Dienstag, 5. April 2022

euro|topics: Gräuel in Butscha: Welche Reaktion muss folgen?


Nach dem Abzug russischer Soldaten aus mehreren ukrainischen Orten in der Nähe von Kyjiw gibt es stündlich neue Hinweise auf Gräueltaten in den zuvor von ihnen besetzten Gebieten: Augenzeugen berichten von willkürlichen Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Plünderungen. Die US-Regierung will Beweise sammeln und Russland wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stellen. Wie Europa reagieren muss, debattiert die Presse.

KURIER (AT)

Putin vor Gericht stellen

Wer nun überrascht ist, hatte zuvor die Augen verschlossen, erinnert der Kurier:

„Die Frauen ahnten, dass Vergewaltigungen zum Repertoire der Widerlichkeiten gehören, und dass Massenexekutionen kommen, davor warnen ukrainische Experten seit Wochen. Wir im Westen hätten das hören können. ... Im Donbass hat Putin seit 2014 ein Terrorregime zugelassen, bei dem Folter völlig normal war. In Tschetschenien hat er seine Soldaten genau das machen lassen, was die Ukrainer jetzt erleben: Sie plünderten, vergewaltigten, mordeten. Der Westen hat dabei immer zugesehen - und nichts gemacht. Europa und USA dürfen Putin darum nicht wieder einen gesichtswahrenden Ausweg bieten: Sein nächster Weg darf nur der nach Den Haag sein - zum Internationalen Strafgerichtshof.“

Evelyn Peternel
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BERLINGSKE (DK)

Panzer und Kampfjets liefern

Eine entschiedene Gegenreaktion des Westens fordert Berlingske:

„Wir müssen beim Sammeln von Beweisen helfen, sodass Putin und seine Handlanger eines Tages vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestellt werden können. Aber auch das reicht nicht. Verschärfte EU-Sanktionen gegen Russland müssen her - wir müssen russische Banken ganz und gar kaltstellen und uns weigern, auch nur einen einzigen Euro oder Rubel für russisches Öl und Gas zu zahlen, solange das Land Krieg gegen die Ukraine führt. ... Wir müssen offensivere Waffen wie Panzer, Helikopter und Kampfflugzeuge liefern, wie von den Ukrainern zur Rettung ihres Landes erbeten. Wir dürfen der Barbarei nicht das Feld überlassen.“

Pierre Collignon
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BERLINER ZEITUNG (DE)

Kriegseintritt des Westens keine Option

Eine massive Stärkung der Ukrainer durch Waffenlieferungen fordert auch die Berliner Zeitung:

„Sie [die Ukrainer] müssen nicht nur befähigt werden, ihr Land zu verteidigen bzw. Gebiete zurückzuerobern - sie müssen auch die Chance haben, in die laufenden Verhandlungen hinein eine starke Position für ihre Forderungen zu erkämpfen. Je schwächer die russische Position auf dem Feld, desto günstiger für die Diplomaten der Ukraine. Aber eines soll ausgeschlossen bleiben, egal wie der Krieg sich wendet: Es kommt nicht infrage, dass sich der Westen in den Krieg hineinziehen lässt. Das ist keine Option - um des Weltfriedens willen.“

Maritta Tkalec
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DIÁRIO DE NOTÍCIAS (PT)

Russische Opposition stärken

Biden hatte mit seiner Einschätzung bezüglich Putin recht, meint Diário de Notícias:

„Sicherlich ist es keine gute Strategie, Regime von außen zu verändern, aber es spricht nichts dagegen, diejenigen zu unterstützen, die dies von innen heraus tun wollen. Wer die Szenen des Grauens und der Kriminalität beim Abzug der russischen Truppen aus der Region um Kyjiw gesehen hat, kann Biden kaum widersprechen. 'Um Gottes Willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben.'“

Henrique Burnay
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Nukleare Friedensgarantie gescheitert

Die atomare Abschreckung wird zur Garantie für Putins Willkür, warnt der Schriftsteller Paolo Giordano in Corriere della Sera:

„Das Prinzip der [gegenseitigen] Abschreckung hat bis zum Beweis des Gegenteils funktioniert. Jetzt ist der Gegenbeweis erbracht, und er heißt Ukraine. ... Anders kann ich mir unsere Haltung zu diesem Krieg wirklich nicht erklären: Wir lassen zu, dass ein Volk, das uns nahe steht, das europäisch ist und dem wir gerne helfen würden, ja das es verdient, dass man ihm hilft, überfallen und massakriert wird, weil wir einen nuklearen Vergeltungsschlag gegen uns fürchten. Die Abschreckung hat sich von einer Friedensgarantie in ihr Gegenteil verwandelt: in eine Garantie für Straflosigkeit, für das Recht auf Aggression und für unsere Ohnmacht.“

Paolo Giordano
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Zur Diskussion im Sicherheitsrat:

++ 20.07 Uhr: Die Präsidentin des UN-Sicherheitsrates hat Wolodymyr Selenskyj zugesichert, sich für eine Aufklärung der Kriegsverbrechen durch Russland einzusetzen. Der Präsident der Ukraine hatte vor dem Rat von Folter, Mord und Vergewaltigung durch russische Soldaten berichtet. Die Ratspräsidentin nannte diese Veranschaulichungen „extrem erschütternd.“ Die Aussagen des Botschafters aus Russland, der unter anderem die Gräueltaten in Butscha bestritt (siehe Update von 19.48 Uhr), tat sie mit den Worten „wir haben alle die Satellitenbilder gesehen“ ab. Selenskyj hatte bei seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat gesagt, es müsse Rechenschaft für die russischen Verbrechen geben.

