Mittwoch, 17. Juli 2019

euro|topics: Russland liefert S-400-Raketen an das Nato-Mitglied Türkei

Trotz Widerstands der USA und der Androhung von Sanktionen hat die Lieferung russischer S-400-Raketen an das Nato-Mitglied Türkei begonnen. Am Freitag wurde die Ankunft der ersten Flugzeuge mit den Teilen des Raketensystems sogar im Fernsehen übertragen. Kommentatoren diskutieren die Folgen des Kaufs.
ILTA-SANOMAT (FI)

Provokation live im Fernsehen

Die EU darf niemals vergessen, zu welchen politischen Schachzügen die Türkei bereit ist, bekräftigt Ilta-Sanomat:
„Die Fernsehübertragung der Raketenlieferung diente keineswegs nur der Unterhaltung der türkischen Bürger. Vor allem sollte den USA die direkte Botschaft gesendet werden, dass die Türkei selbst entscheidet, wo sie ihre Waffen kauft. Das Raketengeschäft der Türkei sollte auch in Europa registriert werden. Nicht bloß als Erinnerung an Russlands Versuche, Einfluss zu nehmen, sondern auch an das machtpolitische Taktieren der Türkei. Das Vorgehen der Türkei muss berücksichtigt werden, falls irgendwann einmal wieder über die EU-Mitgliedschaft der Türkei debattiert wird.“
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Putins Rakete trifft

Der Kauf der S-400 zeugt von einer neuen geopolitischen Realität, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:
„An den Waffengeschäften um Flugzeuge und Raketen, den zustande gekommenen wie den gescheiterten, lassen sich die Machtverschiebungen im Nahen Osten ablesen. Russland verstärkt seinen Einfluss mehr und mehr, die früher praktisch allein massgeblichen USA haben die Regie zum Teil abgegeben. 2003 feierten die Amerikaner noch mit Triumph den Einmarsch in Bagdad. Heute wird als Spätfolge des Irak-Kriegs der Zusammenhalt der Nato infrage gestellt. Die Türkei mit ihren starken Streitkräften geht zu dem Bündnis auf Distanz. Sieger nach Punkten ist der russische Präsident Putin. Einmal mehr ist es ihm gelungen, den Zusammenhalt des Westens zu unterminieren. Seine Raketen sind noch gar nicht in Stellung gebracht, und schon haben sie ihr Ziel getroffen.“
Andres Wysling
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RADIO KOMMERSANT FM (RU)

Revanche für westlichen Druck

Einen politischen Sieg Erdoğans erkennt Radio Kommersant FM:
„Washington macht die ganze Zeit Druck, unterstützt die Kurden in Syrien und liefert Gülen nicht aus, den Ankara für den Ideologen des Putschs von 2016 hält. Europa und Deutschland im Besonderen drängen Erdoğan immerzu ihre Regeln auf - sie erwarten die Garantie der Menschenrechte, Presse- und Versammlungsfreiheit. Wenn das so ist, dann bleibt ihr eben ohne lukrative Verträge, dann strafen wir euch, indem wir bei den Russen einkaufen, zumal sie gute Systeme zu sehr günstigen Bedingungen anbieten. Doch die S-400 ist nicht die ganze Luftabwehr der Türkei, nur ein Segment. So oder so bleibt das Land im westlichen Orbit - doch es zwingt diesen dazu, mit der Türkei zu rechnen.“
Dmitrij Drise
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LE MONDE (FR)

Auf zwei Hochzeiten kann man nicht tanzen

Ihren Schlingerkurs muss die Türkei bald aufgeben, mahnt Le Monde:
„Donald Trump erhebt die Stimme, doch die anderen Mitglieder des Bündnisses scheinen bislang noch unsicher darüber, welche Haltung sie abgesehen von den Bekundungen ihrer 'Besorgnis' einnehmen sollen. Sie hoffen, dass die jüngsten Rückschläge von Erdoğans Partei bei den Kommunalwahlen zu seiner Niederlage bei der nächsten Präsidentschaftswahl - im Jahr 2023 - führen werden. Die Nato-Satzung sieht keine Möglichkeit für den Ausschluss oder die Suspendierung eines Mitgliedstaats vor. Die Türkei war bereits marginalisiert, insbesondere aufgrund der Säuberungen, die nach dem gescheiterten Putsch von 2016 in der Armee vorgenommen wurden. Nun muss sie mit aller Klarsicht die geostrategische Entscheidung treffen, die die S-400-Affäre verlangt. Denn sie kann nicht lange auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen.“
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Dienstag, 16. Juli 2019

Was ist schief gelaufen?

