Freitag, 13. April 2018

Fake News oder interessengeleitete Interpretation?

STEFAN NIGGEMEIER: Selten so eine mediale Einheitsfront gesehen wie in Bezug auf Russland
Über Medien 13.4.18

Die OPCW-Untersuchung zu Skripal hat das Ergebnis der britischen Spezialisten bestätigt: 

"The results of the analysis by the OPCW designated laboratories of environmental and biomedical samples collected by the OPCW team confirm the findings of the United Kingdom relating to the identity of the toxic chemical that was used in Salisbury and severely injured three people." (OPCW Issues Report on Technical Assistance Requested by the United Kingdom)

Unsere Qualitätsmedien berichten dazu mehr oder weniger objektiv. Ich kann aber niemandem widersprechen, der darin eine Tendenz entdeckt. Fake News?

Die FAZ berichtet dazu:

"Die Organisation für ein Verbot chemischer Waffen (OPCW) hat die britischen Angaben bestätigt, nach denen der frühere russische Doppelspion Sergej Skripal mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde. Die Fachleute der OPCW sagten aber nichts über die Herkunft des Giftes. Es zeichnete sich aber durch eine „hohe Reinheit“ aus. Die OPCW nennt nicht den Namen des Kampfstoffes.[...]
Für die britische Regierung ist die Schuldfrage damit geklärt. „Es gibt keinen Zweifel, was benutzt wurde, und es gibt keine andere Erklärung, wer dafür verantwortlich ist – nur Russland hat die Mittel, ein Motiv und die Erfahrung“, teilte Außenminister Boris Johnson am Donnerstag in London mit. [...]
Unterdessen sagte der Chemiker und Toxikologe Ralf Trupp der Deutschen Presse-Agentur, das verwendete Nervengift deute auf eine staatliches Herkunft hin. Das könne aus dem in dem Bericht festgestellten hohen Reinheitsgrad des Kampfstoffes und aus den nur geringen Verunreinigungen geschlossen werden. „Es wurde Arbeit investiert in die Reinigung des Kampfstoffes“, erläuterte Trapp den OPCW-Bericht. Das sei typisch für Substanzen aus einem staatlichen Labor oder staatlichen Programm, sagte der Fachmann, der als Berater auch für die OPCW und die Vereinten Nationen tätig war. Zwar weist ein hoher Reinheitsgrad auf ein staatliches Labor hin, kann bei der Suche nach den Drahtziehern des Anschlags auch ein Nachteil sein: Denn Verunreinigungen können Experten helfen, die Ursprungsquelle des Nervengifts herauszufinden." (FAZ 12.4.18, Hervorhebungen von mir)

Das ist ein vorbildlich sachlicher differenzierter Bericht, der freilich nicht leicht in einem Satz zu fassen ist. Die FAZ findet dafür die Überschrift "„Nur Russland hat die Mittel, ein Motiv und die Erfahrung“. 
Der url des Berichtes ist "http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/opcw-bestaetigt-im-fall-skripal-britische-ergebnisse-15538646.html" (Hervorhebung von mir)

Die FAZ wusste also, was eine neutrale Überschrift gewesen wäre, wählte aber, um Interesse zu erregen, die altbekannte Behauptung des britischen Außenministers Johnson „Nur Russland hat die Mittel, ein Motiv und die Erfahrung“. Sie setzt sie in Anführungszeichen. Insofern korrekt. - Vorbildlich? 

Warum schreibt Spiegel online "Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen hat festgestellt, dass der frühere Doppelagent Skripal mit einem Gift russischer Herkunft attackiert wurde - einen Schuldigen nannte die OPCW allerdings nicht. (SPON 12.4.18, Hervorhebung von mir)

Der url ist hier ebenfalls sachlich. Die  Süddeutsche und die WELT verfahren entsprechend.

Ich denke, hier liegt interessengeleitete Interpretation vor. Ich gestatte mir, sie Fake News zu nennen. Denn der Bericht wird eindeutig verfälscht. 

Mehr dazu (mit der nahe liegenden Polemik) auf den Nachdenkseiten vom 12.4.18 und mit Berichten über mehr oder minder gelungene Richtigstellungen am 13.4..

Wer der Meinung ist, man dürfe, um keinen Beifall von Seiten der AfD zu provozieren, nicht auf diese Verfälschung hinweisen, darf sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Unsere Demokratie stärkt eine solche Haltung nicht. 

In der gegenwärtigen Situation, wo eine militärische Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland droht, könnten tendenzielle Meldungen, die eine Anti-Russlandstimmung begünstigen, dazu beitragen, dass die Bereitschaft, einen Krieg als notwendig zu akzeptieren, zunimmt. 
Deshalb wäre sachliche Berichterstattung besonders wichtig.
Es heißt "Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst." Es hat aber genügend Fälle gegeben, wo sie vor dem Kriegsausbruch "gestorben" ist.

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