Donnerstag, 16. August 2018

Prognosen der gegenwärtigen wirtschaftswissenschaftlichen Schulen

"[...] Man kann darin das Profil eines Denkkollektivs erkennen, das in einer robusten Immunität gegen Falsifizierbarkeit zusammenfindet – also gegen eine epistemologische Grundforderung von Wissenschaftlichkeit überhaupt. Der Wirtschaftshistoriker Philip Mirowski hat das seltsame Überleben prognostischer Behauptungen in der Ökonomie als Resultat einer „kognitiven Dissonanz“ verstanden, einer Dissonanz, deren dramatischer Kern darin besteht, dass ein fundamentaler Widerspruch zwischen Sachlagen und Überzeugungen nicht auflösbar ist. Es lässt sich allerdings eine weitere Schlussfolgerung ziehen: Auch wenn es inzwischen vereinzelte Advokaten des Teufels gibt, die den Theoriebau makroökonomischer Orthodoxie anzweifeln, scheint die Haltbarkeit wirtschaftsprognostischer Ansprüche über alle Fehlschläge und Widerlegungen hinweg auf einen essenziellen Kern ökonomischer Theoriebildung zu verweisen, auf eine dogmatische Substanz, deren Verteidigung sogar zur Zurückstellung methodischer und logischer Bedenken führt. Tatsächlich gehört die prognostische Dimension zu den Grundelementen ökonomischen Wissens; von Friedrich Hayek bis Milton Friedman bemisst sich die Möglichkeit ökonomischer Wissenschaft überhaupt an der Fähigkeit, „korrekte Vorhersagen“ oder wenigstens „Strukturvoraussagen“ zu liefern. [...]"
[Joseph Vogl: Die Vergötzung des Marktes. Über das seltsame Überleben des Gottesbeweises in der Ökonomie (pdf)]

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