Freitag, 30. Oktober 2015

Syrien-Gespräche

Syrien-Gespräche in Wien 
In Wien beginnt eine neue Runde internationaler Gespräche über eine Lösung des Syrien-Konflikts. Erstmals mit am Tisch sitzt am heutigen Freitag derIran, der neben Russland als wichtigster Unterstützer des Assad-Regimes gilt. Angesichts der gegensätzlichen Interessen der Akteure ist keine schnelle Einigung zu erwarten, prophezeien einige Kommentatoren. Andere glauben, dass der Krieg in Syrien allein mit dem Einsatz von Bodentruppen zu beenden ist. 

Der Bund - Schweiz
Weg zur Lösung wird lang und steinig 
Eine schnelle Einigung wird es nicht geben, erklärt die liberale Tageszeitung Der Bund mit Blick auf die Interessen der unterschiedlichen Akteure im Syrien-Konflikt: "In einer Nachkriegsordnung, die Syriens Demografie spiegelt mit ihrer grossen Mehrheit sunnitischer Muslime, werden weder der Iran noch Russland ihre Interessen berücksichtigt finden. Für den Iran ist Syrien das Hinterland der Hizbollah, über das Waffen für den Kampf gegen Israel nach Libanon gelangen. Für Russland ist es politischer Partner und Waffenkäufer. ... Für die überwiegend sunnitischen Rebellen ist jede Ordnung inakzeptabel, in der Assads Regime erhalten bleibt. Sie sehen den Krieg als Auseinandersetzung zwischen den islamischen Glaubensrichtungen und fühlen sich darin bestärkt durch die Rolle der schiitischen Führungsmacht Iran und nun auch das Eingreifen Russlands. Die Amerikaner haben nicht den Einfluss, um eine Mehrheit der Rebellen in einen Frieden zu zwingen. Die Golfstaaten unter Führung Saudiarabiens haben daran kein Interesse. ... Der Weg aus der Hölle wird lang und steinig werden." (30.10.2015) 

Le Figaro - Frankreich
Allein Putin scheint etwas erreichen zu können 
Dem Westen fehlt eine konkrete Strategie für Syrien, bedauert die konservative Tageszeitung Le Figaro und setzt ihre Hoffnung in den russischen Präsidenten: "Die Rückkehr Teherans auf die diplomatische Bühne darf in ihrer Bedeutung sicherlich nicht unterschätzt werden. Doch wären die Kräfteverhältnisse ausgeglichener, könnte man sich noch mehr darüber freuen. Die Strategie der USA - und Europas in ihrem Schlepptau - ähnelt einem Vakuum. Barack Obama müsste eigentlich wissen, dass sein 'leadership from behind' nur mit soliden Verbündeten funktioniert - und noch nicht einmal dann. Da er Putin jedoch freie Bahn lässt, bleibt uns nur zu wünschen, dass Russland die einzige Transition erreicht, die etwas wert ist: ein Bündnis der syrischen Kräfte gegen die IS-Miliz und eine Beendigung des Bürgerkriegs, der ein ganzes Volk auf der Flucht vor dem Tod ins Exil treibt." (30.10.2015) 

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Deutschland
Syrien lässt sich nur mit Bodentruppen befrieden 
Der Syrienkrieg ist nur mit Bodentruppen zu entscheiden, meint die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Wer wirklich etwas mit militärischen Mitteln verändern will, der muss letztlich Soldaten ins Land schicken. Die Frage ist allenfalls, wann und wie viele. In den heutigen asymmetrischen Kriegen, in denen man Freund und Feind äußerlich kaum unterscheiden kann, sind auch präzise Luftschläge ohne Unterstützung am Boden kaum möglich. Und mit Drohnen lässt sich kein Land befrieden. Klar ist aber auch, dass insbesondere Staaten, für die Leben und Würde jedes Einzelnen ganz oben stehen, die Verluste scheuen, die mit solchen Einsätzen verbunden sind. ... Eine Befriedung des Landes - wann auch immer - wird letztlich nur mit dem Volk und ohne Diktator gelingen. Daran muss auch Deutschland größtes Interesse haben, dessen Soldaten in Deutschland Unterkünfte und Verpflegung für die Flüchtlinge aus Syrien bereitstellen." (30.10.2015) 
Konferenz in Wien: Syrer sollen ihre Zukunft frei wählen (SPON 30.10.15)
Knackpunkt für das weitere Vorgehen und den Verhandlungsprozess ist auch die Frage, welche der Kräfte in Syrien als Terroristen oder als moderate Opposition einzustufen sind. Russlands Außenminister Lawrow sagte: "Aktuell sehen wir keine geeinte Delegation der syrischen Opposition."

