Dienstag, 29. Dezember 2020

Jahresrückblick auf 2020 aus der Sicht unterschiedlicher Theorien

 https://soziopod.de/2020/12/soziopod-der-vernuenftige-jahresrueckblick-2020/

euro|topics: 2020: Europa schlägt sich besser als befürchtet

Die EU hat sich dieses Jahr gemeinsam gegen die Gesundheits- und Wirtschaftskrise gestemmt, einen Mechanismus zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit eingeführt und - kurz vor Toresschluss - noch das Brexit-Abkommen mit Großbritannien ausgehandelt. Ist 2020 der Auftakt zu mehr Einigkeit?

KATHIMERINI (GR)

Gemeinsam gegen den Untergang

Die Pandemie hat die EU-Staaten gezwungen, Entscheidungen zusammen zu treffen, freut sich Kathimerini:

„Der Wiederaufbaufonds und die enormen Summen, die im Namen aller Mitgliedsländer von den Märkten aufgebracht werden, sind ein sehr wichtiger Schritt zur Stärkung und zum Überleben der Union und jedes ihrer Mitgliedsländer. Die neue Führung der wichtigen europäischen Institutionen (Kommission, Rat und Zentralbank) erweist sich als fähig, einen neuen Kurs einzuschlagen. Dies hängt selbstverständlich von der Führung der größeren Länder ab, insbesondere Deutschlands. Merkel hat mit dem Wiederaufbaufonds gezeigt, dass sie an die Notwendigkeit einer starken Union glaubt. Es bleibt nun, die gleiche Entschlossenheit im Umgang mit der Türkei zu zeigen.“

Nikos Konstantaras
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LE SOIR (BE)

Große Fortschritte dank Merkel

Einen immensen Durchbruch attestiert Le Soir der EU:

„Der Aufschwung wird durch Gemeinschaftsschulden finanziert, ein Solidaritätsbeweis, den man im März noch für unvorstellbar hielt. Die EU-Kommission hat die Impfstofflieferungen im Namen der Staaten ausgehandelt und diese sind sich der Mängel ihres Gemeinschaftsprojekts im Gesundheitsbereich sowie der Notwendigkeit, diese zu beheben, umfassend bewusst geworden. ... Wären all diese Fortschritte mit Großbritannien an Bord möglich gewesen? Wahrscheinlich nicht, aber darum geht es nicht mehr. Sie wären auf jeden Fall nicht möglich gewesen ohne Deutschland und seine Kanzlerin Angela Merkel, die die Intelligenz hatte, eines der alten Tabus (Gemeinschaftsschulden) zu brechen, um das Errungene zu schützen.“

Elodie Lamer
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KRYTYKA POLITYCZNA (PL)

Gute Nachrichten für die Demokratie

Für Krytyka Polityczna ist der erzielte Kompromiss der EU mit Ungarn und Polen zum Rechtsstaatlichkeitsmechanimus ein Grund zur Freude:

„Letztendlich wird die Wirksamkeit des neuen Mechanismus durch die Entschlossenheit der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten bestimmt, aber auch durch den Druck der Opposition und der Zivilgesellschaft, die die EU-Institutionen in der Vergangenheit wiederholt zum Handeln motiviert hat. ... Die Rechtsstaatlichkeit wird nicht durch einen magischen Ausspruch verteidigt, geschweige denn durch unaufhörliche Beschwerden darüber, dass man sich nicht an Werte hält, sondern durch einen harten Kampf an vielen Fronten. Der neue Mechanismus hat sicherlich keine Magie in sich, aber er gibt Verteidigern der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit eine zusätzliche Waffe im Kampf gegen Autokraten.“

Adam TraczykKrzysztof Śmiszek
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PRAVDA (SK)

Geld darf kein Erziehungsmittel sein

Besorgt betrachtet hingegen Pravda die erneut aufgeflammten Spannungen zwischen der EU und den Visegrád-Staaten, insbesondere Polen und Ungarn:

„EU-Gelder sind keine Belohnung für gutes Benehmen, sondern dienen dazu, innereuropäische Ungleichheiten zu glätten. ... Wenn wir etwas aus Brüssel bekommen, dann deshalb, weil wir anderen erlaubt haben, immer größere Gewinne bei uns zu erzielen. Der Abfluss von Dividenden von uns an Investoren aus anderen EU-Staaten übersteigt erheblich alle europäischen Mittel, die zu uns fließen. ... Die ideologische Anreicherung ursprünglich politisch-wirtschaftlicher Vereinbarungen ist riskant. ... Bestrafte Mitglieder können sich nur wehren, indem sie den europäischen Partnern die Einnahmen entziehen, die diese aus unserer Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhalten. ... Aber das ist der Weg zum Sturz all dessen, was Europa in den letzten 70 Jahren gelungen ist.“

Ivan Hoffman
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Mittwoch, 16. Dezember 2020

euro|topics: Kann die EU die Macht der Tech-Giganten bremsen?

