Dienstag, 22. August 2017

Costas Lapavitsas: "Kein Europa, in dem man sich wohlfühlt"

"In Europa hat sich ein Zentrum gebildet, welches von Deutschland repräsentiert wird, genauer gesagt vom deutschen Industriekomplex. Speziell die Automobilbranche und die Chemische Industrie, die besonders auf Export fokussiert ist. Um dieses Zentrum herum entstehend eine Reihe von Peripherien. [...]
Man kann auf jeden Fall zwei Arten von Peripherien unterscheiden. Unter die eine Art fallen die Anhänger bzw. Mitläufer Deutschlands. Das sind Länder, die ein Teil des Euro sein können oder auch nicht, so wie Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien und ein Teil von Österreich.  Also Länder, die direkt mit dem Industrieprozess Deutschlands verbunden sind. Das ist das europäische Produktionszentrum. Dieses zieht mittlerweile auch andere Länder in seinen Bann: Rumänien, Ungarn, usw. Die Wirtschaft dieser Länder ist immer mehr von der deutschen Automobilbranche abhängig.
Die andere Peripherie besteht aus den Südländern: Griechenland, Spanien, Portugal und ein Teil von Italien. Das sind Länder mit einem stark ausgebildeten öffentlichen Sektor, hoher Arbeitslosigkeit und keiner wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, speziell auch im industriellen Bereich. Und, ganz wichtig, sie sind Euro-Länder. Weshalb sie auch nicht wettbewerbsfähig sind. Ihre Rolle besteht darin, der deutschen Industrie Arbeit zu verschaffen.
Was ist die Rolle Frankreichs in diesem „neuen“ Europa?
Frankreich ist ein Land im Zentrum (von Europa), aber es hat nicht die industrielle Stärke, um mit Deutschland zu konkurrieren. Es hatte das Spiel bereits verloren, als es gemeinsam mit den Deutschen dem Euro beigetreten ist. Mittel- bzw. langfristig gesehen wird es sich Deutschland „unterwerfen“. [...]
Ich denke, es ist lohnenswerter die Tatsache zu beleuchten, dass der Euro Deutschland erlaubt hat, das dominante Land in Europa zu werden. Das ist die wahre Bedeutung des Euros. Die Einheitswährung hat es Berlin erlaubt, den europäischen Markt zu dominieren und zu einem globalen Exportland zu werden, das sowohl auf dem chinesischen als auch dem US-Markt vordringen kann. Und Deutschland konnte sich selbst zum Besitzer von Finanzanlagen entwickeln. Die Auswirkungen des Euro sind exakt das Gegenteil von dem, was uns eingeredet wurde.
Hat sich daran mit dem Brexit irgendetwas verändert?
Der Brexit war in gewissem Sinne eine Antwort auf die Transformation der EU in eine Institution, die Deutschlands Macht schützt und verschleiert. Eine Reaktion auf den Verlust von Souveränität. [...]"
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