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Zum Plan zur Entschleunigung der Balkanroute (eurotopics)

17 Punkte gegen Chaos auf Balkanroute 
Auf dem Sondergipfel zur Flüchtlingskrise haben sich 13 europäische Staaten am Montag auf einen 17-Punkte-Plan gegen das Chaos auf der Balkanroute geeinigt. Unter anderem sollen in der Region 100.000 Aufnahmeplätze geschaffen und der Grenzschutz der EU verstärkt werden. Zumindest suchen Europas Staaten wieder den Dialog, loben einige Kommentatoren. Für andere ist der Plan weder ausreichend noch praktikabel. 

Aargauer Zeitung - Schweiz
Kein großer Wurf 
Mit ihrem 17-Punkte-Plan hat die EU eine Chance zur Bewältigung der Flüchtlingskrise verpasst, kritisiert die liberale Aargauer Zeitung: "An verschiedenen Standorten zwischen Griechenland und Deutschland sollen Unterkünfte für rund 100.000 Menschen entstehen. Länder, die dies aus eigener Kraft nicht schaffen, können den für Erdbeben oder ähnliche Unglücke vorgesehenen europäischen Katastrophenschutzmechanismus auslösen. Kroatien hat dies am Montag bereits getan. Damit zeigt sich in aller Deutlichkeit, was die Flüchtlingskrise nunmehr ist: eine Katastrophe. In erster Linie für die direkt betroffenen Menschen - aber auch für die EU als politische Union. Es ist bezeichnend, dass als bescheidene Quintessenz im Abschlussdokument steht, dass man wieder 'miteinander reden' sollte. An grosse Würfe, wie einen festen Verteilschlüssel oder gar die Lösung des Problems vor Ort in Syrien, wagt derzeit niemand auch nur zu denken. Lieber hoffen die Politiker, dass der Winter ihnen etwas Zeit verschafft und die Flüchtlinge von ihrer Reise Richtung Nordeuropa abhält." (27.10.2015) 

Večer - Slowenien
Zumindest sind die Wogen etwas geglättet 
Zumindest kleine Fortschritte kann die liberale Tageszeitung Večer in dem Plan erkennen. In Anbetracht dessen, dass sich die Regierungschefs der Balkanstaaten noch vor dem Treffen gegenseitig den schwarzen Peter zugeschoben hätten, sei "der 17-Punkte-Plan auf jeden Fall ein Erfolg und ein Schritt vorwärts. Auch weil er den Streit zwischen den westlichen und östlichen EU-Ländern über die Lösung der Flüchtlingskrise ein wenig geglättet hat. Das Abkommen ist überhaupt sehr typisch für die EU: Es wurde auf einer nächtlichen Sitzung angenommen und es ist für jeden etwas dabei, so dass das Feuer für eine kurze Zeit gelöscht wird. Doch dieser Plan stellt in keinster Weise sicher, dass der Balkan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auf die europäische Solidarität setzen kann. Nach wie vor steht die Solidarität vor einer Bewährungsprobe - und von dieser hängt der Erhalt der EU ab." (27.10.2015) 

Duma - Bulgarien
Balkan-Gipfel zielt auf einen faulen Deal 
Die auf dem Krisentreffen vereinbarten Maßnahmen stinken der linken Tageszeitung Duma gewaltig: "Juncker will im Grunde, dass die Flüchtlinge in den Balkanländern festgehalten werden. Wie sonst soll man seine Worte verstehen, wenn er sagt, dass die jetzige 'Politik des Durchwinkens' nicht akzeptabel sei? Er hat aber nicht gesagt, was wir mit den hunderttausenden Menschen machen sollen, die nicht einen einzigen Tag in Bulgarien, Griechenland, Mazedonien oder irgendwo sonst auf der Balkanroute bleiben wollen, sondern mit aller Kraft versuchen, nach Deutschland, Österreich, Schweden und so weiter zu gelangen. Sollen wir sie verhaften, einsperren, in Konzentrationslager stecken und verhauen oder was? … Bulgarien war schon einmal die blutige Schwelle, an der die Osmanen auf ihrem Eroberungszug nach Europa steckengeblieben sind. Ein zweites Mal braucht unser Land das nicht zu werden." (27.10.2015) 

Protagon.gr - Griechenland
50.000 Plätze in Griechenland sind utopisch 
Von den 100.000 zusätzlichen Aufnahmeplätzen für Flüchtlinge sollen laut Schlusserklärung des Krisengipfels 50.000 in Griechenland entstehen. Laut dem für Migration zuständigen Vizeminister Ioannis Mouzalas sollen 20.000 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht werden, deren Mieten vom UNHCR gezahlt werden. Dies wird nicht klappen, glaubt das liberale Webportal Protagon: "Bis die Räume, in denen diese Menschen untergebracht werden sollen, gefunden, überprüft und vermietet werden, wird wahrscheinlich die Krise in ihren Heimatländer zu Ende sein. … Die Chancen, dass dieser Plan klappt, stehen schlecht. Der griechische Staat ist nicht einmal in der Lage, seine eigenen Dienststellen in verfügbare Gebäude umzulagern - wie sollte er es da schaffen, für Tausende von Flüchtlingen zu sorgen? ... Wenn einige kompetente Menschen den Plan umzusetzen versuchen, ist es denkbar, benachteiligte Stadtteile, Geistergebäude und vergessene Straßen mit Leben zu füllen. Aber wer denkt wirklich, dass dies der Fall sein wird?" (26.10.2015) 


