Auch Angela Merkel hat eine Entscheidung getroffen, deren Folgen noch nicht im Einzelnen klar sind. Halten Sie die Kanzlerin für eine Visionärin?
Eppler: Mit dieser Frage überfordern Sie mich. Ich habe Angela Merkel als eine taktisch außerordentlich geschickte, berechnende Machtpolitikerin in Erinnerung. Die Griechen hat sie gedemütigt – ausgerechnet die deutsche Kanzlerin und der deutsche Finanzminister! Das war ein Wink an den deutschen Wähler: Seht, so kämpfe ich für euren Geldbeutel. Deshalb sehe ich das, was nun gekommen ist, mit einer fast ungläubigen Verwunderung. Je länger Angela Merkel an ihrer Position praktisch festhält, desto mehr frage ich mich, ob ich ganz umdenken muss. Noch habe ich es nicht getan.
C+W: Aber was ist denn die Folge einer solchen Politik?
Eppler: Eine erstaunliche Aufwertung der Deutschen im internationalen Ansehen. Das ist etwas, was mich sehr befriedigt als jemand, der das Jahr 45 noch sehr bewusst mitbekommen hat. Und ich hoffe, dass es ihr mit ihren Methoden – die übrigens viel Geld kosten werden – gelingt, den Zustrom so zu reduzieren für das Jahr 2016, dass sie das in dieser Republik vertreten kann. Übrigens zusammen mit der Sozialdemokratie.
C+W: Müsste hier nicht die pragmatische Kunst des Möglichen ins Spiel kommen?
Eppler: Nun ja, was heißt Kunst des Möglichen? Alle Thesen, wir müssten bei 200.000 oder bei 500.000 Flüchtlingen aufhören, sind ja verfassungswidrig. Die Feuerwehr kann auch nicht sagen, bis fünf Brände löschen wir und beim sechsten bleiben wir zu Hause.
C+W: Hatte Angela Merkel überhaupt eine andere Wahl?
Eppler: Ja, sie hatte eine andere Wahl, aber sie hat die menschenfreundlichere Variante gewählt. Ich möchte nicht, dass das, was sie getan hat, völlig ausradiert wird. Ich möchte schon, dass es gelingt, die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland wenigstens zu halbieren, ungefähr, ohne dass Merkel kapitulieren muss. Wenn es gelingt, was die Koalition ja will, was auch Gabriel will, auf eine verfassungskonforme Verminderung der Flüchtlingszahlen zu kommen, dann glaube ich, dass diese Spaltung in der Gesellschaft sich wieder gibt. Denn das ist eine Spaltung der Angst gegenüber der Hoffnung. Und wenn die Ängste geringer werden, wird die Hoffnung größer. (http://www.zeit.de/2016/07/erhard-eppler-spd-angela-merkel-fluechtlingskrise/komplettansicht)
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Warum haben Sie nicht aufgegeben?
Eppler: Ich hielt mich an einen Spruch von Gustav Heinemann, meinem politischen Ziehvater: "So ist die Politik gewesen, seit die Menschen sind. Und wenn du das nicht aushältst, dann muss du nach Hause gehen."
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