Dienstag, 12. Januar 2016

Wie soll Deutschland auf Köln reagieren?

Zwölf Tage nach Silvester hält die Debatte um die richtige Reaktion auf die Übergriffe in Köln an:

Sexuelle Belästigung: Die neuen Fakten zur Silvesternacht in Köln Spiegel online, 6.1.16
Angriffe in Kölner Innenstadt: Unbekannte verletzen mehrere Ausländer Spiegel online 11.1.16
Bundesrichter Thomas Fischer zur Berichterstattung über die Silvesternacht in Köln, ZEIT online 12.1.16

"Die Hamburger Morgenpost zeigt ein Mädchen, blond, hilflos: "Sie zerissen mir den Slip." Sie hält tatsächlich ihren Spitzenslip in die Kamera. [...] So macht man Frauen zu Objekten, zu Opfern - und alle Fremden zu Tätern.
Schon sind die, die wir doch annehmen wollten, zu Bösen geworden. Wir haben der Integration noch nicht einmal eine Chance gegeben. Beim ersten Wind knicken wir um. Angst ist rasant. Vernunft ist langsam und unbequem. [...]
Werde ich ängstlicher sein? Bestimmt. Die Angst bleibt. Das ist aber kein Grund, sich von ihr beherrschen zu lassen." (Malin Schulz: Mein Silvester, ZEIT Nr.3 14.1.16)

Tweets zu #KölnHbf 

The Independent - Großbritannien
Regierung sollte sich nun um ihr Volk kümmern 
Damit die Angriffe von Köln nicht zu einem Rechtsruck in Deutschland führen, muss sich die Linke für die Ängste der Menschen öffnen, fordert die linksliberale Tageszeitung The Independent: "Selbst wenn die Rechten die Angriffe von Köln für ihre Zwecke instrumentalisieren, so heißt das nicht, dass nicht auch ganz normale Menschen berechtigte Sorgen haben. Es reicht nicht zu sagen, dass deutsche Frauen auch von weißen, deutschen Männern belästigt werden. Das Eine entschuldigt das Andere nicht. … Wenn die Linke die Sorgen der normalen Deutschen nach den Angriffen von Köln ignoriert, wäre das für alle, inklusive der Flüchtlinge, das Schlimmste. Das würde es der Rechten ermöglichen, den Ton vorzugeben und mehr öffentliche Unterstützung zu gewinnen. Oberste Priorität einer jeden Regierung ist das Wohlergehen ihres Volkes. Der deutschen Regierung darf es nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich jetzt darauf konzentriert." (11.01.2016) 

The New York Times - USA
Außenansicht: Deutschland muss Humanitarismus aufgeben 
Als veritablen Warnschuss sieht die liberale Tageszeitung New York Times die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht: "Der Wandel zieht eine zunehmende Polarisierung zwischen den Einheimischen und den Neuankömmlingen nach sich. Es droht nicht nur ein Anstieg der Terroranschläge, sondern auch eine Wiedergeburt der politischen Gewalt im Stile der 1930er. ... Das muss nicht passieren. Aber die Vorsicht gebietet es, alles zu tun, um dies zu verhindern. Das bedeutet, dass Deutschland vorerst seine Grenzen für Neuankömmlinge schließen muss. Es bedeutet, mit der Abschiebung von jungen, gesunden Männern zu beginnen. Es bedeutet ebenso, die lieb gewonnene Illusion aufzugeben, dass Deutschland von vergangenen Sünden durch eine rücksichtslose Menschenfreundlichkeit in der Gegenwart freigesprochen werden kann. Und es bedeutet, dass Angela Merkel gehen muss, damit ihr Land und der Kontinent auf dem es liegt, keinen zu hohen Preis für ihre großherzige Torheit zahlen müssen." (09.01.2016) 