++ 19.48 Uhr: Der Botschafter von Russland nutzt das Treffen im UN-Sicherheitsrat, um die Vorwürfe über Kriegsverbrechen in Butscha zu bestreiten. Demnach habe während der Besetzung der Stadt durch Russland kein einziger Zivilist an irgendeiner Form der Gewalt gelitten. Der Botschafter Nebensja implizierte dementsprechend, dass die Ukraine die zahlreichen Leichen in Butscha auf die Straße gelegt hätte, um Vorwürfe an Russland erheben zu können. Als Beweis sprach der UN-Botschafter die erste Reaktion des Bürgermeisters von Butscha nach dem Abzug der Truppen aus Russland an, in dem die Kriegsverbrechen nicht erwähnt worden seien.

Tatsächlich berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von Gewalttaten gegen Zivilisten von russischer Seite, die bereits kurz nach der Invasion stattgefunden haben. So hätten Soldaten aus Russland am 4. März fünf wehrlose Männer in Butscha ermordet. Die Organisation wird den russischen Truppen außerdem Diebstahl, Vergewaltigungen und andere Gewaltverbrechen in der Ukraine vor.

Der Botschafter von Russland, Wassili Nebensja, antwortete im UN-Sicherheitsrat auf dei Vorwürfe von Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine. © Spencer Platt/afp


Ukraine-Krieg: Russland antwortet im UN-Rat auf Rede von Selenskyj

++ 18.55 Uhr: In seiner Antwort auf die Rede von Wolodymyr Selenskyj im UN-Rat erhebt der Botschafter von Russland schwere Gegenvorwürfe. So soll die Ukraine die Evakuierung der eigenen Zivilisten aus Regionen verhindern, die von Russland angegriffen wurden. Der Botschafter Wassili Nebensja sprach insbesondere die Stadt Mariupol an. Die Ukraine hatte Russland mehrfach vorgeworfen, vereinbarte Feuerpausen zur Evakuierung nicht einzuhalten.Laut dem Botschafter würde Russland „lang erwarteten Frieden in das blutgetränkte Land im Donbass“ bringen. Weshalb die russischen Truppen dafür auch den Westen der Ukraine angreifen müssen, sagte er nicht. Dafür nannte Nebensja einen Grund dafür, weshalb die Invasion der Ukraine so lange dauern würde: „Wir schießen nicht gegen Zivilisten“, behauptete er im UN-Sicherheitsrat. Erst vor Kurzem hatten Berichte über Kriegsverbrechen der Soldaten aus Russland in der Stadt Butscha für internationales Entsetzen gesorgt.

++ 18.06 Uhr: Der Botschafter von Russland hat im UN-Sicherheitsrat auf die Rede von Wolodymyr Selenskyj geantwortet. Wassili Nebensja bestritt die Vorwürfe des Präsidenten, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen würde. Stattdessen sollen Soldaten der Ukraine auf die eigenen Zivilisten schießen. Als Beweise verwies der UN-Botschafter auf Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken.

Nebensja sprach Präsident Selenskyj während seiner Rede im UN-Rat direkt an: „Es wurde viel Hoffnung auf Sie gesetzt, da Sie ein Ende des Krieges im Donbass und den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung versprochen hatten.“ Stattdessen hätte der Präsident die Ukraine sein Land gegen Russland gewendet. Auch die Vorwürfe, dass in der Ukraine Nazis an der Macht wären, widerholte der Botschafter.

++ 17.10 Uhr: Die Rede von Wolodymyr Selenskyj vor dem UN-Sicherheitsrat endet mit einem technischen Problem. Der ukrainische Präsident will ein Video zeigen, die Übertragung von Kiew nach New York funktioniert aber anscheinend aber nicht. Sitzungsleiterin Barbara Woodward dankt Selenskyj für seine Worte und „seinen Kampf gegen den illegalen Angriff aus Russland“.

++ 16.53 Uhr: In seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat erhebt Wolodymyr Selenskyj weitere, bisher ungehörte Vorwürfe gegen Russland. Der Kreml agiere wie eine Kolonialmacht. „Sie brauchen unseren Wohlstand und unsere Menschen.“ Bereits jetzt habe Russland „hunderttausende unserer Menschen auf ihr Gebiet deportiert. Tausende Kinder wurden entführt.“

Live - Selenskyj attackiert vor UN-Sicherheitsrat Russland: „Sie töten ganze Familien“

++ 16.48 Uhr: Wolodymyr Selenskyj ergreift das Wort: „Es gibt kein Verbrechen, dass das russische Militär nicht begeht. Sie töten ganze Familien, sie erschießen Leute auf den Straßen, in den Hinterkopf, nachdem sie sie gefoltert haben. Zivilisten wurden zum Spaß mit Panzer überfahren. Frauen wurden vor ihren Kindern vergewaltigt.“






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