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Es war eine Wahl des Protests: Jeder Zweite hat bei den italienischen Parlamentswahlen für Parteien gestimmt, die das aktuelle politische System herausfordern. Darunter populistische Parteien und solche vom rechten Rand. Europas Kommentatoren versuchen, diese denkwürdige Wahl psychologisch zu deuten.
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Wähler waren nicht von Ideologie getrieben
Schubladendenken hilft bei der Analyse dieser Wahl nicht weiter, meint Večernji list. Statt sich an den ideologischen Linien der Parteien aufzuhängen, sollte man
„auf den Wunsch der Wähler nach Veränderung schauen. Warum versucht man, das Movimento 5 Stelle und die Lega in ideologische Rahmen zu zwängen? ... Vielleicht möchte das junge Europa ja gerade die ideologischen Gräben überwinden und die Gesellschaft auf dem Streben der Menschen nach Erfüllung ihrer Bedürfnisse aufbauen. Das neue Italien mit seiner 'unideologischen' Partei M5S ist möglicherweise das Labor für die Zukunft Europas. Die Italiener haben nicht nach dem Herzen gestimmt, sondern danach, was sie in Zeiten der Globalisierung zu essen haben werden.“
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Aufschrei der Zurückgelassenen
Der Corriere della Sera blickt auf den Absturz der Linken bei dieser Wahl und erklärt, was deren Politik zum Scheitern gebracht hat:
„Erstens das Ende der Ära der Defizitfinanzierung. Also der Möglichkeit, durch öffentliche Ausgaben den Sozialstaat zu finanzieren und sich die öffentliche Zustimmung zu sichern. Das macht in Europa niemand mehr, nicht einmal das reiche Deutschland. ... Zweitens die eklatante Unterschätzung des Kulturschocks, den die großen Migrationswellen gerade bei den linken Bürgern ausgelöst haben. Also denen, die vorher die Letzten waren und sich jetzt als Vorletzte fühlen, als 'left behind' oder 'forgotten men', wie man heute sagt. Dieses Gefühl hat sich bei ihnen durch die digitale Revolution noch verstärkt, welche viele Berufe und viel Wissen obsolet gemacht hat.“
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Die Schere wird immer größer
Die Italiener leiden insbesondere unter der wachsenden Armut und Ungleichheit, unterstreicht La Stampa:
„2014 haben wir endlich die Rezession hinter uns gelassen. ... Es wächst, wenn auch mäßig, nicht nur das verfügbare Einkommen, sondern auch die Kaufkraft. ... Also alles in Ordnung? Eben nicht. Denn das Einkommen ist vor allem für die mittleren und oberen Einkommensklassen gestiegen und ging einher mit einer wachsenden Ungleichheit. 2016 war das Einkommen der reichsten 20 Prozent der Italiener ganze 6,3-mal so hoch wie das Einkommen der 20 Prozent der ärmsten Italiener. ... Die Daten zur absoluten Armut sagen noch mehr: Sie hat sich 2012 verdoppelt und seitdem nie wieder abgenommen. Es ist erschreckend, wir sprechen hier von über 4,7 Millionen Menschen in absoluter Armut.“
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Fehler der EU haben sich gerächt
Die Gründe für den Wahlausgang sind auch in der Natur der heutigen EU zu suchen, moniert Le Quotidien:
„Aus Sicht Italiens steht die EU für Verarmung und mangelnde Solidarität. Italien ist das am zweithöchsten verschuldete Land der EU. Entsprechend steht es unter dem Druck Brüssels, seine Sozialausgaben zu kürzen und Staatsbetriebe zu privatisieren und sich bloß davor zu hüten, seine Wirtschaft durch öffentliche Ausgaben anzukurbeln. … Es ist absolut keine Überraschung, dass die Italiener diese EU, die sie einst mitgegründet haben, nun offen ablehnen. Diese Entwicklung zeichnete sich vorher ab und wird sich in allen anderen Ländern wiederholen, solange Europa ein Symbol dafür bleibt, dass jeder für sich kämpft und nur die Interessen einiger weniger verteidigt werden.“
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Paradoxe Abstiegsangst
Und der Deutschlandfunk sieht die EU am Zug, neben Erklärungsversuchen jetzt auch Lösungen zu finden:
„Merkels Grenzöffnung, die Globalisierung, die Abstiegsangst, das Gefühl, an der gesellschaftlichen Peripherie oder in der Provinz abgehängt worden zu sein - das alles mag erklären, warum einige den Populisten hinterherlaufen. Aber es erklärt eben nicht, warum viele Menschen Abstiegsangst empfinden, deren Status weniger bedroht ist als je zuvor. Warum sie die EU verteufeln, obwohl die ihren sozialen Aufstieg erst ermöglicht und obwohl nur sie einen Mindestschutz vor der Globalisierung bieten kann? Es ist Zeit, dass die Suche nach Antworten auf diese Fragen ins Zentrum aller europäischen Politik rückt. Sonst landet Europa womöglich dort, wo es hergekommen ist: in Trümmern.“
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