Donnerstag, 11. Januar 2018

Bodenspekulation

Immobilien: Der letzte Grund von Hanno Rauterberg, ZEIT 3/2018  11.11.18

"[...] Was aber passiert? Der Boden unserer Existenz, um es pathetisch zu sagen, wird zum Objekt globaler Spekulanten. Zu einer Bitcoin-artigen Irrealität. Mit der Folge, dass erstens viele Neubauten genau so aussehen: auf irreale Weise abstrakt und wahllos. Und zweitens, dass das Wohnen in diesen Häusern kaum mehr zu bezahlen ist. [...] 
Was da verkehrt läuft? Die Bodenreichen verdienen etwas Unverdientes: Sie haben ihre Liegenschaft erworben, weil sie das Geld dafür hatten, sie waren also vorher schon reich. Nun aber werden viele sprunghaft noch reicher, ohne das Mindeste dafür zu tun. Es verdankt sich ja nicht ihrer Tatkraft, dass die großen Städte so viele Menschen anziehen und diese nach Bau- und Wohnflächen suchen, die es kaum gibt. Nicht sie, die Bodenreichen, sorgen dafür, dass es in ihrem Quartier sauber und sicher und schön ist, dass es genug Schulen, Cafés und Ärzte gibt. All das aber, die Sorge für das städtische Leben, für die Kultur des Urbanen, macht den Wert der meisten Liegenschaften erst aus. [...] 
Es herrschte und herrscht die Logik des Marktes, die hier eine lebensfeindliche Logik ist, eine, die urbane Quartiere zu Geisterstädten werden lässt und schon deshalb von vielen Verbänden, Architekten, Forschern, selbst vom Bundesverfassungsgericht kritisiert wird. Das mahnte schon vor fünf Jahrzehnten, "die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern". Es verbiete sich, "seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen". [...]
Da könnte eine Stiftung des Bundes einspringen – und nebenher die Kommunen ermutigen, endlich selbst aktiv zu werden, nach Kräften freie Liegenschaften zu kaufen und in Erbpacht zu vergeben, um die Übermacht der Immobilienkonzerne zu brechen. Es wäre eine Investition in die eigene Stärke.
In manchen Städten, in Ulm zum Beispiel, geht diese Strategie grandios auf. Sie horten eigenen Grund und Boden und steuern so, was wo und in welchem Ausmaß entsteht – um die Preistreiberei zu verhindern, Flächenfraß und Zersiedlung zu stoppen und selbst darüber zu bestimmen, wie sozial und genossenschaftlich das Wohnen sein soll. In Basel besitzen Genossenschaften und Stiftungen schon zehn Prozent aller Wohnungen – und vermieten sie 30 Prozent billiger als der Durchschnitt. [...]"

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