Wer finanziert den Staat?

Die durchschnittliche Lohnsteuer lag 1960 bei 6%, 1980 bei 15,8%, 2005 bei 17,8%.
Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen lagen 1960 bei 20%, 1980 bei 15,3%, 2005 bei 6%.

So steht es in einem Leserbrief in der Frankfurter Rundschau vom 3.11.07.
Von der Tendenz her ist es sicher richtig. Die Einzeldaten wären zu überprüfen. Freilich fällt das bei solch kumulierten Daten schwer. (Blogeintrag vom 5.11.2007)

Montag, 15. Juli 2019

Daniel Mohr von der FAZ fordert Mut beim Aktienkauf

Es ist bekannt, dass Aktien in der Bundesrepublik über die Jahrzehnte hin hohe Gewinne abwerfen und dass die Kurse so schwanken, dass Aktione keine mündelsicheren Papiere sind.
Jetzt schreibt Daniel Mohr:
"[...] Wirklicher Vermögenszuwachs ist in den vergangenen Jahren nur mit Aktien möglich gewesen. Im ersten Quartal sogar mit zweistelligen Renditen. Um mehr als 60 Milliarden Euro sind so die Depots der Aktionäre und Fondsbesitzer gewachsen. Der Rest liegt flach, die Zinserträge sind nahe Null. Natürlich gibt es die Aktienrendite nicht garantiert und jedes Jahr. Das vierte Quartal 2018 war zum Beispiel sehr schwach. [...]"
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/mit-etwas-mut-laesst-sich-das-vermoegen-leicht-steigern-16285885.html

Wer kein Geld hat, soll Mut bei der Anlage beweisen, damit auch bei schwächelnder Konjunktur die, die langfristig Aktien halten und mit Teilsummen spekulieren können, noch mehr Gewinne machen.
Der Vorteil ist, er gibt diesen Ratschlag öffentlich. Man hat einen Beleg dafür. Der Nachteil, manche könnten Kommentare in der FAZ ungeprüft für seriös halten.

Freitag, 12. Juli 2019

Eine CO2-Steuer hilft allen und braucht niemanden zu benachteiligen

"Ein höherer Preis für Benzin und Diesel belaste die Armen, heißt es. Doch wenn man es klug anstellt, kann sich niemand wegen einer CO2-Steuer wirklich beschweren.[...]
Das Ergebnis der Modellrechnungen: Die untere Hälfte der Bevölkerung würde unter dem Strich entlastet, nicht belastet. Die Hauptlast der Maßnahme tragen die Spitzenverdiener. Die C02-Steuer muss also nicht sozial gemacht werden, sie ist bereits sozial. Wer anderes behauptet, dem geht es nicht um das Schicksal der armen Leute, sondern um die Verhinderung der zwingend nötigen ökologischen Transformation der Wirtschaft. Oder wie es Rüdiger Bachmann, Ökonom an der University of Notre Dame in den USA formuliert: "Der Verteilungsaspekt einer CO2-Steuer ist eine Nebelkerze, die von Leuten geworfen wird, denen Verteilungspolitik sonst egal ist."
Nun gibt es sicher Menschen, die wenig verdienen, aber trotzdem mehr zahlen müssten. Weil sie auf dem Land in einem großen Haus leben und einen langen Arbeitsweg haben zum Beispiel. Aber für solche Einzelfälle gibt es ebenfalls eine Lösung. So könnte ein Härtefallfonds eingerichtet werden, der etwa Zuschüsse für die Pendelkosten gewährt oder den Einbau einer klimaschonenden Heizanlage."