Zur Situation in Schweden:
Jyllands-Posten - Dänemark

Auch Schwedens Idealismus kennt Grenzen

Schweden erwartet in diesem Jahr laut aktuellen Prognosen bis zu 190.000 Asylbewerber. Das für seine generöse Asylpolitik bekannte Land ist nun gezwungen, der Realität ins Auge zu blicken, konstatiert die liberal-konservative Tageszeitung Jyllands-Posten: "Die Einheitsfront gegen die [rechtspopulistischen] Schwedendemokraten ist zerbröckelt. Eine Partei nach der anderen rettet sich in die Wirklichkeit und entfernt sich von dem romantischen Selbstbetrug, an den sich Politik und Medien bisher in unschöner Liaison geklammert hatten. Nun nimmt man Kurs auf eine schnellere Behandlung der Asylanträge, führt mehr Grenzkontrollen durch und unterstützt die EU-Pläne für Auffanglager in Südeuropa. ... Kürzlich noch schwang sich Premier Stefan Löfven zum moralischen Richter über Länder auf, die angesichts des Zustroms von Flüchtlingen just jene Maßnahmen ergriffen. Nun muss auch Schweden eingestehen, dass der Idealismus Grenzen hat: Man tut genau das Gleiche." (23.10.2015)

Montag, 26. Oktober 2015

Die Frankfurter Allgemeine über TTIP

"Nach einer im Juli publizierten Umfrage der EU-Kommission sind 51 Prozent der Deutschen gegen das Abkommen, nur 31 Prozent dafür." (faz.net, 25.10.15)

mehr zu TTIP

Übrigens, der obige Satz aus faz.net ist aus dem Zusammenhang gerissen. Der findet sich unter der sinnigen Überschrift: Die TTIP-Gegner nerven! Weiter heißt es da: "Transparentere Verhandlungen über ein Handelsabkommen gab es nie."
Wenn das mal nicht überzeugend ist!

Eurotopics: Die Flüchtlingskrise und eine ihrer Ursachen

Die Tageszeitung taz - Deutschland
Flucht nach Europa: EU macht Balkan zur Transitzone 
Auf einem Gipfel in Brüssel haben sich zwölf europäische Staaten am Montagmorgen auf einen 17-Punkte-Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geeinigt. Unter anderem sollen entlang der Balkanroute 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge entstehen. Der Balkan muss nun die Folgen der europäischen Abschottungspolitik ausbaden, kritisiert die linke taz: "Der Balkan soll zur Transitzone werden, in der 'berechtigte' und 'chancenlose' Flüchtlinge registriert, aussortiert und abgeschoben werden. ... Statt die Flüchtlinge wie bisher von einem zum anderen Land durchzuwinken, sollen die Balkanstaaten sie nun in sogenannten Hotspots zurückhalten. ... Dass das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR beim Aufbau mitwirken soll, macht die Sache nicht besser. Die Uno liefert, wenn nicht alles täuscht, nämlich nur das humanitäre Feigenblatt für eine knallharte Abschottungspolitik. Weil es Juncker und Merkel trotz ihrer zynischen Anbiederung beim türkischen Präsidenten Recep Erdoğan noch nicht geschafft haben, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, sollen nun die Balkanstaaten die Drecksarbeit erledigen." (26.10.2015) 

Delo - Slowenien
Flucht nach Europa: Willkommenskultur führt nicht weit 
Das Sondertreffen zur Zukunft der Balkanroute am gestrigen Sonntag hat keinerlei Bewegung gebracht, kritisiert die linksliberale Tageszeitung Delo und sieht ein grundsätzliches Versagen der EU in der Flüchtlingskrise: "Der Kampf mit der Krise war bisher ein großer Reinfall. Gefasste Beschlüsse und scheinbare Lösungen sind weit entfernt von einer Umsetzung. … Auch im breiteren Kontext ist die EU machtlos, da bei der Stabilisierung der Lage und des Friedensprozesses in Nahost andere regionale und Weltakteure wirken. Um die Krise zu überleben, wird die EU früher oder später unangenehmere Maßnahmen ergreifen müssen, die alles andere als eine Willkommenskultur sind. So oder so wird sie nach der Logik der Festung Europa ihre Grenzen strenger schützen und systematisch Menschen zurückführen müssen. … Es geht dann nicht mehr um einen chaotischen Exodus über den Balkan, sondern um eine organisierte Umsiedlung der Ausgewählten. Die Tragödie der Flüchtlinge wird dadurch nicht kleiner." (26.10.2015) 

