Mittwoch, 29. November 2017

Muss Europa seine Afrikapolitik neu denken?


In Abidjan, größte Stadt der Elfenbeinküste, kommen am heutigen Mittwoch die Staats- und Regierungschefs von Afrikanischer Union und Europäischer Union zusammen. Dort wollen sie über die Zukunft der EU-Afrika-Beziehungen beraten und sich vor allem mit Investitionen für die Jugend befassen. Kommentatoren nehmen Europas Migrations- und Entwicklungspolitik unter die Lupe – und bewerten sie in vielerlei Hinsicht als fehlgeleitet.
IL SOLE 24 ORE (IT)

Die Jugend ist der Schlüssel

Zumindest wurde mit dem Fokus auf die Jugend das zentrale Gipfelthema richtig gewählt, findet Wirtschaftswissenschaftler Andrea Goldstein in Il Sole 24 Ore:
„In Abidjan wird man wiederholt erklären, dass Gelder für Erziehung und Bildung eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der Reformen spielen, die das Wachstum in Afrika ankurbeln sollen. Das gilt aber auch für Europa und insbesondere Italien. Das Land könnte das Problem seiner demographischen Schwäche mildern, indem es sich für legale Einwanderung stark macht und mehr in die Ausbildung von Jugendliche in den Entwicklungsländern investiert, die bei uns Arbeit finden könnten. Das wäre eine kohärente Entwicklungspolitik ohne ausländerfeindliche Hysterie - aber auch ohne die engelhafte Heuchelei der Uneigennützigkeit.“
Andrea Goldstein
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FRANKFURTER RUNDSCHAU (DE)

Eigennutz vor humanitären Werten

Die Feststellung, dass es den Europäern in Afrika letztlich nur darum geht, die Migration über das Mittelmeer zu verhindern, macht die Frankfurter Rundschau:
„Eine zentrale Rolle wird erneut Libyen spielen, das wichtigste Transitland für Flüchtlinge. Gerade das Beispiel Libyen zeigt aber, wie weit Europa zu gehen bereit ist und wie wenig es sich seinen humanitären Werten verpflichtet fühlt. Hunderttausende Menschen sitzen dort fest, sie werden misshandelt, missbraucht und gefoltert. Europa schaut dabei nicht nur zu, sondern will die Zusammenarbeit mit dem de facto zerfallenden Staat noch ausbauen, um Migranten aufzuhalten. Entscheidend ist am Ende nur, dass weniger Menschen es schaffen, nach Europa zu kommen.“
Kordula Doerfler
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DER STANDARD (AT)

Schuldgefühle machen noch keinen Businessplan

Entwicklungsexperte Gunther Neumann kritisiert im Standard, dass zwar ständig von einer Bekämpfung der Fluchtursachen die Rede ist - die richtige Strategie dazu aber noch immer fehlt:
„Mit der brutalen Kolonialgeschichte und dem eklatanten Wohlstandsgefälle war Entwicklungszusammenarbeit für Europa ein moralischer Imperativ. Doch Schuldgefühle allein ergeben keinen guten Businessplan. ... Für Konfliktverhütung, Flüchtlinge aus Südsudan in Uganda, aus Somalia in Kenia ist internationale Unterstützung unabdingbar. EU-Geldzahlungen an dubiose Partner, um uns Afrikaner vom Leib zu halten, sind kaum nachhaltig. Nicht nur globale Warenströme, auch universelle Werte müssen die Modernisierung prägen. Europas Konsumenten und die Zivilgesellschaft sind ebenso gefordert. Ethik und entsprechende Politik haben nicht ausgedient.“
Gunther Neumann
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LE MONDE (FR)

Jetzt die nächsten Schritte gehen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Amtskollege von der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, rufen in einem gemeinsamen Kommentar in Le Monde dazu auf, die Kooperation zwischen Afrika und Europa voranzutreiben:
„Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die tiefliegenden Ursachen der illegalen Migration zu bekämpfen, welche noch immer zu viele Opfer fordert und zu viele Schlepper reich macht. Gleichzeitig müssen wir mehr tun, um das Geschäftsklima zu verbessern und eine Plattform aufzubauen, die afrikanischen Innovatoren gute Entwicklungschancen eröffnet. ... Ein Drittel der ausländischen Direktinvestitionen in Afrika stammt aus der EU. Diese Unterstützung schafft Jobs und kurbelt die Wirtschaft in unseren beiden Staatengemeinschaften an. Dank der neuen EU-Investitionsoffensive für Drittländer können wir zur nächsten Phase übergehen.“
Jean-Claude Juncker
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Empörung über Flüchtlingselend in Libyen
Die katastrophalen Zustände in libyschen Flüchtlingslagern treiben tausende Bürger in verschiedenen europäischen Städten auf die Straße, um gegen Europas Flüchtlingspolitik und Sklavenhandel in Libyen zu demonstrieren. Ein CNN-Video sorgte kürzlich mit Bildern einer mutmaßlichen Sklavenauktion von Migranten in Libyen für Aufsehen. Europas Presse schreibt ihren Politikern eine große Verantwortung zu.
EFIMERIDA TON SYNTAKTON (GR)

Demonstrationen sind aussichtslos

Gegen die Zustände in Libyen zu demonstrieren, grenzt für Efimerida ton Syntakton an Zeitverschwendung:
„Die Demonstranten verlangen, die libyschen Sklavenmärkte zu stoppen. Aber von wem? Das heutige Libyen ist ein merkwürdiger Staat. Es gibt keine Libysch-Arabische Dschamahirija [wie unter Gaddafi], keine Volksdemokratie, keine islamische, keine sozialistische und keine irgendwie sonst geartete Demokratie. Verschiedene Fraktionen bekämpfen einander, kontrollieren was sie können und versuchen, die Kontrolle über andere Regionen zu übernehmen. Der Arabische Frühling brachte einen rauen Winter auf den warmen Kontinent. ... Sklaven, unkontrollierte Gewalt - es scheint, als ob die menschliche Geschichte von Neuem begonnen hätte.“
Anna Damianidi
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LE COURRIER (CH)

Europa macht sich zum Komplizen der Verbrecher

Die EU ist mitschuldig an den Gräueln in Libyen, empört sich Gustavo Kuhn, Chefredakteur von Le Courrier:
„Das Chaos, in das Libyen infolge von Gaddafis Tod gestürzt ist, hat die Exzesse nochmal ansteigen lassen, da das Land nun allein dem Gesetz von Milizen und Schleppern ausgeliefert ist. Und die von Frankreich angeführte internationale Koalition, die das Ende des Despoten beschleunigt und sich anschließend aus dem Staub gemacht hat, trägt einen großen Teil der Verantwortung. … Wer in der aktuellen Lage aktiv darauf hinwirkt, dass Flüchtlinge und Migranten die libysche Küste nicht verlassen können, macht sich zum Komplizen der Verbrecher am südlichen Mittelmeerufer. Keine wie auch immer geartete Küstenschutzpolitik kann dies rechtfertigen. Da hilft es auch nicht, seine Maßnahmen scheinheilig mit guten Willensbekundungen auszuschmücken.“
Gustavo Kuhn
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