Samstag, 30. April 2022

euro|topics: Gas-Lieferstopp: Zerreißprobe für Europa?


Nach dem Gazprom-Lieferstopp für Polen und Bulgarien droht Russland, weiteren Ländern das Gas abzudrehen, wenn sie sich dem von Moskau geforderten Bezahlmodell widersetzen. Auf der anderen Seite stellte EU-Kommissionschefin von der Leyen klar, dass Unternehmen, die direkt in Rubel zahlen, mit Konsequenzen rechnen müssen, weil dies gegen die EU-Sanktionen verstoße. Europas Presse sorgt sich um die Geschlossenheit der EU.

SME (SK)

Putin will die Einheit der EU aushöhlen

Putin greift einmal mehr zum Teile-und-herrsche-Verfahren, warnt Sme:

„Die Zahlungsfristen für Gas sind bei allen europäischen Kunden unterschiedlich. Das ermöglicht es dem Kreml, sein 'Spiel' mit einzelnen Ländern und Gasunternehmen zu spielen, das darauf abzielt, seine Rubel-Zahlungsbedingungen durchzusetzen, die im Widerspruch zu bestehenden Verträgen stehen und den derzeitigen Sanktionsmechanismus schwächen. Gleichzeitig schafft es ein sehr geeignetes politisches Instrument für das Putin-Regime, um die Einheit der EU-Länder zu untergraben und gegenseitiges Misstrauen zwischen ihnen zu sähen.“

Karel Hirman
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LA REPUBBLICA (IT)

Die Achillesferse schützen

Wie wichtig die Geschlossenheit der EU jetzt ist, betont La Repubblica:

„Es ist besorgniserregend zu erfahren, dass einige europäische Unternehmen, die bisher anonym geblieben sind, unter Missachtung der Vorschriften in Rubel zahlen. Jedes Abweichen von der einheitlichen Reaktion Europas gibt Putin einen Hoffnungsschimmer. Einigkeit wird auch für die anderen Schritte der europäischen Reaktion von grundlegender Bedeutung sein: eine Begrenzung des Gaspreises, ein gemeinsamer Fonds zur Unterstützung der Länder, die am stärksten vom Anstieg der Energiekosten betroffen sein werden, und eine Sperre für russische Ölexporte. Das größte Hindernis für diese Maßnahmen war bisher Deutschland, aber die Stimmung in Berlin ändert sich.“

Francesco Guerrera
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GAZETA WYBORCZA (PL)

Beide Seiten der Pipeline sind abhängig

Gazeta Wyborcza beleuchtet die Abhängigkeit Gazproms vom europäischen Markt:

„Warum sollte sich Putin im Gaskrieg auf Polen und Bulgarien beschränken? Er kann gleich den Gashahn für ganz Europa zudrehen. Es besteht kein Zweifel, dass die EU ohne Gas aus Russland, das in den letzten Jahren rund ein Drittel des europäischen Gasbedarfs geliefert hat, in Schwierigkeiten geriete. ... Doch wie lange kann Gazprom ohne Geld für seine Gasexporte in die EU weitermachen? Gazprom verkauft derzeit etwa ein Drittel seines Rohstoffs in Europa. Aber diese Ausfuhren machen drei Viertel der Einnahmen des russischen Unternehmens aus. Verlöre Gazprom über Nacht 75 Prozent seiner Einnahmen, müsste es dann nicht schon am nächsten Tag Konkurs anmelden?“

Andrzej Kublik
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DEUTSCHLANDFUNK (DE)

Worin Atomwaffen und Gasstopp sich ähneln

Der Warnschuss gilt weder Polen noch Bulgarien, meint Warschau-Korrespondent Jan Pallokat im Deutschlandfunk:

„Er soll Länder treffen, die wegen ihrer katastrophalen Energiepolitik Putins Gaswaffe am meisten fürchten müssen: Ungarn, Österreich, vor allem aber Deutschland. Es ist eine Waffe, die in einem Punkt der Atomwaffe ähnelt, weil sie nicht nur in den erwähnten Ländern, sondern auch in Russland selbst Verheerungen anrichten würde, wenn auch, anders als die Bombe, nur ökonomisch. Es ist die Waffe, mit der man droht, die man aber nie einsetzt. Putin muss sich nicht einer demokratischen Öffentlichkeit stellen und hat dadurch in beiden Pokerspielen der Angst den Vorteil, dass er unberechenbar ist. Und wenn er es doch tut, doch den Gashahn zudreht? Diese Frage schürt Unsicherheit. Sie ist sein Trumpf.“

Jan Pallokat
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DNEVNIK (BG)

Eine willkommene Chance für Bulgarien

Dass Bulgarien nun tun muss, was es schon lange hätte tun sollen, sieht Dnevnik durchaus positiv:

„Leider wurde Europa, nicht nur Bulgarien, lange Zeit von Gazprom getäuscht, erpresst oder gekauft. Im Nachhinein sehen wir jetzt ein, dass hinter jeder Entscheidung von Gazprom ein Cocktail aus Unternehmenslogik, Politik, Gangsterdruck und den zutiefst korrupten Praktiken Russlands steckte. ... Wenn wir vorher immer blind vertrauten, dass alles gut gehen würde, so wurden unsere Augen nun geöffnet. Eine Regierung nach der anderen hat nichts unternommen, um sich von Russlands Importen von Gas und anderen Energieprodukten zu lösen. Jetzt tut Russland, was wir schon vor langer Zeit hätten tun sollen. Und das ist eine Chance.“

Julian Popow
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SEGA (BG)

Duckmäusern bringt hier gar nichts

Bulgarien darf jetzt auf keinen Fall kuschen, stellt Sega klar:

„Manche Politiker geben sich immer noch der Illusion hin, dass Bulgarien sein Problem lösen kann, wenn es sich duckt und akzeptiert, in Rubel zu zahlen. Aber wer garantiert, dass der Kreml morgen nicht neue Bedingungen erfindet und einen neuen Vorwand nutzt, um unfreundliche Länder zu bestrafen, die es wagen, Putins verhasste Ukraine zu unterstützen? … In diesem Fall stimmt das Sprichwort nicht, dass 'ein gesenkter Kopf nicht vom Schwert geschnitten' wird, wie wohl viele Politiker in unserem Land glauben. Im Gegenteil: Der gesenkte Kopf ist das leichteste Opfer.“

Juliana Boncheva
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