The Independent - Großbritannien
Blair und Bush hätten Irak nicht besetzen dürfen 
Der britische Ex-Premier Tony Blair hat in einem Interview am Sonntag erstmals eingeräumt, dass die Invasion im Irak 2003 den Aufstieg der Terrorgruppe IS begünstigt hat. Das wahre Problem war jedoch die Okkupation des Landes nach dem Sturz des Präsidenten Saddam Hussein, meint die linksliberale Tageszeitung The Independent: "Man könnte behaupten, dass die meisten Iraker den Sturz Saddams herbeisehnten, um dessen katastrophale Regentschaft damals zu beenden. Doch die USA und Großbritannien gingen einen Schritt weiter, indem sie den Irak besetzten. Und es war der Krieg gegen diese Besetzung, der von Sunniten und Schiitengetrennt geführt wurde, der das Land zerstörte und es Al Qaida ermöglichte, dort Fuß zu fassen. ... Der irakische Staat, den die USA und Großbritannien nach eigener Aussage wieder errichteten, besaß in den Augen der Iraker von Beginn an keine Legitimation, weil er ein so offensichtlich von fremder Hand geschaffenes Gebilde war." (25.10.2015) 

Freitag, 23. Oktober 2015

Arbeitgeber erreichten ein Vertriebsstopp eines Buchs der Bundeszentrale für politische Bildung

Im Februar 2015 erschien bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ein Sammelband zur sozioökonomischen Bildung.
Daraufhin forderte am 5. Juni 2015 Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), in einem Schreiben die bpb dringend auf, 
das Buch nicht weiter zu vertreiben. Die Publikation enthalte, so Clever, "ideologische" und "voreingenommene Anschuldigungen" hinsichtlich der Öffnung von Schulen für Unternehmen und des zunehmenden Lobbyismus an Schulen. [...] Das Bundesinnenministerium als vorgesetzte Behörde der bpb hat umgehend und ohne Prüfung der Vorwürfe ein Vertriebsverbot ausgesprochen. 
mehr dazu

Der Band Ökonomie und Gesellschaft wird daher bei der Bundeszentrale weiter als vergriffen bezeichnet

"Inzwischen hat sich auch der wissenschaftliche Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Fall befasst. Das Ergebnis ist, wie man hört, eine Niederlage für das Innenministerium: Die große Mehrheit der Experten stimmte für eine Aufhebung des Vertriebsverbotes." (SPON, 26.10.15)

Zu recht stellt der Spiegel die sich selbst entlarvende Äußerung Peter Clevers heraus:
"Besonders echauffiert hatte sich Arbeitgeber-Geschäftsführer Clever in seinem Brandbrief übrigens über das Kapitel zum Thema Lobbyismus. Es werde ein "monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet", schrieb er darin."*
Und bemerkt dazu: 
"Vielleicht ist ja auch der Versuch des BDA, ein Wirtschaftsbuch aus dem Verkehr zu ziehen, künftig ein gutes Beispiel für den Unterricht." (SPON, 26.10.15)
 Offenbar gibt es weiter viel Arbeit für Lobbycontrol – Initiative für Transparenz und Demokratie

vgl. auch:
Abgeordnetenwatch: Bundestag muss Lobbyisten offenlegen ZEIT 18.6.15

Wenn Sie das Verwaltungsgericht Berlin in seiner Forderung unterstützen wollen, der sich die CDU/CSU-Fraktion hartnäckig widersetzt, ist hier Gelegenheit

Bundestag verweigert Herausgabe der Namen von Lobbyisten SZ 22.10.15

SPD veröffentlicht Lobbyisten-Liste faz.net 23.10.15
"Lange weigerte sich die SPD, eine Liste der Lobbyisten vorzulegen, denen sie Hausausweise zum Bundestag verschafft hat. Jetzt hat sie überraschend ihre Haltung geändert. Auf der Liste finden sich mehrere Großkonzerne."

*Hier eine weitere Fragwürdigkeit vom Arbeitgeberverband.

