Dienstag, 30. Januar 2018

Empörung über Abgastests an Affen und Menschen


Deutschlands Autokonzerne kommen nicht aus den Schlagzeilen: BMW, Daimler und VW sollen über eine von ihnen gegründete Lobbyorganisation Abgastests an Affen und Menschen veranlasst haben. Erbost kritisieren Kommentatoren die Rücksichtslosigkeit der Konzerne und hoffen, dass die Forschung ihre Lehren aus dem Skandal ziehen wird.
DE TELEGRAAF (NL)

Völlig uneinsichtig

Offenbar sind die Autohersteller unbelehrbar, urteilt De Telegraaf:
„Man wundert sich, wie leichtsinnig Manager mit dem Vertrauen der Kunden, des Staates und der Aktionäre umgegangen sind. 'Made in Germany' war einmal das knallharte Image der Autobauer, der Eckstein der stärksten europäischen Wirtschaft. Der Dieselskandal erschütterte Volkswagen bis in seine Fundamente. ... Später wurde enthüllt, dass es verbotene Preisabsprachen mit Zulieferern gab. ... Inzwischen sitzen Manager hinter Schloss und Riegel, muss sich der höchste Boss von VW vor Gericht verantworten und erhöht die Politik in Washington, Brüssel und Berlin den Druck. Aber die Selbstreinigungskräfte der Autobauer sind noch immer unzureichend.“
Rob Savelberg
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LA REPUBBLICA (IT)

Böse Erinnerung an Deutschlands Vergangenheit

Allein der Gedanke an angeblich wissenschaftliche Experimente mit Affen oder gar Menschen als Versuchskaninchen ist für das Gewissen Deutschlands unerträglich, erklärt Philosoph und Germanist Angelo Bolaffi in La Repubblica:
„Aus historischen Gründen, die sich in der Arendtschen Metapher von der 'Banalität des Bösen' zusammenfassen lassen, und auch aus kulturellen. Keine moderne Nation hat wie Deutschland den schmerzhaften Widerspruch zwischen der unwiderstehlichen Macht der Technik und dem romantischen Traum einer Zivilisation, die sich gegen den technischen Fortschritt wehrt, ausgetestet (und dafür gebüßt). ... Deshalb ist das Grauen von Angela Merkel angesichts der mutmaßlichen Experimente zur Toxizität der Gase Ausdruck des schmerzhaften Bewusstseins der Vergangenheit der deutschen Geschichte, 'die nicht vergehen will' [Zitat Ernst Nolte] (und nicht vergehen darf).“
Angelo Bolaffi
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Autobauer bei Forschung in die Pflicht nehmen

Dass der Skandal die Forschung zu Schadstoffen verändert, hofft die Neue Zürcher Zeitung:
„Wer sich als Wissenschaftler weiterhin mit solchen Partnern ins Bett legt, muss sich zu Recht kritische Fragen stellen lassen. Aber wer weiss, vielleicht hilft die Diskussion, die Forschungsförderung im Bereich der Umweltschadstoffe auf eine bessere Grundlage zu stellen. Denn die Idee, dass sich die Verursacher von Schadstoffen bei der Erforschung der Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt finanziell beteiligen, ist nicht verkehrt. Nur sollte mit einer vernünftigen Organisation sichergestellt werden, dass die Verursacher zwar mitdiskutieren können, worüber geforscht werden soll. Die Entscheidung über die Verwendung der finanziellen Mittel sollte jedoch ein neutrales Gremium fällen.“
Alan Niederer
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Donnerstag, 25. Januar 2018

Klimaschutz und die Groko

"Es hat seine eigene Ironie, dass in der letzten Woche zeitgleich zwei Klimaziele kassiert wurden: Der UN-Klimarat IPCC verbreitete seine Einschätzung, dass die Erderwärmung kaum noch bei 1,5 Grad zu stoppen ist. Und die Groko fand, minus 40 Prozent Klimaemissionen bis 2020 in Deutschland seien sowieso unrealistisch – ehe sie diesen Aufreger dann doch wieder aus dem Papier strich. Seht her, könnte man sagen, die besten Klimawissenschaftler der Welt tun auch nur, was Union und SPD für sich reklamieren: „Wir machen uns ehrlich.“ Aber das stimmt nicht. Denn die einen sind Wissenschaftler, die ihre Supercomputer mit Unmengen von Daten füttern. Und die anderen Politiker, die ihrer Klientel nicht zu viel zumuten wollen. Doch die Verbindung ist da: Wegen genau der Politik, die sich in der Groko wieder zeigt, stehen die IPCC-Wissenschaftler ratlos vor ihren Ergebnissen: Zu lange ist von allen Staaten nichts getan worden, zu viel Zeit verschwendet und zu viel Geld in Kohle und Öl versenkt worden, um das jetzt schnell zu ändern."
(Kommentar von Bernhard Pötter, taz.de 15.1.18; Hervorhebung von Fontanefan)

Ich möchte nicht nur über Twitter auf diesen Kommentar hingewiesen haben, dem ich vollinhaltlich zustimme.  vgl. auch: Klimaschutz -  Große Koalition

Helmut Gollwitzer hat im Juli 1976 in seiner Traueransprache anlässlich der Beerdigung Gutav Heinemanns gesagt:
„Er sah deutlich, wie das, was getan werden muss, nicht getan werden kann, weil allzu viele unter denen, die an den verschiedenen Schalthebeln der Macht sitzen, es nicht tun wollen oder nicht getan haben wollen"

Bei allen Unterschieden der Situation von damals zu heute, ein ähnlicher Eindruck drängt sich mit dem Blick auf die angekündigte, aber nicht weiter verfolgte Energiewende auf.