 



Mit dem Digital Services Act will die EU-Kommission das Internet fairer und verbraucherfreundlicher machen. Vizepräsidentin Margrethe Vestager und Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton stellten am Dienstag ein Gesetzespaket vor, mit dem die Macht der Tech-Giganten begrenzt und der Wettbewerb reguliert werden soll. Die Presse in Europa beäugt die Vorschläge teils begeistert, teils skeptisch.

LE MONDE (FR)

Ende eines Zeitalters

Zerschlagungsdrohung gegen Facebook in den USA, Durchgreifen Chinas gegen Digitalkonzerne wie Alibaba und Tencent und nun die EU: Endlich regt sich globaler Widerstand gegen die Tech-Giganten, freut sich Le Monde:

„Aktuell entsteht ein beispielloser internationaler Konsens, um den Internetriesen die Flügel zu stutzen. Er ist beispiellos, da er sowohl parteiübergreifend - US-Republikaner und -Demokraten sind sich bei dem Thema einig - und in allen Ländern vorhanden ist. Aufgrund ihrer Macht werden die [digitalen] Gatekeeper zu einer Bedrohung für die Staaten. ... Jeder reagiert darauf mit seinen Waffen: China mit Autoritarismus, die USA mit übertriebener Gesetzestreue und Europa mit Regulierung. Es hat eine Weile gedauert, aber nunmehr schlagen alle die gleiche Richtung ein. Eine Ära geht zu Ende.“

Philippe Escande
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FINANCIAL TIMES (GB)

Gemeinsam neue Werkzeuge finden

Die EU-Kommission sollte nun versuchen, globale Allianzen zu schmieden, rät Financial Times:

„Die Brüsseler Pläne würden den Regulierungsbehörden große Macht über den Technologiesektor verleihen - mit dem realen Risiko, dass diese zu weit reicht. Gut möglich, dass die Vorhaben von den EU-Mitgliedstaaten noch verwässert werden. ... Doch die Wettbewerbshüter sind in der Tat gezwungen, passendere Werkzeuge für ein Zeitalter zu finden, in dem die Verwendung - und der Missbrauch - von Daten den Kaufpreis als Maß für das Verbraucherwohl ablöst. Großbritannien, Australien und Japan gehen ähnliche Wege. In den USA besteht die Gefahr einer Gegenreaktion, aber auch der Ansatz der dortigen Regulierungsbehörden ändert sich rasch und gibt der EU-Kommission die Möglichkeit, einen transatlantischen Konsens zu erzielen.“

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ILTALEHTI (FI)

Regulierungen kommen zu spät

Iltalehti bezweifelt, dass es der EU gelingen wird, die Internetgiganten zu regulieren:

„Die Plattformunternehmen haben den Menschen unglaublich viel Gutes gebracht und ihr Leben erleichtert und zwar größtenteils, ohne dass dafür etwas bezahlt werden musste. Gleichzeitig haben die Unternehmen von uns gewaltige Datenmengen gesammelt und eine bisher nicht gekannte wirtschaftliche und operative Macht in der Welt bekommen. Kleine Länder wie Finnland verfügen kaum über Möglichkeiten, auf die Aktivitäten der Technologiegiganten einzuwirken. Deshalb kommt der EU eine noch größere Rolle bei der Gestaltung neuer Spielregeln zu. Das Problem bei den Regulierungen ist, dass sie zu spät kommen, in die Irre führen und ineffektiv sind. Es scheint, als ob auch der neue Plan der EU hier keine Änderung schafft.“

Perttu Kauppinen
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Bitte mehr Vertrauen in den Markt

Die Neue Zürcher Zeitung findet die neuen Regeln übertrieben:

„Ein Blick in die Vergangenheit ... zeigt, dass die Tech-Branche in der Lage ist, sich auch ohne staatliche Eingriffe rapide zu verändern. Grosse Namen von früher, wie Netscape oder MySpace, sind mittlerweile ... verschwunden. Auch heute gibt es Wettbewerb. Apple zum Beispiel bemüht sich, sich als Hüter der Privatsphäre seiner Nutzer zu etablieren, was wiederum Facebook als direkten Angriff auf das eigene, auf Werbung basierende Geschäftsmodell wahrnimmt. ... Es wäre wünschenswert, wenn sich in der EU wieder laute Stimmen finden würden, die für mehr Vertrauen in den Markt plädieren.“

Jenni Thier
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