Stellungnahme der Nachdenkseiten zu Lobbyismus und Propaganda/Indoktrination an den Schulen
Der Kampf um die Indoktrination unserer Kinder mit neoliberalen Gedanken nimmt an Fahrt auf (mit einem Aufruf an unsere Leser am Ende des Textes) 27.10.15
[...] Negativer Vorreiter in Sachen Wirtschaftslobbyismus in der Schule ist dabei das Land Baden-Württemberg. Dort wird im kommenden Schuljahr bundesweit zum ersten Mal das Fach „Wirtschaft“ zu einem Pflichtfach an allen allgemeinbildenden Schulen. Dies ist ein großer Lobbyerfolg der „Dieter von Holtzbrinck Stiftung“, die über ihre Initiative „Wirtschaft Verstehen Lernen“ dem Land eine Rundumbetreuung anbietet. Man stellt nicht nur Unterrichtsmaterial (z.B. Inhalt aus dem zum Holtzbrinck-Verlag gehörenden Handelsblatt) zur Verfügung, sondern sorgt auch gleich mit einer gestifteten Honorarprofessur an der Universität Tübingen dafür, dass die künftigen Wirtschaftslehrer marktliberal ausgebildet und indoktriniert werden. Verantwortlich für die Einführung des Pflichtfachs „Wirtschaft“ ist, wen wunder es, die grün-rote Landesregierung.
Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, dass die Schüler lernen, was Soll und Haben sind, wie ein Kredit funktioniert oder welche Aufgaben die EZB hat. Es geht vielmehr darum, wie diese Fragen gedeutet werden. Wer „weiß“, dass der Mindestlohn Arbeitslosigkeit befördert, wird auch keine Partei wählen, die den Mindestlohn erhöhen will. Wer „weiß“, dass der Staat einen effizienten Markt durch Regulierungen verhindert, wird Liberalisierung und Privatisierungen fordern. Und wer „weiß“, dass niedrige Zinsen die Inflation treiben, wird in den Chor derer einstimmen, die die EZB zu einer Zinserhöhung treiben wollen. Oder zugespitzt: Wer in der Schule mit neoliberaler Propaganda indoktriniert wurde, funktioniert auch im späteren Leben genau so, wie sich dies die neoliberalen Vordenker wünschen. [...]
Nachtrag:
Innenministerium hebt Vertriebsverbot wieder auf, SPON 29.10.15

Sieh auch:
Lobbyismus an Schulen, heute: RWE und die Braunkohle  2.11.15

Mein Hinweis auf einen neuen ZUM-Wiki-Artikel zu Lobbyismus an Schulen, Fontanefan 17.11.15

EU-Regierungschefs suchen Lösung für Balkanroute

Die Regierungschefs von acht EU-Staaten sowie von Serbien und Mazedonien wollen am Sonntag in Brüssel über die Flüchtlingssituation auf der sogenannten Balkanroute beraten. Das ist eine große Chance für die am stärksten betroffenen Länder, eine gemeinsame Linie zu finden, meinen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass sich die Staaten längst auf eine restriktive Asylpolitik geeinigt haben. (eurotopics Presseschau vom 23.10.15)

Jutarnji List - Kroatien
Umgang mit Balkanroute gemeinsam regeln 
Der Flüchtlingsgipfel der meistbetroffenen europäischen Staaten ist eine sehr gute Möglichkeit, klare Absprachen zu treffen, meint die liberale Tageszeitung Jutarnji list: "Merkel wird den anderen Staatschefs mitteilen müssen was Deutschland tun will, beziehungsweise ob und wann es die Annahme von Flüchtlingen verlangsamen oder stoppen möchte. Von ihr erwarten Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien Antworten. Alle fürchten, dass ein Stopp einen Rückstau in Richtung Süden verursachen würde. ... Dies wird eine einmalige Chance für alle, ihre Meinung zu äußern und sich nicht gegenseitig über die Medien und bilaterale Treffen zu beschuldigen. Alle sitzen in einem Boot, sie können die Krise nur gemeinsam meistern. Die Alternative wäre, die Flüchtlinge von Grenze zu Grenze zu jagen und sich weiterhin gegenseitig die Schuld zuzuschieben." (23.10.2015) 

Le Figaro - Frankreich
Mythos vom sicheren Hafen Europa zerbricht 
Die europäischen Politiker müssen in der Flüchtlingskrise endlich die Wahrheit sagen, fordert die konservative Tageszeitung Le Figaro: "Europa wirkt ohnmächtig, voller Risse. Dabei sind die Europäer in ihrer Reaktion auf diese Herausforderung vereinter, als ihre Regierenden dies vermitteln. Angela Merkel findet sich damit ab, dass Deutschland jetzt 'die Schattenseite der Globalisierung' erlebt und Jean-Claude Juncker vergießt Tränen über das nach innen gerichtete Europa. Beide liegen jedoch daneben. Man kann bedauern, dass nur Viktor Orbán die Wahrheit sagt: Keine Nation hat ihren Regierenden das Mandat erteilt, unkontrolliert hunderttausende Flüchtlinge aufzunehmen. Entgegen der Diskurse verschärfen die Länder ihre Überwachungs- und Abschiebemaßnahmen für illegale Zuwanderer. Selbst 'Mama Merkel' plant, 200.000 abgewiesene Asylbewerber mit Militärflugzeugen zurückzubringen. Der Mythos von Europa als friedlicher Zufluchtsort ist dabei zu zerbrechen: für jene, die ihn geschaffen haben, aber auch für die Migranten, die an ihn geglaubt haben." (22.10.2015) 

