Sonntag, 28. Oktober 2018

Gegen die Würde der Verfassung

Es ist gegen die Würde der Verfassung und gegen den Sinn einer Volksabstimmung, wenn wie gegenwärtig in Hessen über 15 Verfassungsänderungen gleichzeitig abgestimmt wird, die in keinem inneren Zusammenhang stehen.
Wenn über eine Verfassung insgesamt abgestimmt wird, ist klar, dass der einzelne Bürger sich nur im Ausnahmefall mit allen einzelnen Bestimmungen vertraut machen kann.
Dann geht es aber auch nur um den Abschluss einer ausführlichen öffentlichen Diskussion.
In dem vorliegenden Fall war aber weder den Parteien noch den einzelnen Politikern noch der Presse zuzumuten, alle 15 Punkte lange genug in der öffentlichen Diskussion zu halten, dass die Bürger eine Chance gehabt hätten, informiert darüber zu entscheiden.

Der Fortfall der Todesstrafe, die seit der Ratifizierung des Grundgesetzes ohnehin nicht mehr verhängt werden konnte, könnte dazu verführen, anzunehmen, dass auch die anderen Regelungen relativ belanglos wären.
Die Einführung von Staatszielen, die bedeutsam klingen, aber rechtlich durch den Finanzierungsvorbehalt de facto bedeutungslos werden, geht in dieselbe Richtung.

Dass ein Gesetz nicht mehr gedruckt zu werden braucht, um gültig zu werden, greift dagegen in die Informationsmöglichkeiten der Bürger ohne Internetzugang so schwerwiegend ein (auch wenn das Gesetz- und Verordnungsblatt für den einzelnen Bürger noch nie eine bequeme Informationsmöglichkeit bot), dass der Vorgang eine öffentliche Beachtung verdient hätte, bevor er mit 14 weiteren Punkten pauschal abgesegnet oder verworfen werden kann. Entsprechendes gilt für die Herabsetzung des Wählbarkeitsalters (passives Wahlrecht) für den Landtag.

Was beim Konnexitätsprinzip schon fragwürdig war (welche*r hessische Bürger*in wusste oder weiß gar jetzt noch, wie das hieß und was es bedeutete, worüber er damals abgestimmt hat), ist jetzt auf die Spitze getrieben worden.
Eine Volksabstimmung, bei der die Mehrzahl der Bürger nicht weiß, worüber sie abgestimmt hat, widerspricht der Würde des Souveräns.

Dass eine umfassende Diskussion über dieses Problem dazu hätte führen können, dass Wähler*innen davon abgeschreckt worden wären, überhaupt zur Wahl zu gehen, macht den Vorgang nicht erfreulicher.



Keine Kommentare: