"[...] Man kann darin das Profil eines Denkkollektivs
erkennen, das in einer robusten Immunität gegen Falsifizierbarkeit
zusammenfindet – also gegen eine epistemologische Grundforderung von
Wissenschaftlichkeit überhaupt. Der Wirtschaftshistoriker Philip Mirowski
hat das seltsame Überleben prognostischer Behauptungen in der Ökonomie
als Resultat einer „kognitiven Dissonanz“ verstanden, einer Dissonanz,
deren dramatischer Kern darin besteht, dass ein fundamentaler Widerspruch zwischen Sachlagen und Überzeugungen nicht auflösbar ist. Es lässt sich
allerdings eine weitere Schlussfolgerung ziehen: Auch wenn es inzwischen
vereinzelte Advokaten des Teufels gibt, die den Theoriebau makroökonomischer
Orthodoxie anzweifeln, scheint die Haltbarkeit wirtschaftsprognostischer
Ansprüche über alle Fehlschläge und Widerlegungen hinweg auf
einen essenziellen Kern ökonomischer Theoriebildung zu verweisen, auf
eine dogmatische Substanz, deren Verteidigung sogar zur Zurückstellung
methodischer und logischer Bedenken führt. Tatsächlich gehört die prognostische
Dimension zu den Grundelementen ökonomischen Wissens; von
Friedrich Hayek bis Milton Friedman bemisst sich die Möglichkeit ökonomischer
Wissenschaft überhaupt an der Fähigkeit, „korrekte Vorhersagen“
oder wenigstens „Strukturvoraussagen“ zu liefern. [...]"
[Joseph Vogl: Die Vergötzung des Marktes. Über das seltsame Überleben des Gottesbeweises
in der Ökonomie (pdf)]
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