Le Jeudi - Luxemburg
Angst der EU vor Flüchtlingen ist lächerlich 
Dass viele EU-Staaten sich immer noch gegen die Verteilungsquote für Flüchtlinge stellen, ist nach Ansicht der linksliberalen Wochenzeitung Le Jeudi nicht hinnehmbar: "All diese Blockaden werden nur zur Katastrophe führen. Deutschland kann die Aufnahme der Flüchtlinge nicht allein bewältigen. Daher ist die Abschottung der osteuropäischen Länderinakzeptabel. ... Die aktuelle Ausweglosigkeit hat Europa selbst zu verantworten. Der Kontinent muss auf den Weg der Würde zurückfinden. Gegenüber den Migranten und gegenüber sich selbst. Der Rest erinnert an die Geschichte eines Elefanten, der Angst vor einer Maus hat. Sollte die EU eine Million Flüchtlinge aufnehmen, wären dies 0,2 Prozent seiner Bevölkerung. Es muss einem wirklich das Vertrauen in unsere Werte und Kulturmodelle fehlen, um zu denken, dass das europäische Haus einstürzt, wenn es seine Türen öffnet." (22.10.2015) 

Jyllands-Posten - Dänemark
Auch Schwedens Idealismus kennt Grenzen 
Schweden erwartet in diesem Jahr laut aktuellen Prognosen bis zu 190.000 Asylbewerber. Das für seine generöse Asylpolitik bekannte Land ist nun gezwungen, der Realität ins Auge zu blicken, konstatiert die liberal-konservative Tageszeitung Jyllands-Posten: "Die Einheitsfront gegen die [rechtspopulistischen] Schwedendemokraten ist zerbröckelt. Eine Partei nach der anderen rettet sich in die Wirklichkeit und entfernt sich von dem romantischen Selbstbetrug, an den sich Politik und Medien bisher in unschöner Liaison geklammert hatten. Nun nimmt man Kurs auf eine schnellere Behandlung der Asylanträge, führt mehr Grenzkontrollen durch und unterstützt die EU-Pläne für Auffanglager in Südeuropa. ... Kürzlich noch schwang sich Premier Stefan Löfven zum moralischen Richter über Länder auf, die angesichts des Zustroms von Flüchtlingen just jene Maßnahmen ergriffen. Nun muss auch Schweden eingestehen, dass der Idealismus Grenzen hat: Man tut genau das Gleiche." (23.10.2015) 

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Stimmung in der Flüchtlingsfrage

The Malta Independent - Malta
Offenheit gegenüber Migranten weicht Zweifeln 
Die Stimmung unter den Deutschen ist angesichts der anhaltend großen Zahl ankommender Migranten in den vergangenen Wochen sichtbar gekippt, analysiert die liberal-konservative Tageszeitung The Malta Independent: "Der plötzliche und unerwartete Zustrom so vieler Menschen aus einer fremden Kultur und Zivilisation hat eine große Schockwelle in der deutschen Bevölkerung ausgelöst. Es gibt jetzt viele Deutsche, die ernste Zweifel haben, was diese Migrationswelle angeht. ... Deutschland hat keinen so stark fremdenfeindlichen Rand, wie ihn andere Länder wie etwa Ungarn, Finnland oder Dänemark haben. Nichtsdestotrotz hat der plötzliche Zustrom von Migranten begonnen, einen dunklen Schatten auf die deutsche Provinz zu werfen. Übergriffe gegenüber Zuwanderern nehmen zu, und jedem Zwischenfall, an dem Migranten beteiligt sind, wird plötzlich große Bedeutung zugemessen." (20.10.2015) 

Deutschlandfunk - Deutschland
Deutschland muss Landsleute integrieren 
Nicht nur Flüchtlinge, sondern auch die fremdenfeindlichen und zu Gewalt aufrufenden Pegida-Demonstranten müssen in Deutschland integriert werden, findet der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk: "Pegida behindert und vergiftet mit rechtsextremistischer Folklore die Debatte über Integration. ... Wären diese Leute in ihrer Kindheit öfter einmal in den Arm genommen worden, hätten sie Empathie erlebt und erlernt, sie verspürten wohl nicht den würgenden Reiz, sich ausgerechnet vor Gottfried Sempers Prachtbau [Opernhaus in Dresden] entleeren zu müssen. Sie behaupten, sie wollten das Abendland retten und lassen Konzentrationslager hochleben. Entwurzelte, die sich auf der Flucht befinden vor den moralischen Werten des Abendlandes, für die auf diesem Kontinent so unendlich viele Menschen gestorben sind. Flüchtlinge gelangen also nicht nur über die Grenzen zu uns. Wir haben auch ein Integrationsproblem mit einigen Landsleuten." (20.10.2015) 

Der Standard - Österreich
Pegida will mittlerweile nur noch hetzen 
Seit einem Jahr gehen Pegida-Anhänger regelmäßig auf die Straße. Die Bewegung ist seit ihrer ersten Montagsdemonstration radikaler geworden, analysiert die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Heute ist bei Pegida ganz offen von Konzentrationslagern und 'Moslem-Müllhalden' die Rede. Es geht ganz konkret gegen die Asylpolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, um deren Hals sich Demonstranten auch die Schlinge eines Galgens wünschen. Mit den Pegida-Chefs noch irgendein Gespräch zu führen, ist mittlerweile sinnlos geworden. Es sind Akteure, die nicht auf Ängste hinweisen, sondern hetzen wollen. Dennoch darf man ihnen nicht einfach die Straße überlassen. Es ist gut, dass viele wieder gegen Pegida aufstehen und ein anderes Bild von Dresden zeigen wollen. Auch Politik, Justiz und Polizei müssen diese radikalen Töne ein Auftrag sein: Es darf gegen diese Hetzer null Toleranz geben." (21.10.2015) 

