Mittwoch, 19. Juli 2017

Menschenrechtler in türkischer U-Haft

Rund zwei Wochen nach der Festnahme von zehn Menschenrechtsaktivisten in der Türkei wurde gegen sechs von ihnen Untersuchungshaft verhängt. Darunter sind die Landesdirektorin von Amnesty International (AI), ein deutscher und ein schwedischer Berater. Ihnen wird die Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen. Welche Reaktion ist jetzt richtig?
LIBÉRATION (FR)

Europäische Türkei-Politik ist falsch

Bereits im Juni war der Türkei-Vorsitzende von AI festgenommen worden. Libération veröffentlicht einen Appell von Menschenrechtlern an die Türkei:
„Die Festnahme dieser zehn anerkannten Menschenrechtler markiert eine neue Etappe im autoritären Abdriften der türkischen Regierung. Zum ersten Mal in der Geschichte von Amnesty International wurden zwei führende Mitarbeiter im gleichen Land inhaftiert - binnen weniger als einem Monat. In der Türkei kann sich kein Menschenrechtler mehr sicher fühlen. Allein verantwortlich für das Abdriften sind die türkischen Machthaber. Aber die fehlende beziehungsweise zurückhaltende Reaktion unserer europäischen Regierungen, insbesondere der französischen, erleichtert dieses Abdriften erheblich, ja begünstigt es vielleicht sogar. Damit muss endlich Schluss sein. Es ist Zeit, wieder die Menschenrechte in den Mittelpunkt der EU-Türkei-Beziehungen zu stellen.“
Zum Originalartikel
Teilen auf
 
PÚBLICO (PT)

Flüchtlingsdeal endlich aufkündigen

Für die Unesco-Sondergesandte Beate Klarsfeld und den Präsidenten vom European Grassroots Antiracist Movement, Benjamin Abtan, ist es höchste Zeit, den Flüchtlingsdeal mit Ankara aufzukündigen, schreiben sie in Público:
„Diese Vereinbarung ist vollkommen nutzlos. Erdoğan nutzt dieses Abkommen aus, um dem von Europa ausgeübten Druck zu entkommen, während er ein immer autoritäreres Regime aufbaut. ... Weder Deutschland noch Europa brauchen Erdoğan, um die Ankunft der Flüchtlinge in Europa zu verhindern. Es ist Erdoğan, der die Flüchtlinge braucht, die sich im Südosten der Türkei niedergelassen haben, um sie für seine Unterdrückungspolitik gegenüber der nationalen Bewegung der Kurden zu benutzen. ... Dieses Abkommen offenbart außerdem auch einen Mangel an Souveränität der Europäer, die nicht in der Lage sind, der von ihnen gewählten Politik ohne die Hilfe von Staaten wie der Türkei Respekt zu verschaffen.“
Benjamin Abtan
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
HÜRRIYET (TR)

Beweise müssen auf den Tisch

Hürriyet fordert die türkische Justiz zu Transparenz auf, damit sich ihr Ansehen im Ausland nicht noch weiter verschlechtert:
„Es heißt, [die Menschenrechtler] seien verhaftet worden, damit sie in Verhandlungen als Pfand eingebracht werden können, es heißt, die Justiz würde instrumentalisiert. ... Falls das stimmt, wissen unsere Polizisten, Staatsanwälte und Strafrichter nicht, dass wir uns ins eigene Fleisch schneiden? ... Wie sehr es das Vertrauen in die Fetö-Prozesse [gegen Gülen-Anhänger] erschüttert und welch großen Schaden wir diesem Kampf zufügen? Und dass es denen einen Trumpf in die Hand spielt, die unsere Justiz diffamieren wollen? ... Handfeste Indizien müssen offengelegt werden, bombensichere Beweise müssen auf den Tisch, es muss der Welt gezeigt werden, wer Spion, wer Terrorist und wer Menschenrechtler ist. Das wäre eine saftige Lektion für die deutschen Medien.“
Akif Beki
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Früher gab es wenigstens noch Hoffnung

Die Süddeutsche Zeitung sieht sich an die Menschenrechtslage nach dem Militärputsch 1980 erinnert:
„Massenverhaftungen, Folter - sogar Hinrichtungen waren damals zu beklagen. Viel fehlt in der Türkei des Jahres 2017 nicht mehr, um daran anzuknüpfen. Wenn Erdoğans Anhänger auf der Straße zusammenkommen, haben manche schon den Strick dabei. In die Amnesty-Geschichte geht die Türkei 2017 als jenes Land ein, das sich als erstes traute, gleich beide Spitzenfunktionäre im Land zu verhaften. Die Lage heute ist in der Rückschau in gewisser Weise bedrückender als jene in den 80er- und 90er-Jahren. Denn damals waren es die Europäische Union und die Aussicht auf einen Beitritt, die das Land zwangen, sich zu verändern, sich zu bessern. Nur: Immer wenn Brüssel heute die Hand ausstreckt, dimmt Erdoğan das Licht eben noch ein Stück weit herunter.“
Mike Szymanski
Teilen auf
Zum Originalartikel
Menschenrechtler in türkischer U-Haft

Keine Kommentare: