Freitag, 14. September 2018

Fall Skripal: Russia Today präsentiert Verdächtige

Die zwei Männer, die Großbritannien für den Skripal-Anschlag verantwortlich macht, haben dem kremltreuen Sender Russia Today ein Interview gegeben. Sie hätten sich nur als Touristen in Salisbury aufgehalten und nichts mit der Vergiftung zu tun. Für einige Kommentatoren ist das Interview nichts weiter als ein schlechter Scherz. Andere können sich in die Situation der Beschuldigten hineinfühlen.
NOWOJE WREMJA (UA)

Kein Zweifel, dass die beiden schuldig sind

Nach dem Interview ist für den Journalisten Iwan Jakowyna in Nowoje Wremja höchstens noch zu klären, welcher der russischen Geheimdienste den Anschlag verübte:
„Wenn noch irgendjemand zweifelte, dass 'Petrow' und 'Boschirow' nach Salisbury fuhren, um Sergej Skripal umzubringen, können sie jetzt todsicher sein. Das, was die 'mittelständischen Geschäftsmänner' erzählten und wie sie sich dabei verhielten, beseitigt die letzten Zweifel. Das einzige, worüber man streiten kann, ist, zu welcher Behörde die beiden gehören. Der Version des britischen Geheimdiensts nach sind sie Mitarbeiter des [Militärgeheimdiensts] GRU. Das ist zwar möglich, doch gleichen sie absolut nicht dessen üblichen Mitarbeitern, denn sie sind zu trainiert und zu dumm. Dort werden gewöhnlich nicht sehr große, etwas dickliche, äußerlich nicht auffallende Leute genommen, die jedoch wenigstens etwas denken können.“
Iwan Jakowyna
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DOSHD (RU)

Auftritt war lächerlich und ungeschickt

Journalist Oleg Kaschin hält auf dem Portal des kremlkritischen Internet-TV-Sender Doshd den Auftritt für ein von ganz oben befohlenes PR-Desaster:
„Der Ursprung für den Irrsinn dieses Vorhabens liegt wohl ganz am Anfang der Ausführungskette, auf dem Niveau der Idee: Als jemand meinte, dass der Auftritt der beiden im Fernsehen der ganzen Welt zeigt, dass Russland im Fall Skripal unschuldig ist. Dieses Interview hat sich Wladimir Putin ausgedacht. ... Und die ganze Zeit fand sich niemand, der gesagt hätte, dass das eine schlechte Idee ist und dass da nichts Gutes rauskommt. Dass alle lachen werden und dass die ungeschickten Lügen dieser beiden Männer eindeutig wie das offizielle Eingeständnis des von ihnen - und vom russischen Staat - begangenen Verbrechens aussehen.“
Oleg Kashin
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RADIO KOMMERSANT FM (RU)

Mit Chaos im Kopf ist nicht gut reden

Andrej Lugowoj, Duma-Abgeordneter und Ex-Geheimdienstler, der von London als mutmaßlicher Mittäter der Litwinenko-Vergiftung im Jahr 2006 gesehen wird, zeigt auf Radio Kommersant FM Verständnis für den fahrigen Auftritt der beiden Männer:
„Man beschuldigt sie des Mordes und dass sie Mitarbeiter des GRU sind. Versetzen Sie sich in ihre Lage. Wie wird dies ein normaler Mensch aufnehmen? Er ist schockiert und ratlos. Er dreht einfach durch. Ich bin 2006 auch durchgedreht. Ich war nicht nur ratlos, ich hatte Panik, Wirrnis, ein Chaos im Kopf. ... Nun sind sie aus der Deckung gekommen, haben sich ein Herz gefasst und verstanden, dass sie reden müssen. Das sind normale russische Männer. Als sie zum Interview gingen, wussten sie, dass jetzt die ganze Welt auf sie schaut. Ich weiß nicht, vielleicht haben sie Baldrian getrunken, um still zu sitzen.“
Andrei Lugovoi
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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Wir lassen uns von Moskau an der Nase herumführen

Die Regierungen in London und in anderen EU-Staaten nehmen die große Bedrohung, die Moskau für die westlichen Demokratien darstellt, noch immer nicht ernst genug, klagt The Daily Telegraph:
„Großbritannien hat sich dieser Herausforderung noch nicht richtig gestellt. Die Regierung zögert, russisches Geld in Großbritannien ins Visier zu nehmen und versteckt sich dabei hinter der EU, um das zu rechtfertigen. Die EU wiederum reagiert ebenfalls träge, weil einige ihrer mächtigsten Mitgliedstaaten von russischen Energielieferungen abhängen. Gleichzeitig verliert der Westen den Propagandakrieg. Russland untergräbt unsere Wahlen - aber nicht, indem es diese direkt manipuliert, wie manche Linke sich das einbilden, sondern indem es unser System mit so viel Lärm und Unsinn überflutet, dass es schon lächerlich wirkt.“
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