(Die Mär von der unsozialen Klimasteuer. Ein Kommentar von Mark Schieritz,
ZEIT 12.7.19) 

euro|topics: Schwierigkeiten der EU in Außen- und Innenpolitik


Iran und der Westen - wer provoziert?
Ein neuer Vorfall im Persischen Golf hat die Spannungen zwischen Iran und dem Westen weiter verschärft. Laut Regierung in London sollen drei iranische Schiffe einen britischen Tanker in der Straße von Hormus bedrängt haben. Teheran bestreitet die Vorwürfe. Während einige Kommentatoren davor warnen, die Lage weiter zuzuspitzen, überlegen andere, ob sich die EU hinter Trumpstellen sollte.
THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Teheran spielt mit dem Feuer

Dass der Iran an der Eskalationsschraube dreht, könnte sich für das Land bitter rächen, warnt The Daily Telegraph:
„Eine kluge Regierung in Teheran hätte angesichts der von US-Präsident Donald Trump neu verhängten Sanktionen mit Zurückhaltung reagiert. ... Doch die politischen Führer des Iran haben sich nicht nur entschieden, dagegenzuhalten. Nein, sie schlagen auf eine Art und Weise zurück, die zwar noch keinen militärischen Angriff bedeutet, aber einen Krieg riskiert. Es braucht nur einen Fehler, eine Annäherung an einen Tanker, die als Auftakt eines Angriffs gewertet wird, und diese Kalkulationen geraten außer Kontrolle. Wenn der Iran eine echte Krise provoziert, werden sich unsere Verbündeten entscheiden müssen. Ist irgendjemand unsicher, auf wessen Seite sich die Europäer schlagen werden? Hoffen wir, dass der Iran das auch richtig einschätzt.“
Mark Almond
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RADIO KOMMERSANT FM (RU)

Bald könnte es richtig knallen

Obwohl weder Teheran noch Washington einen großen Konflikt am Golf wollen, besteht die Gefahr einer Eskalation, erklärt Radio Kommersant FM:
„Was geschehen ist, war im Grunde eine Mutprobe. Ist der US-Präsident zum Krieg bereit oder bleibt es wie üblich bei Worten? Bislang ist, ungeachtet drohender Erklärungen, nichts passiert. ... Weder an den Finanzmärkten noch in den Expertenkreisen glaubt man, dass ein großer Krieg im Persischen Golf real ist. Doch Teheran braucht Anerkennung und eine angemessene Stellung in der Region. Es hat ernsthafte Ambitionen - während man ständig versucht, es auf seinen Platz zu verweisen. Teheran ist unzufrieden. Wenn man hier ständig provoziert, besteht das Risiko, dass es noch richtig knallt. Die Lage ist also durchaus kritisch.“
Dmitrij Drise
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DIE WELT (DE)

Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein

Es ist Zeit, dass auch Europa nun klare Signale an Teheran sendet, meint die Tageszeitung Die Welt:
„Europa sollte sich den US-Sanktionen anschließen und Kriegsschiffe in den Persischen Golf entsenden, um die zivile Schifffahrt vor weiteren iranischen Übergriffen zu schützen. Das vergrößert zwar einerseits das Konfliktpotenzial. Doch die Geschichte zeigt, dass es die Gefahr auch bannen kann. Zweimal sah Teheran sich bereits einer entschlossenen Weltgemeinschaft gegenüber: Während des Tankerkriegs Ende der 80er-Jahre und 2014, als internationale Sanktionen gegen sein Atomprogramm verhängt wurden. Beide Male gab der Iran nach. ... Die alten Römer hatten leider Recht: Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein. Notfalls sogar an der Seite Trumps.“
Gil Yaron
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NRC HANDELSBLAD (NL)

