Mittwoch, 24. Februar 2021

euro|topics: Corona-Krise: Ist die Zeit reif für Lockerungen?

 


Corona-Krise: Ist die Zeit reif für Lockerungen?

Nach Wochen und teils Monaten weitreichender Einschränkungen des öffentlichen Lebens in vielen Ländern Europas werden die Rufe nach Lockerungen der Schutzmaßnahmen vielerorts immer lauter. Gleichzeitig sorgen die neuen Virusvarianten dafür, dass die Maßnahmen nur beschränkt wirken. Europas Presse spiegelt das Dilemma, in dem sich die Regierenden befinden.

DE TELEGRAAF (NL)

Rutte-Regierung dreht sich mit dem Wind

Die Niederlande wollen die Schutzmaßnahmen trotz steigender Infektionszahlen geringfügig lockern, der Shutdown und die Ausgangssperre bleiben aber vorerst bestehen. De Telegraaf atmet auf, ist aber zugleich auch misstrauisch:

„Die Zahl der Infektionen ist stark gestiegen. Eine dritte Welle wird als unausweichlich bezeichnet. Warum werden dann doch die Zügel locker gelassen? Rutte kommt hier mit etwas Neuem: Er appelliert an die Verantwortlichkeit der Menschen. ... Wenn das Vertrauen in den Bürger da ist, warum dann nicht früher? Das erweckt den Eindruck, dass die Regierung sich mit der Stimmung dreht, möglicherweise mit einem halben Auge auf die Wahl. Das wäre ein schlechter Ratgeber. Jede Lockerung ist mehr als willkommen. Aber bitte auf der Grundlage von solider Politik.“

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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Klar kommunizieren, beherzt steuern

In Deutschland werden Lockerungen derzeit noch diskutiert. Die derzeitige Stabilität der Zahlen ist trügerisch, warnt die Süddeutsche Zeitung:

„Die Aussicht auf das Ende ist alles andere als klar. Die Impfstoffe gaukeln eine Scheinsicherheit vor, die es momentan noch nicht gibt. Das gute Wetter und die allgemeine Erschöpfung tun ihr Übriges. Der Eröffnungsdruck ist enorm, die Erwartungen wachsen mit jedem Frühlingstag. Selbst wenn ein Ende der Pandemie erahnt werden kann: Es ist diese letzte Phase, die nun besonders beherzt gesteuert und über deren Gefahren in aller Klarheit kommuniziert werden muss. ... So wie zu Beginn der Pandemie eine klare Botschaft nötig war, so wird sie auch für die kommenden Monate nötig sein.“

Stefan Kornelius
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Eintracht war von kurzer Dauer

Italien setzt die Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorerst fort. Doch nur elf Tage nach ihrem Antritt gibt es schon Streit in der Regierung Draghi, schimpft Corriere della Sera:

„Lega, Forza Italia, Italia Viva, ja selbst einige Repräsentanten des PD und der Cinque Stelle [sind] vereint im Kampf gegen die strengen Maßnahmen, die das Volk zermürbt haben. … Das ist kein kleines Problem: Der Kampf gegen die Pandemie ist die Basis, auf der der Neustart des Landes aufgebaut werden kann. Die Basis zu untergraben, noch bevor sie sich gefestigt hat, scheint nicht der beste Anfang zu sein. Und doch ist die Versuchung, die eben gefundene Einheit zu zerschlagen, bereits spürbar. Sie sollte abgewendet werden, bevor es zu spät ist.“

Carlo Verdelli
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PÚBLICO (PT)

Schulöffnungen müssen ermöglicht werden

In Portugal fordert eine Gruppe von Ärzten, Wissenschaftlern, Akademikern und Fachleuten die Regierung in einem offenen Brief in Público auf, die Schulen ab Anfang März wieder zu öffnen:

„Wir sind uns der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie und zur Verringerung von Infektionen bewusst. ... Wir haben aber den Eindruck, dass die Wahl zwischen dem Leben älterer Menschen und der Bildung von Kindern und Jugendlichen ein Scheindilemma darstellt, und dass es möglich ist, die Rechte auf Gesundheit und Bildung in Einklang zu bringen: ... Empirische Belege zeigen, dass die Schließung von Schulen mit einem Rückgang der Fälle in der Bevölkerung verbunden ist, aber nicht essentiell für die Kontrolle der Epidemie ist. ... Die Kontrolle ist auch mit geöffneten Schulen möglich, mit den nötigen Vorsichtmaßnahmen.“

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SYDSVENSKAN (SE)

Ferien wohl wichtiger als Unterricht

In Schweden finden derzeit die Skiferien ohne Einschränkungen statt, die Skigebiete im Norden des Landes sind fast ausgebucht. Nun erwägen einige Regionen wegen steigender Infektionszahlen, die Schulen nach den Ferien vorrübergehend geschlossen zu halten. Sydsvenskan missfällt das:

„Eine Woche hin oder her kann vielleicht als nicht so wichtig erscheinen. Aber die Entscheidung, nicht von Reisen ins Gebirge auf Kosten des Unterrichts abzuraten, ist ein merkwürdiges Signal: Dass Skifahren wichtiger ist als Schule. Außerdem führt es dazu, dass die Lehrer, die während der Pandemie schon so viele Schläge haben hinnehmen müssen, wieder einmal gezwungen werden, kurzfristig ihre Planung zu ändern. Die Leidtragenden sind natürlich die Schüler.“

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Dienstag, 16. Februar 2021

euro|topics: 30 Jahre Visegrád: Was taugt das Bündnis noch?