Asylsuchende und Zugewanderte in eine demokratische Gesellschaft der Vielfalt integrieren

(Bundesausschuss Politische Bildung)

21.10.2015 -
(pm) Hunderttausende kommen in unser Land, weil sie Schutz suchen und sich ein friedvolles und besseres Leben wünschen. Beeindruckend ist, wie die Flüchtlinge mit offenen Armen aufgenommen und willkommen geheißen werden, wie viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren und große Hilfsbereitschaft zeigen.

215 Bürgermeister schreiben Brandbrief an Merkel ZEIT online 21. Oktober 2015
"Die Möglichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen seien erschöpft, schreiben Bürgermeister aus Nordrhein-Westfalen an die Kanzlerin. Die Kommunen seien überfordert."

Merkel:  „Da sind wir ja schon drei.“

Diskussion in USA:
U.S. Is Debating Ways to Shield Syrian Civilians

By MARK MAZZETTI and PETER BAKER

The debate comes as the refugee crisis in Europe and Russia's military intervention in Syria have increased pressure on President Obama to take more forceful action.


Mittwoch, 21. Oktober 2015

Demokratie in Gefahr

Demokratie als Auslaufmodell. Konzerne übernehmen zunehmend Aufgaben der Politik
FR 20./21.10.15 Von ROMAN HERRE
"Konzerne [...] verstehen sich als wichtigen Politikgestalter und kaum jemand hinterfragt das – am wenigsten die Politik. [...] Ein Kristallisationspunkt für eine systematische Beteiligung an Politikprozessen war die  [...] Globale Neugestaltungsinitiative (Global Redesign Initiative). [...] 
Diese Entwicklung findet mittlerweile Ausdruck in neuen, kaum ins deutsche übersetzbaren Wortkonstrukten. ‚Corporate Capture‘ etwa bezieht sich auf die Übernahme von öffentlichen Aufgaben und Prozessen durch Unternehmen. ‚Stakeholderization‘ bezeichnet den Trend, die klare völkerrechtliche und staatsrechtliche Zuordnung unterschiedlicher Rollen und Verantwortlichkeiten aufzubrechen und mit der Wirtschaft zusammen und ‚auf Augenhöhe‘ Politik zu gestalten. [...]
Das für Ernährung zuständige Koordinierungsgremium der Vereinten Nationen (Standing Committee on Nutrition, SCN) weigerte sich 2004, Nahrungsmittelkonzerne systematisch in politische Entscheidungsprozesse einzubinden. Daraufhin wurde dem Gremium die Finanzierung zusammengestrichen und es für arbeitsunfähig erklärt. Parallel wird nun die von Ernährungskonzernen maßgeblich mitgestaltete neue SUN-Initiative (Scaling Up Nutrition) von den ehemaligen Geldgebern des SCN finanziert. Mission erfolgreich: Heute sitzen Nahrungsmittel- und Chemiekonzerne (Unilever, Cargill, BASF, PepsiCo…) in der neuen ‚Multi-Stakeholder-Initiative‘ SUN mit am Tisch und können ihre ernährungspolitisch und menschenrechtlich hoch problematische Expansionsstrategie unter dem Etikett der beteiligten Regierungen und Organisationen der Vereinten Nationen vorantreiben.
So wird letztendlich Akteuren, die nicht vom Wähler legitimiert sind, schrittweise Zugriff auf Politikprozesse eingeräumt und demokratische Prinzipien werden zum Auslaufmodell erklärt."

Jean-Marie Guehenno ja schon 1993 das "Ende der Demokratie" vorausgesagt.

Steuergelder gegen TTIP-Kritiker

235.794 Euro Steuergelder gegen TTIP-Kritiker, heise.de

 20.10.2015

"Bundesregierung schlüsselt auf Nachfrage Kosten für Zeitungsanzeigen des Wirtschaftsministers auf

Parallel zur Großdemonstration gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in mehreren überregionalen Tageszeitungen Anzeigen gegen die Protestaktion schalten lassen – und damit selbst für Widerspruch gesorgt.
Die Kritik an dem Vorgehen dürfte sich nun noch verschärfen, nachdem die Bundesregierung auf Nachfrage aus der Linksfraktion die Zahlen für die Anzeigenkampagne bekannt gegeben hat. 235.794 Euro haben die großflächigen Annoncen in fünf Zeitungen demnach gekostet. Erschienen war der Text mit dem Porträt des SPD-Politikers unter anderem in der taz, der Süddeutschen Zeitung und dem Tagesspiegel."