Trump nicht blind unterstützen

NRC Handelsblad mahnt hingegen zur Zurückhaltung angesichts der Überlegung der Niederlande, auf Wunsch der USA eine Fregatte in den Persischen Golf zu schicken:
„Es ist problematisch, dass es bisher nur um eine Bitte der Amerikaner geht und nicht der Nato oder des Sicherheitsrates. Zunächst muss es aber Klarheit geben über das Mandat, unter dem die von den USA gewünschte Koalition operieren soll. Komplizierender Faktor ist, dass die Amerikaner das Atom-Abkommen mit dem Iran gekündigt haben, die Europäische Union aber nicht. ... Vor allem angesichts der launischen Außenpolitik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump haben die Niederlande ein großes Interesse daran, dass im Vorfeld genaue, auf dem Völkerrecht beruhende Absprachen gemacht werden. Diese Klarheit gibt es jetzt noch nicht.“
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Iran und der Westen - wer provoziert?
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Wie sollte sich die EU neu ausrichten?
Wochenlange Debatten über die Verteilung von Posten, noch immer keine gemeinsame Position in der Migrationsfrage und der nahende Brexit: Dies sind nur einige Probleme, die die EU derzeit beschäftigen. Doch nicht alle Autoren sehen die europäische Idee angesichts dieser Konflikte als gescheitert an und machen zu Beginn der Legislaturperiode Vorschläge, wie die Kooperation verbessert werden könnte.
EL PAÍS (ES)

Mehr Eigenständigkeit durch anständigen Haushalt

Warum die EU-Kommission im Interesse der Mitgliedstaaten finanziell besser ausgestattet werden sollte, erläutert der Ökonom und Politologe Josep M. Colomer in El País:
„Derzeit ist die Situation paradox. Weil die europäischen Töpfe für öffentliche Ausgaben so schlecht ausgestattet sind, muss die EU in die staatlichen Haushalte der Mitglieder eingreifen, sie kontrollieren und manchmal retten, was viele als undemokratisch empfinden. Die EU ist zu interventionistisch, weil sie zu schwach ist. Die Alternative besteht darin, die Haushalte der EU-Institutionen zu stärken und dafür weniger in die Sphäre der Staaten einzugreifen, ihnen also eine größere Finanzautonomie zurückzugeben. Man müsste sich von der Idee der 'Fiskalunion' der Staaten verabschieden und stattdessen die Kommission mit mehr Mitteln versehen.“
Josep M. Colomer
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LA STAMPA (IT)

Berlin und Paris brauchen Sparringspartner

Wie sich der Europäische Rat neu erfinden sollte, skizziert der Wirtschaftswissenschaftler Franco Bruni in La Stampa:
„Ein Rat, dessen politische Geometrie erlaubt, dass Wachstum und Solidarität gefördert werden, eine soziale Säule aufgebaut wird und es ein Minimum an fiskalischer Harmonisierung und mehr Gemeinsamkeit bei der Verteidigung und im Umgang mit Migranten gibt. Es braucht neue Bündnisse. ... Die deutsch-französische Führung hat versucht, sich bei der Vergabe der wichtigsten Posten zu revitalisieren. Aber sie zeigt seit Jahren ihre Grenzen auf und blockiert am Ende die Integration. Frankreich und Deutschland haben interne Probleme, die ihre Außenpolitik, Glaubwürdigkeit und Popularität schwächen. Beiden ist klar, dass ihre Zusammenarbeit fruchtbarer wäre, wenn die beiden anderen Großen, Italien und Spanien, eingebunden wären.“
Franco Bruni
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KRÓNIKA (RO)

V4 machen vor, wie es geht

Der Rest der EU sollte sich ein Vorbild an der Visegrád-Gruppe nehmen, rät Krónika:
„Innerhalb der EU scheint die ostmitteleuropäische Zusammenarbeit vorerst eine stabile Säule zu sein. Das geschlossene Auftreten der Visegrád-Staaten, die bisweilen effektiv ergänzt werden durch die baltischen Staaten, Kroatien, Slowenien und Rumänien, ist im gegenwärtigen Chaos ausgesprochen vorbildlich. ... Die Visegrád-Gruppe geht ausgerechnet jenen Staaten gegenüber mit gutem Beispiel voran, die sich in abstrakten Parolen hinsichtlich einer Vertiefung der EU-Integration ergehen. Hier, an der 'Peripherie', gibt es vier Länder, die zeigen, dass sie trotz ideologischer Unterschiede in einer engen Interessengemeinschaft miteinander kooperieren können. Irgendwie sollte das in ganz Europa so funktionieren.“
István Pataky
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