 

Am 15. Februar 1991, als sich das Ende des Warschauer Pakts abzeichnete, trafen sich im ungarischen Visegrád die Präsidenten Polens (Wałęsa), der Tschechoslowakei (Havel) und Ungarns (Antall). Sie strebten ein neues Kooperationsbündnis und einen gemeinsamen EU- und NATO-Beitritt an. In der EU zeigten sich die V4 zuletzt vor allem in der Migrationspolitik einig. Die Presse resümiert die heutige Bedeutung des Bundes.

WPOLITYCE.PL (PL)

Garant der Sicherheit

WPolityce.pl würdigt, was das historische Treffen ins Rollen brachte:

„Im Juli 1991 organisierte Václav Havel in Prag eine Konferenz, auf der der Warschauer Pakt aufgelöst wurde. Am 6. Oktober 1991 erklärten Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei auf einem zweiten Gipfel, ein Beitritt zur Nordatlantischen Allianz sei der beste Garant für ihre Sicherheit. ... Es war die erste Veranstaltung dieser Art, die den Beitritt ehemaliger kommunistischer Staaten zur Nato forderte. ... Und mit der Einwanderungskrise wurde die Visegrád-Gruppe nach Jahren des geopolitischen Schlummers wieder zu einer bedeutenden Einheit in der EU.“

Grzegorz Górny
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DEUTSCHE WELLE (RO)

Nicht als Block behandeln

Viel ist von diesem Zusammenschluss nicht übrig geblieben, analysiert der rumänische Dienst der Deutschen Welle:

„Allgemein kann man feststellen, dass sich die Slowakei und größtenteils auch Tschechien von der Orbán-gesteuerten Visegrád-Agenda inzwischen verabschiedet haben. Allenfalls in der Migrationsfrage würden sie wohl bei ihren bisherigen Positionen bleiben. Übrig geblieben ist derzeit von der Visegrád-Kooperation nur noch eine Achse Warschau-Budapest - und auch die ist längst nicht so stark, wie sie scheint. In Brüssel sollte man sich dennoch weder entspannt zurücklehnen noch selbstzufrieden sein. Aus 30 Jahren Visegrád könnte die EU für ihre Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik lernen, dass es zielführender ist, die Länder einer Region nicht als Einheit zu behandeln. Und vor allem nachhaltiger, mit ihnen auf Augenhöhe zu verhandeln.“

Keno Verseck
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LANDESECHO (CZ)

Nur noch Feigenblatt für Antidemokraten

Kein gutes Haar an Visegrád lässt das Landesecho:

„Das Bündnis, das gegründet wurde, um die Demokratie und die Westorientierung Ostmitteleuropas zu verteidigen, ist heute das ganze Gegenteil, ein Feigenblatt für die Liquidierung der Demokratie in Polen und Ungarn. Und in Tschechien unterstützt Visegrád das undemokratische Verhalten von Präsident Zeman und die Regierung des Oligarchen Babiš. Für den einst positiv besetzten Namen Visegrád muss man sich heute schämen. Er ist ein Beispiel dafür, wie die Rückkehr unseres Teils des Kontinents in das demokratische Europa misslungen ist. Von der Demokratie ist ein ähnlicher Schutthaufen geblieben wie von den Ruinen der Burg Visegrád.“

Luboš Palata
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MLADÁ FRONTA DNES (CZ)

Wertvoll trotz aller Differenzen

In Tschechien und der Slowakei gibt es immer wieder Stimmen, die den Zusammenschluss beenden wollen. Mladá fronta dnes entgegnet:

„Natürlich ist es heute in Ungarn und Polen um den Rechtsstaat nicht sonderlich gut bestellt. Aber im Kontext eines langfristigen Horizonts der Entwicklung unserer geopolitischen Interessen und Beziehungen in Mitteleuropa ist das irrelevant. Unsere strategischen Verbündeten sind nicht die derzeitigen Regierungen, sondern die Länder an sich - Polen und Ungarn. ... Zudem haben wir uns in den letzten Jahren zu sehr daran gewöhnt, den Erfolg der Staatengruppe an ihrem gemeinsamen Einfluss im Rahmen der EU zu messen. Die Außenpolitik ist nur eine Dimension des Projektes. Vergessen wir nicht die zivilgesellschaftliche Dimension von Visegrád. “

Tomáš Procházka
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