Göteborgs-Posten - Schweden
Kulturunterschiede nicht unterschätzen 
Die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht und ähnliche Vorfälle auf Musikfestivals in Schweden haben ihre Ursache auch in kulturellen Unterschieden was das Frauenbild von Einheimischen und Einwanderern betrifft, analysiert die liberale Tageszeitung Göteborgs-Posten: "In vielen Kulturen ist die Rolle der Frauen stark eingeschränkt: Tochter, Ehefrau oder Mutter. Die Frau ist immer Eigentum eines anderen. ... Dies bedeutet nicht, dass es in diesen Kulturen keinen Respekt für Frauen gibt. Aber Respekt gilt jenen Frauen, die drinnen sind, nicht draußen und ist ihren Rollen vorbehalten. ... Die westlichen Frauen, die sich ohne Schleier oder in der Gesellschaft von Männern amüsieren, senden Signale, die als verwirrend und provokativ wahrgenommen werden können. ... Der Kulturkampf, der sich in der Wahrnehmung der Geschlechterbeziehungen zeigt, darf nicht unterschätzt werden." (12.01.2016) 

Blog Katrin Rönicke - Deutschland
Staatsversagen unter den Tisch gekehrt 
Die Große Koalition will als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht das Abschieberecht und die Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete verschärfen. Das ist sicherlich nicht die Lösung des Problems, kritisiert die Bloggerin Katrin Rönicke: "Es gibt Gesetze und Regeln und diese müssen für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft durchgesetzt werden. Die Gesellschaft aber baut ihre eigene Durchsetzbarkeit ab, indem sie die Polizei personell unterbemittelt und politisch ausdörrt - seit Jahren. Wer angesichts dessen neue Gesetze fordert, anstatt die Durchsetzung der bestehenden durchzusetzen, wer außerdem Gesetze fordert, die den Boden von Grundgesetz, Menschenrechtscharta und Genfer Flüchtlingsabkommen verlassen ... schafft eine Zweiklassengesellschaft: Die Unterbemittelung der Exekutive … wird als Versagen nicht benannt und unter den Tisch gekehrt. Schuld wird gleichzeitig nur noch bei Migranten und Flüchtlingen verortet." (11.01.2016) 
Mehr aus der Presseschau zu den Themen » Innenpolitik» Migration» Kriminalität,» Deutschland» EuropaAlle verfügbaren Texte von » Katrin RoenickeDebatten verfolgen » Ist die Willkommenskultur gescheitert?


Zu den geplanten Gesetzesänderungen zu Sexualdelikten:

Das Problem ist der Ermessensspielraum  Von  FR 11.1.16


Die Tageszeitung taz - Deutschland
Deutsche juckt Nazi-Gewalt nicht 
Mehr als 250 Neonazis haben am Montagabend Leipzigs Alternativviertel Connewitz verwüstet - zeitgleich mit einer Demonstration des Leipziger Pegida-Ablegers Legida. Die linke Tageszeitung taz ärgert sich, dass diese Krawalle im Rest des Landes kaum wahrgenommen wurden: "Im Vergleich [zur Debatte über die Kölner Silvesternacht] nimmt das Land die Ausschreitungen rechter Gruppen ... mit erstaunlichem Gleichmut hin. Leipzigs Bürgermeister spricht zwar von 'Straßenterror', und manche fühlen sich an die Dreißigerjahre erinnert. Doch das bundesweite Echo fällt lau aus. Kein Bundespolitiker fordert härtere Strafen und 'null Toleranz' ... Auch anderswo veranstalten Pegida-Anhänger und rechtsradikale 'Bürgerwehren' inzwischen Hetzjagden auf Menschen, die in ihren Augen irgendwie ausländisch aussehen. Das geschieht inzwischen am helllichten Tage, etwa in Köln. Man könnte deshalb auch fragen: ... Gehört Gewalt gegen Andersdenkende und Andersaussehende so sehr zu 'unserer Kultur', dass sie von vielen nicht als Skandal empfunden wird?" (14.01.2016) 

Besonders originell sind die Positionen, die Leipziger CDU-Vertreter im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Legida vertreten haben:
"Kreisvorsitzender Robert Clemen sagte, die Union werde nicht "an einer sozialdemokratisch organisierten Geburtstagsfeier für Legida teilnehmen". Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla sagte, die Ziele der Organisatoren stünden den Bemühungen der Bundesregierung im Weg, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren." (Hunderte Hooligans randalieren in Leipzig ZEIT online 11. Januar 2016) 
Vgl. dazu auch MOPO 24, 11.1.16

Keine Kommentare: