Jürgen Habermas formulierte über die Situation Frankreichs vor der Wahl Macrons:
"Die kompromissunfähig gewordenen Traditionslager, die sich gegenseitig blockieren, sind offensichtlich nicht in der Lage, die politische Willensbildung der Bevölkerung anhand der eigentlich relevanten Fragestellungen zu polarisieren. Nur das könnte aus der Blase des inzwischen numerisch führenden Front National die Luft herauslassen." (Habermas in ZEIT vom 19.4.17)
Entsprechend könnte man über Deutschland zur Zeit der großen Koalition von 2013-17 formulieren:
In der Konstellation große Koalition gegen zerstrittene kleine Opposition war der Bundestag "offensichtlich nicht in der Lage, die politische Willensbildung der Bevölkerung anhand der eigentlich relevanten Fragestellungen zu polarisieren. Nur das könnte aus der Blase" der Protestpartei AfD die 60 Prozent Protestwähler herauslassen, die ihr bei den Wahlen 2017 dazu verhelfen werden, die drittstärkste Kraft zu werden.
Dass die bestehende Konstellation den Rechtspopulisten in die Hände gearbeitet hat, ist die Gemeinsamkeit. Der Unterschied besteht - wenn Habermas und ich mit meiner an ihn angepassten Formulierung recht haben - darin, dass in Frankreich die Kompromissunfähigkeit und in Deutschland der faule Kompromiss eines fragwürdigen Kuhhandels (Maut und Mütterrente für Mindestlohn) die Polarisierung an den gesamtgesellschaftlich wichtigen Fragestellungen verhindert haben.
Während Macron den Versuch einer gemäßigt neoliberalen Sammlungsbewegung startet, um bei gesamtgesellschaftlichen Entscheidungen handlungsfähig zu werden, versucht die SPD sich an einer Polarisierung zwischen Unionsparteien und SPD.
Macron könnte daran scheitern, dass seiner parlamentarischen Mehrheit keine Mehrheit in der Gesellschaft entspricht. Die SPD daran, dass die in großen Koalitionen sozialisierten Parlamentarier keine glaubwürdige Alternative zu Merkels "gemäßigt neoliberalen Sammlungsbewegung" einer Jamaika-Koalition aufbauen können.
dazu:
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