Jagoda Marinić in der FR vom 16.5.18:
"Manchmal denke ich, dass die historischen Debatten über die Zuwanderung von etwas ablenken. Sie erfassen nicht den Alltag vieler Menschen hier. Die arbeiten hart und fühlen sich trotzdem abgehängt. Das ist das zentrale Problem. [...]
Wenn Politiker an der Spitze auf diese klischeehafte Weise über Integrationsprobleme sprechen, dann frage ich mich: Was genau meinen Sie? Ich bin in den 80ern und 90ern auf der Straße mit vielen anderen Migrantenkindern aufgewachsen. Heute ist ihr Anteil in Kindergarten und Schule noch größer: Sie spielen, lernen und streiten gemeinsam. Es gibt Probleme, ja. Aber wir müssen aufpassen dass das, was gut läuft, nicht von Politikern eine geistig alten Generation zerredet wird. [...]
Man sieht es auch an der Zusammensetzung dieser Regierung, das Personal hat nicht die Expertise, die nötig ist für unsere vielfältige Gesellschaft. [...]
Es geht nicht darum, Probleme nicht anzusprechen, im Gegenteil. Nur müssen wir uns fragen, wer sind die unterschiedlichen Gruppen, wie geben wir den unterschiedlichen Menschen das Gefühl, dass sie hierhergehören, wie schaffen wir es, ihnen Chancen im Leben zu bieten. Was sicher nicht funktioniert, das ist das alte Konzept von Mehrheitsgesellschaft versus Minderheitsgesellschaft. [...]
Unter Migranten gab es immer schon ein Ranking. Irgendwann waren die Italiener akzeptieren, dafür hat man auf Türkei-stämmige komisch geschaut. Nun kommen Menschen aus Kulturen, die noch fremder erscheinen, und wir haben die alte Debatte wieder: Wie geht die Mehrheitsgesellschaft mit Zuwanderern um? Heute fühlen sich Migranten früherer Generationen zur Mehrheitsgesellschaft gehörig und grenzen sich gegen neue Zuwanderer ab. Auch aus Angst, dass alle in einen Topf geworfen werden und die Frage wieder lautet: Wer ist deutsch? Das Problem an dieser Wir-sie-Debatte ist, dass sie vielen Menschen mit hybriden Biografien nicht gerecht wird."
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