CSU Generalsekretär Alexander Dobrindt, bei Plasbergs "hart, aber fair" befragt, ob er das griechische Wort Καιρός (Kairos) kenne, sagt: "Ich bin Altlateiner".
Da fragt man sich: Wie kommt er, als es um Griechisch geht, auf Latein?
Wie kommt er, wenn es um Latein geht, auf Alt-Latein?
Eine nahe liegende Erklärung ist: Da er das Wort nicht geschrieben sah (und da es, wenn es geschrieben wird, meist mit lateinschen Buchstaben geschrieben wird), hat er es für lateinisch gehalten. Und da man das klassische Griechisch zur Unterscheidung zum Neugriechischen auch als Altgriechisch bezeichnet, wollte er, um zu zeigen, dass er klassisches Latein kennt, nicht einfach nur Latein sagen, sondern präziser Altlatein.
Sein Pech, dass man die moderne Sprache, zu der sich Latein entwickelt hat, nicht Neulatein, sondern Italienisch nennt. (Wenn man der Einfachheit halber mal übergeht, dass es auch der Ursprung von Französich, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch, eben überhaupt allen romanischen Sprachen war.)
Gut denkbar, dass Dobrindt, wenn man auf seinen Fehler anspräche, genau diese Erklärung gäbe. Denn der Fehler ist zwar sehr lustig (Nikolaus Schneider, der Vorsitzende des Rates der EKD, der dabei saß, hatte etwas Mühe, ernst zu bleiben), aber durchaus nicht ehrenrührig.
Nicht auszudenken, was Karl Theodor zu Guttenberg dazu gesagt hätte, wenn man ihn darauf angesprochen hätte, dass Καιρός ein griechisches Wort ist und dass es kein Neulatein gibt.
Es ist richtig: Der Tod der Kadettin auf der Gorch Fock, die ansteigende Zahl der Todesopfer der Mission der Bundeswehr in Afghanistan und der Umbau der Bundeswehr zu einer Einsatztruppe in Übersee sind weit schwerer wiegende Vorgänge als die Schummelei eines Bundestagsabgeordneten, der vermutlich sofort aufs Schummeln verzichtet hätte, wenn er gewusst hätte, dass er auch ohne das binnen kurzem zum Minister und zum populärsten Politiker der Bundesrepublik werden könnte.
Aber schon lange nicht haben die Verteidigungsversuche eines Ministers solch einen Unterhaltungswert gehabt.
Selbst seine Parteifreunde, die ihn verteidigen wollen, laufen zu Höchstform auf und werden "Altlateiner".
Freilich, nicht alle gefälschten Doktorarbeiten führen zu so einem schönen Happy End wie die von zu Guttenberg: Nach dem Doktortitel auch den Job verloren.
Schließlich verfügen auch nicht alle Doktoranden über den Einfluss, ihrer Uni 750 000 € zukommen zu lassen.
6 Kommentare:
Hervorragend! Genau das waren gestern Abend auch meine Gedanken - wenn auch nicht ganz so ausführlich ;-)
Dobrindt meinte wohl etwas anderes: "Alt-Lateiner" bezeichnet jemanden, der Latein und Griechisch in der Schule gelernt hat. (Dementsprechend hat ein "Neu-Lateiner" neben Latein nur neue Sprachen gelernt.)
Ansonsten könnte man auch zwischen dem klassischen Latein und dem mittelalterlichen (Kirchen-)Latein unterscheiden, da gibt es einige Unterschiede (z.B. das Partizip "ente" von "esse") --- das ergäbe in diesem Fall aber keinen Sinn.
Dobrindt meinte wohl, welche Sprachen man in der Schule hatte.
"Alt-Lateiner" = Latein und Griechisch
"Neu-Lateiner" = Latein als einzige Altsprache
Ansonsten käme noch die Differenzierung zwischen dem klassischen Latein und dem mittelalterlichen (Kirchen-)Latein in Frage, welches einige Unterschiede aufweist (Partizip "ente" von "esse") --- das ergäbe hier aber keinen Sinn.
@Sonny: Das ist eine freundliche Interpretation. - Ich habe zwar einiges mit altsprachlichen (oder auch humanistischen) Gymnasien zu tun gehabt, auch selbst an einem unterrichtet und noch nie gehört, dass der Ausdruck so verwendet worden wäre. "Altsprachliches Gymnasium" und "Altsprachlicher Zweig" werden zur Unterscheidung von Bildungsgängen, die "nur" Latein und kein Griechisch einschließen, dagegen sehr oft verwendet.
Die Wikipedia erklärt Altlatein, wie folgt: "Unter dem Begriff Altlatein versteht man die Sprachstufe des Lateinischen, die dem Klassischen Latein vorausgeht."
Bei Google finden sich rund 4700 Beispiele für die Verwendung von "Altlatein" und "Altlateiner". Mir ist es nicht gelungen, außer der von Wikipedia genannten Bedeutung darunter auch ein Beispiel der von Ihnen vermuteten Bedeutung zu finden. (Ich gebe zu, dass ich nicht alle 4700 sorgfältig geprüft habe. Vielleicht finden Sie ja ein Beispiel.) "Altsprachlich" findet Google rund 27 000 mal in der mir bekannten Bedeutung.
@ Walter
„Alt-Lateiner“ ist auch eher ein Begriff aus der Schüler-Umgangssprache, vielleicht noch von den Lehrern verwendet, aber niemals offiziell oder wissenschaftlich --- das wäre eine Erklärung dafür, daß Google nichts findet (ich hatte selbst gesucht).
Vielleicht ist es auch eine Frage der Region: In Bayern sind ja altsprachliche Gymnasien immer noch sehr häufig zu finden (das Gymnasium in Weilheim, das Dobrindt besuchte, ist ein solches und das einzige am Ort), und außerdem ist im Freistaat auch sonst noch vieles etwas traditioneller (gerade im Schulwesen) --- möglicherweise hat sich da ein alter Begriff erhalten, der woanders längst ausgestorben ist.
Ich war auch erst irritiert von der Aussage Dobrindts (er wollte es ja wohl erklären, aber der Moderator unterbrach ihn, weil die Zeit davonlief), aber später fiel mir dann ein, daß mir vor Jahren mal eine ehem. bayerische Schülerin erzählt hatte, sie sei „leider nur Neu-Lateinerin“ --- das würde dazu passen.
Aber auch vom Sinn her: Die Frage war ja, ob Dobrindt das Wort „Kairos“ kannte --- und wenn er darauf antwortet, er sei Alt-Lateiner, dann kann das ja eigentlich nur bedeuten, er habe in der Schule Griechisch gelernt. (Nach dem Abitur hat er Soziologie studiert und später verschiedene Tätigkeiten in der Metallindustrie ausgeübt --- da hat er sicherlich nichts mehr mit Griechisch zu tun gehabt.)
Aber es werden ja viele Leute die Sendung gesehen haben und sich jetzt wundern --- vielleicht erklärt er es ja irgendwann noch mal.
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