Freitag, 23. Oktober 2015

Arbeitgeber erreichten ein Vertriebsstopp eines Buchs der Bundeszentrale für politische Bildung

Im Februar 2015 erschien bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ein Sammelband zur sozioökonomischen Bildung.
Daraufhin forderte am 5. Juni 2015 Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), in einem Schreiben die bpb dringend auf, 
das Buch nicht weiter zu vertreiben. Die Publikation enthalte, so Clever, "ideologische" und "voreingenommene Anschuldigungen" hinsichtlich der Öffnung von Schulen für Unternehmen und des zunehmenden Lobbyismus an Schulen. [...] Das Bundesinnenministerium als vorgesetzte Behörde der bpb hat umgehend und ohne Prüfung der Vorwürfe ein Vertriebsverbot ausgesprochen. 
mehr dazu

Der Band Ökonomie und Gesellschaft wird daher bei der Bundeszentrale weiter als vergriffen bezeichnet

"Inzwischen hat sich auch der wissenschaftliche Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Fall befasst. Das Ergebnis ist, wie man hört, eine Niederlage für das Innenministerium: Die große Mehrheit der Experten stimmte für eine Aufhebung des Vertriebsverbotes." (SPON, 26.10.15)

Zu recht stellt der Spiegel die sich selbst entlarvende Äußerung Peter Clevers heraus:
"Besonders echauffiert hatte sich Arbeitgeber-Geschäftsführer Clever in seinem Brandbrief übrigens über das Kapitel zum Thema Lobbyismus. Es werde ein "monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet", schrieb er darin."*
Und bemerkt dazu: 
"Vielleicht ist ja auch der Versuch des BDA, ein Wirtschaftsbuch aus dem Verkehr zu ziehen, künftig ein gutes Beispiel für den Unterricht." (SPON, 26.10.15)
 Offenbar gibt es weiter viel Arbeit für Lobbycontrol – Initiative für Transparenz und Demokratie

vgl. auch:
Abgeordnetenwatch: Bundestag muss Lobbyisten offenlegen ZEIT 18.6.15

Wenn Sie das Verwaltungsgericht Berlin in seiner Forderung unterstützen wollen, der sich die CDU/CSU-Fraktion hartnäckig widersetzt, ist hier Gelegenheit

Bundestag verweigert Herausgabe der Namen von Lobbyisten SZ 22.10.15

SPD veröffentlicht Lobbyisten-Liste faz.net 23.10.15
"Lange weigerte sich die SPD, eine Liste der Lobbyisten vorzulegen, denen sie Hausausweise zum Bundestag verschafft hat. Jetzt hat sie überraschend ihre Haltung geändert. Auf der Liste finden sich mehrere Großkonzerne."

*Hier eine weitere Fragwürdigkeit vom Arbeitgeberverband.

Stellungnahme der Nachdenkseiten zu Lobbyismus und Propaganda/Indoktrination an den Schulen
Der Kampf um die Indoktrination unserer Kinder mit neoliberalen Gedanken nimmt an Fahrt auf (mit einem Aufruf an unsere Leser am Ende des Textes) 27.10.15
[...] Negativer Vorreiter in Sachen Wirtschaftslobbyismus in der Schule ist dabei das Land Baden-Württemberg. Dort wird im kommenden Schuljahr bundesweit zum ersten Mal das Fach „Wirtschaft“ zu einem Pflichtfach an allen allgemeinbildenden Schulen. Dies ist ein großer Lobbyerfolg der „Dieter von Holtzbrinck Stiftung“, die über ihre Initiative „Wirtschaft Verstehen Lernen“ dem Land eine Rundumbetreuung anbietet. Man stellt nicht nur Unterrichtsmaterial (z.B. Inhalt aus dem zum Holtzbrinck-Verlag gehörenden Handelsblatt) zur Verfügung, sondern sorgt auch gleich mit einer gestifteten Honorarprofessur an der Universität Tübingen dafür, dass die künftigen Wirtschaftslehrer marktliberal ausgebildet und indoktriniert werden. Verantwortlich für die Einführung des Pflichtfachs „Wirtschaft“ ist, wen wunder es, die grün-rote Landesregierung.
Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, dass die Schüler lernen, was Soll und Haben sind, wie ein Kredit funktioniert oder welche Aufgaben die EZB hat. Es geht vielmehr darum, wie diese Fragen gedeutet werden. Wer „weiß“, dass der Mindestlohn Arbeitslosigkeit befördert, wird auch keine Partei wählen, die den Mindestlohn erhöhen will. Wer „weiß“, dass der Staat einen effizienten Markt durch Regulierungen verhindert, wird Liberalisierung und Privatisierungen fordern. Und wer „weiß“, dass niedrige Zinsen die Inflation treiben, wird in den Chor derer einstimmen, die die EZB zu einer Zinserhöhung treiben wollen. Oder zugespitzt: Wer in der Schule mit neoliberaler Propaganda indoktriniert wurde, funktioniert auch im späteren Leben genau so, wie sich dies die neoliberalen Vordenker wünschen. [...]
Nachtrag:
Innenministerium hebt Vertriebsverbot wieder auf, SPON 29.10.15

Sieh auch:
Lobbyismus an Schulen, heute: RWE und die Braunkohle  2.11.15

Mein Hinweis auf einen neuen ZUM-Wiki-Artikel zu Lobbyismus an Schulen, Fontanefan 17.11.15

Keine Kommentare: