"Der gewaltsame Konflikt begann Anfang 2011, Ende jenes Jahres flüchteten die ersten Menschen vor den Bomben des Assad-Regimes. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Nahrungsmittelprogramm WFP (für World Food Programme) übernahmen die Versorgung, in Syrien und außerhalb. Die Finanzierung war rasch sichergestellt, jeder sah die Not, jeden Tag gab es schreckliche Bilder, Amerikaner und Europäer erwogen sogar militärische Optionen. Doch mit der Zeit drängten andere Krisen in den Vordergrund: die Intervention in Libyen, der Konflikt in der Ukraine, die Ebola-Epidemie. Derweil wurde die Krise in Syrien immer schlimmer. Und so trat ein, was UN-Leute „donor fatigue“ nennen: Spendermüdigkeit.;
Kurzer Erfolg, hoher PreisFür das World Food Programme gilt das noch mehr als für andere UN-Organisationen. Es bekommt keine Grundfinanzierung aus UN-Mitgliedsbeiträgen, sondern lebt von freiwilligen Zahlungen. Im Fall Syrien führte die Spendermüdigkeit der Europäer dazu, dass der Druck auf die Golfstaaten stieg, sich stärker zu engagieren. Dafür gab es gute Gründe: Sie unterstützten die Rebellen, zum Teil mit Waffen, übernahmen aber kaum Verantwortung für die Folgen des Bürgerkriegs. Kuweit richtete Anfang 2014 eine Geberkonferenz für Syrien aus; das Emirat sagte eine halbe Milliarde Dollar für humanitäre Zwecke zu. Saudi-Arabien und Qatar stellten je 60 Millionen Dollar in Aussicht.
Doch traf das Geld nicht ein. Ende 2014 standen allein von der kuweitischen Summe noch 200 Millionen Dollar aus. [...] Das World Food Programme kürzte daraufhin zum Januar seine Zuwendungen um ein Drittel. Konkret hieß das: Vorher hatte eine Flüchtlingsfamilie pro Mitglied 28 Dollar im Monat bekommen, nun waren es nur noch 21 Dollar. Nur für die Menschen in den Flüchtlingslagern änderte sich nichts. Aber das sind nur 400.000. [...] Im Juli stand auch diese Restversorgung auf der Kippe. In letzter Sekunde sprangen die Amerikaner mit Geld ein. Es folgte, wie zu Jahresbeginn, die nächste Kürzungswelle. Die Bedürftigsten bekamen nur noch 14 Dollar, die anderen lediglich 7 Dollar. In Jordanien wurde 230.000 Menschen die Hilfe ganz gestrichen. Betroffene wurden vorher per SMS gewarnt. Für etliche wirkte es wie das letzte Signal zum Aufbruch – in zwei Richtungen. Arme Familien gingen zurück nach Syrien, zurück in den Bürgerkrieg. Sie hatten kein Geld für Schlepper, den UN-Leuten sagten sie: Lieber schnell in der Heimat sterben als langsam in Jordanien verhungern. Von 430.000 Flüchtlingen, die das Lager Zaatari durchlaufen haben, sind 120.000 nach Syrien zurückgekehrt. Wer noch genügend Ersparnisse zusammenkratzen konnte, um Schlepper zu bezahlen, versuchte dagegen sein Glück auf dem Weg nach Europa. [...]
Montag, 9. November 2015
Ursachen der Migration: Wie der Hunger die Syrer in die Flucht trieb
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