jetzt hängt ja so viel davon ab", meint eine der Frauen. (Francis Elliott in der Times vom 10.4.2012, dem Sinne nach zitiert aus World and Press vom 2.8.12)
Wenn eine Frau eine Beziehung zu dem von ihr ausgetragenen Säugling entwickeln sollte, ist sie selber schuld. Denn schon vor der Geburt hat sie alle Rechte an dem Kind abzutreten.
Weshalb gibt sich eine Frau dafür her? Damit ihre eigenen Kinder nicht verhungern.

Tun deshalb Organhändler und Leihmuttervermittler ein gutes Werk?

Angesichts des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage und der Zahlungsfähikeit der Käufer aus den Industrieländern wird es wohl so weitergehen. Das heißt nicht, dass man nichts dagegen tun sollte.
Mein Beitrag wären im Todesfall meine Organe. Schlechte Ware im Vergleich zu der Niere eines zwanzigjährigen Flutopfers.
Wenigstens sollte ich gesünder leben, als ich es gegenwärtig tue. Da sollte mir die indische Leihmutter Vorbild sein.

Gegen Organspende spricht sich ein Gastbeitrag auf meinem Blog Fontanefan aus.
Auch ich bin gegen Organspende. Jedenfalls will ich kein Organ gespendet bekommen.
Habe ich recht in Erinnerung, dass alle 18 Minuten ein Antrag auf Organspende gestellt wird? Da wird mein Verzicht nicht viel bedeuten.

Als Steinmeiers Frau hätte ich seine Nierenspende wohl nicht abgelehnt. Aber das wäre ein ganz anderes Kapitel.

Link zu einem Leserartikel zum  Transplantationsgesetz 
Zu Kazuo Ishiguros Roman gegen die Instrumentalisierung von Menschen durch Organspende hier

Montag, 6. August 2012

Ist digitale Beteiligung Scheindemokratie?

"Die digitalen Beteiligungsformen seien Demokratie-Placebos" wird  laut SZ vom 20.5.12 argumentiert.
Es gibt in der Tat genügend Fragestellungen, bei denen ich nicht entscheiden, geschweige denn 300 Stellungnahmen gegeneinander abwägen will.
Differenzierte Diskussionen werden im Normalfall im kleineren Kreis stattfinden. Erst wenn Alternativen formuliert sind, kann der Normalbürger sich auf ein Durchdenken der Positionen einlassen. Dazu gibt es zu viele Enscheidungsfragen.

Marina Weisband "bastelt [am 6.8.12 gegen 22.30] an einer Replik". Ich bin gespannt.

Mittwoch, 1. August 2012

Zur Lage in Syrien

Wenn man Johua Landis folgt, ist das Regime Assad nicht mehr zu retten. (FR 27.7.12)

Aber wegen der Uneinigkeit der Opposition sei ein langer Machtkampf, der das Land im Chaos versinken lasse, fast unausweichlich. Weil der Iran dadurch einen Bündnispartner verliere, erscheine das aus Sicht des Westens vielleicht sogar vorteilhaft. Doch der Irak könne dadurch wegen der Kurden- und der Sunniten/Schiiten-Problematik ebenfalls unregierbar werden.
Zwar kann ich nicht beurteilen, wie weit er Recht hat. Aber dass die Fortsetzung der Diktatur bei solchen Aussichten der Bevölkerung bessere Aussichten versprochen hätte, scheint mir schon denkbar.
Der Unterdückte muss für seine Rechte kämpfen dürfen, wer von außen eingreift - und durch Waffenlieferungen hat der Westen das in erheblichem Umfang getan - sollte eine klare Strategie haben.
Gibt es die?

Glaubwürdigkeit der Politiker

Christian Bommarius argumentiert in der FR vom 27.7.12, die Glaubwürdigkeit der Politiker sei offenbar unbegrenzt, denn:
 Wäre die Ressource Glaubwürdigkeit tatsächlich begrenzt, dann hätte die Mine schon längst ihren Betrieb wegen Erschöpfung einstellen müssen.
Denn Bundestag und Bundesrat arbeiteten im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsfond ESM in verfassungswidriger Weise an der Beschneidung ihrer Rechte, ohne sicherzustellen, dass sie an das EU-Parlament übergehen (zum Nachlesen).