Und die SPD hat in den Jahren ab 2013 vermissen lassen, was sie anlässlich des Strarts der Geoßen Koalition von 2013 ihren Mitgliedern ankündigte:
Auch in der Bundesregierung behält die SPD als Volks- und Mitgliederpartei ihre eigenständige und wichtige Rolle. Wir werden die Regierungspolitik eng mit der Partei rückkoppeln und diskutieren. Es wird keine Politik von oben, sondern eine Politik auf Augenhöhe geben. Wir wollen als SPD auch künftig wichtige Zukunftsdiskussionen führen, wie die Fortentwicklung unseres Programms, die weitere Öffnung der Partei sowie die Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten für Euch als die wichtigsten Botschafter unserer Politik. 
          (aus dem Mitgliederbrief der SPD vom 14.12.13

[Hervorhebungen von Fonty]

Mittwoch, 24. Januar 2018

Besorgnis über türkische Offensive in Syrien

Nach ihrem Einmarsch in Nordwestsyrien stoßen die türkischen Truppen auf Gegenwehr der Kurdenmiliz YPG. Tausende Menschen sind bereits vor der Militäroffensive geflohen, Hunderttausende sitzen jedoch in Afrin fest. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich nicht zu einer Erklärung zu der Offensive durchringen können. Europas Kommentatoren zeigen sich angesichts der Ereignisse regelrecht fassungslos.
THE INDEPENDENT (GB)

Gefährliche Arroganz

Der Angriff auf die syrischen Kurden ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv, schimpft The Independent:
„Die türkische Invasion in Syrien wird mit Sicherheit zu mehr Gewalt führen: gegen türkische Zivilisten im Inland und gegen türkische Streitkräfte im In- und Ausland. Ankara unterliegt dem Irrglauben, dass die Kurdenfrage mit Gewalt und im Zusammenspiel mit fragwürdigen Partnern gelöst werden kann - ganz gleich, wie groß die Auswirkungen auf die langfristigen Beziehungen zur Nato und den USA sind. Das als Hasardspiel Erdoğans zu bezeichnen, wäre noch zu schmeichelhaft, weil es ihm rationales Handeln unterstellen würde. Tatsächlich handelt es sich bei seinem Vorgehen um einen gefährlichen Akt der Arroganz, der an Hirnlosigkeit grenzt.“
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VEČERNJI LIST (HR)

Greift Erdoğan mit Putins Erlaubnis an?

Perplex zeigt sich Večernji list angesichts türkischer Medienberichte, wonach sich Ankara vor dem Einmarsch die Erlaubnis des Kreml holte:
„Alternative Medien in der Türkei schrieben vor der Offensive auf Afrin, dass die Operation schon lange geplant war und Präsident Erdoğan offen drohte, die 'Terroristen in diesem Teil Syriens dem Erdboden gleich machen zu wollen'. Laut türkischen Experten wartete Ankara nur auf grünes Licht aus Moskau, um die gut geplante Operation zu starten. Als Beweis nennen sie den Überraschungsbesuch des türkischen Stabschefs und Geheimdienstchefs in Moskau, bei dem die Offensive auf Afrin Thema war. Es scheint höchst bizarr, dass der Chef der zweitgrößten Nato-Armee zu Konsultationen nach Moskau reist und dies wegen des Starts einer Operation in einem Drittland.“
Marina Šerić
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TAGESSCHAU.DE (DE)

Deutsche Panzer haben in Syrien nichts zu suchen

Dass die Türkei offenbar deutsche Panzer gegen die Kurden einsetzt, findet tagesschau.de schwer erträglich:
„Rüstungslieferungen an Nato- und EU-Länder galten bisher als weitgehend unproblematisch. Schließlich versteht sich die Nato als eine Wertegemeinschaft. Doch die türkische Militärintervention zeigt einmal mehr, dass die Vorstellungen, was Recht und was Unrecht ist, auch im westlichen Bündnis sehr weit auseinandergehen. ... [F]ür solche völkerrechtswidrigen Offensiv-Operationen waren die Waffenlieferungen nicht gedacht. Doch die Bundesregierung ist machtlos und muss nun tatenlos zusehen, wie mit deutschen Waffen der Syrien-Konflikt weiter eskaliert. .... Rüstungsexporte müssen noch stärker als bisher hinterfragt werden - auch Lieferungen an Nato-Länder.“
Andreas Flocken
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"Recep Erdogan hat wohl so viel für eine freidliche Lösung des Kurdenkonflikts getan wie kein anderer Regierungschef vor ihm." (Zitat aus der FAZ von 2013)

Das sollten wir nicht vergessen, auch wenn der Gedanke unerträglich erscheint, dass eine Verstärkung der deutschen Leopard 2 Panzer, die an die Türkei geliefert wurden, in den Koalitionsgesprächen nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden könnte.