Mittwoch, 7. September 2016

Integration von Flüchtlingen

Integration: Wenn Mohammed Isa trifft12. Mai 2016


"Eine Million Neuankömmlinge unterzubringen, zu versorgen und in die Gesellschaft zu integrieren ist eine große und kleinteilige Aufgabe zugleich. Sie gleicht einem 100.000-Teile-Puzzle, bei dem einerseits der Überblick nicht verloren gehen darf, andererseits aber sehr genau darauf geachtet werden muss, welches Teilchen wirklich wohin passt. Deshalb ist es so wichtig, dass alle Informationen rund um die Flüchtlinge an einem Ort zusammenkommen.
Bloß: Diesen Ort gibt es nicht. Und auch nicht die große, elektronische Deutschlandkarte."
Wohnen:
"In Dortmund leben 6.400 Asylbewerber, gut die Hälfte in Wohnungen, die anderen in Massenunterkünften. Trotzdem reicht die Zahl der verfügbaren Räumlichkeiten seriöser Anbieter bei Weitem nicht aus. Und das im mittelgroßen und mittelbegehrten Dortmund. Wie geht es erst in Großstädten wie Berlin oder Hamburg zu?"
Sprechen:
"Vier Flüchtlingsgruppen dürfen den Integrationskurs beginnen, noch bevor ihr Asylverfahren überhaupt entschieden ist: Syrer, Eritreer, Iraker und Iraner. Sie haben die besten Chancen, in Deutschland Schutz zu finden, deshalb werden sie bevorzugt. Alle anderen müssen den erfolgreichen Abschluss ihres Verfahrens abwarten. Doch selbst für die eingeschränkte Zahl der Privilegierten reichen die Kurse derzeit nicht aus: Bundesweit fehlen über 200.000 Plätze, schätzt Frank-Jürgen Weise, der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Wartezeiten sind lang. Wie lang durchschnittlich? Keiner weiß es."
Arbeiten:
"Die meisten Flüchtlinge, die es nach Deutschland schafften, haben eine bedürftige Familie irgendwo in den Lagern in der Türkei oder in Jordanien. Die wollen und müssen sie finanziell unterstützen. So schnell wie möglich. Ein Jahr Sprachkurs und dann drei Jahre Ausbildung? Wer kann sich das leisten? Die Leute haben Schulden gemacht, um die Schlepper zu bezahlen, ihre Eltern und Geschwister hocken bei Regen und Wind in Flatterzelten und hängen am Rationen-Tropf der UN-Flüchtlingshilfe."
"Es gibt in Berlin, aber auch in vielen anderen deutschen Großstädten, einen geheimen Arbeitsmarkt für Einwanderer, der die Bedürfnisse der Flüchtlinge nach schnellem Geld befriedigt – keine Bürokratie, keine Wartezeiten, sondern Geld in bar. Doch sind die Flüchtlinge erst einmal in solch prekären Jobs gelandet, rückt ihre Integration in weite Ferne. Deutschkenntnisse? Warum denn? In den Döner- und Falafelbuden braucht es so was nicht. [...]
Aber wer einen jungen Syrer ohne Deutschkenntnisse zum Facharbeiter machen will, braucht dafür fünf bis sechs Jahre, heißt es bei der BA – nicht bloß drei, wie bei einem deutschen Azubi."
Lieben:
"Gäbe es eine Sendung mit dem Namen "Deutschland sucht den Superflüchtling": Mohammed käme ins Finale.
Seit einem Jahr und acht Monaten lebt er hier. Seither hat er alles, was erfolgreiche Integration ausmacht, in Rekordzeit durchlaufen. Er spricht fließend Deutsch. Er hat einen Ausbildungsplatz zum Industriemechaniker, im September geht es los. Seit fünf Monaten geht er zur Einstiegsqualifizierung, einer Art Praktikum, das den Start in den Betrieb erleichtern soll. Acht Monate hat der Syrer in einem Flüchtlingsheim gewohnt, dann in einem kleinen Zimmer in der Stadt, und gerade ist er wieder umgezogen, in eine Zweizimmerwohnung, zusammen mit Isa."
"Mohammed ist richtig integriert, seit er mit Isa zusammen ist. Alles, was er heute hat – Wohnung, Job und deutsche Freunde –, hat er auch durch sie. Die Liebe zu einer Deutschen öffnete ihm die Türen der Einheimischen. Und auf offene Türen kommt es an. Bekanntschaften, Freundschaften, Nachbarschaften – eben Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Kulturkreise – sind für die Integration entscheidend. Sie sind das Kostbarste und Schwierigste, und dafür hat die Politik noch gar kein Rezept."
Wie fördert man Integration?
"Sanktionen für Integrationsverweigerer sind wichtig, aber ebenso wichtig ist es, dass der Staat seine Aufgaben erfüllt. Offiziell beträgt die Dauer der Asylverfahren im Schnitt 5,2 Monate, faktisch ist es ein Dreivierteljahr und mehr. 400.000 unbearbeitete Asylanträge stapeln sich beim Bamf. Hunderttausende Flüchtlinge sind registriert, haben aber noch kein Asyl beantragt. "Wir sind in Not", sagt Bamf-Chef Weise, seine Behörde müsse dieses Jahr eine Million Asylentscheidungen treffen.
Extrem langwierig sind die Asylverfahren der Flüchtlinge aus Afghanistan (15,4 Monate), Iran (18,0 Monate) und Somalia (18,3 Monate) – trotz hoher Anerkennungsquoten. Um rasch gesunkene Asylbewerberzahlen präsentieren zu können, kümmert sich das Bamf vor allem um jene Fälle, die garantiert abgelehnt werden. Das Leben der Afghanen, Iraner und Somalier aber pausiert zwei Jahre – verlorene Zeit für die Integration."
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Vergleiche auch: Lehrer und die Einwanderungsgesellschaft

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