Dienstag, 20. Oktober 2015

Internationale Stimmen zur gegenwärtigen Flüchtlingssituation

Hospodářské noviny - Tschechien
Europa darf Berlin nicht allein lassen 
Angela Merkels Mission in der Türkei wäre weniger kompliziert, wenn sie in der Flüchtlingskrise auf die Solidarität der übrigen Europäer setzen könnte, bemerkt die wirtschaftsliberale Hospodářské noviny: "Die Türkei geniert sich nicht, für einen Vertrag, auf dessen Grundlage die Flüchtlinge zurückgehalten werden könnten, einen Batzen Geld zu verlangen. ... Ideal wäre es deshalb, wenn die Europäer gemeinsam an einem Strang zögen und Merkel Hilfe in Form von freien Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen anböten. Zudem sollten sie einen gesamteuropäischen Konsens herstellen, um der türkischen Erpressung wirksam zu begegnen. Leider sieht es nicht danach aus. Namentlich auch die tschechischen Politiker zeigen sich unbelehrbar, populistisch und eigensinnig. Merkel steht allein da." (19.10.2015) 

Die Welt - Deutschland
Gefährlicher Rückstau auf dem Balkan 
Dass die Situation in den Ländern der Balkanroute komplett aus dem Ruder zu laufen droht, ist die Schuld der untätigen Regierungen der EU-Staaten, klagt die konservative Tagezeitung Die Welt: "Es braucht keine Rechenkunst, um zu wissen, dass sich dort ein gefährlicher Rückstau bildet. Gefährlich daran ist vor allem, dass Verzweiflung und Wut der Menschen vor Ort bald in Gewalt umschlagen werden. ... Es war absehbar, dass die südosteuropäischen Länder irgendwann aus Überforderung die weiße Fahne hissen würden. Es war absehbar, dass der Flüchtlingsansturm die Hilfsbereitschaft der ärmeren EU-Staaten testen würde. Trotzdem ist die EU sehenden Auges in diese Lage geschlittert, ohne dass man sich rechtzeitig auf eine gemeinsame Strategie verständigt hätte. Ein unilaterales 'Wir schaffen das' hilft da genauso wenig wie das Mauern der Osteuropäer, die nicht im Traum daran denken, sich Merkels Versprechen anzuschließen. Dabei führt kein Weg an einem Verteilungsschlüssel und einer Sicherung der Außengrenzen vorbei." (20.10.2015) 

Jutarnji list - Kroatien
Flüchtlingsstrom überfordert Kroatien 
Nur eine Frage der Zeit ist es nach Ansicht der liberalen Tageszeitung Jutarnji list, bis in Osteuropa neue Grenzzäune errichtet werden: "Panik ist das Schlimmste, was den nach Kroatien Flüchtenden derzeit passieren kann. Doch die Situation verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die Menschenmasse an der serbisch-kroatischen Grenze ist größer als Slowenien bereit ist aufzunehmen, und nach dem jetzigen Stand der Dinge wird sich daran so schnell auch nichts ändern. Unter solchen Umständen gibt es nur zwei Lösungen: Entweder Deutschland, Schweden und Österreich garantieren, dass sie bereit sind, alle Flüchtlinge aufzunehmen. Oder Kroatien wird bald seine Grenze zu Serbien schließen müssen. Dies wäre die unglücklichste Lösung aber unvermeidlich, wenn sich der Staat nicht in ein riesiges Auffanglager verwandeln will - für das weder die materiellen noch die psychologischen Voraussetzungen gegeben sind." (20.10.2015) 

Delo - Slowenien
EU ist wie der Wilde Westen 
Dass die Flüchtlinge auf ihrer Route in den Westen auf Grenzen stoßen, ärgert die linksliberale Tageszeitung Delo: "Diejenigen, die vor der Gewalt in ihrer Heimat geflüchtet sind, haben gedacht, sie erreichen den freien Westen, das gelobte Land, wo Milch und Honig fließen. Doch sie sind in den Wilden Westen gekommen, wo lokale Sheriffs eigenmächtig Zäune errichten und bereits abgeschaffte Grenzen neu ziehen und damit Verträge der Gemeinschaft aufheben. Währenddessen tun diejenigen, die gewählt und nach Brüssel entsandt worden sind, um die Gemeinschaft zu führen, so, als wäre alles in Ordnung. ... Die Flüchtlingskrise hat zudem gezeigt, dass es keine Staatsmänner alten Formats mehr gibt, die sich zusammensetzen und sich auf eine langfristige Politik gegenüber den Ankommenden einigen können." (20.10.2015) 

Samstag, 17. Oktober 2015

Erkenntnis aus dem VW-Skandal

Es bedarf vielfältiger Produktprüfungen nicht Standardisierung. Dazu Sven Giegold in der FR , 8.10.15

VW-SKANDAL: Kontrolle ist besser
"Wenn die Ziele eines Zulassungsverfahrens identisch sind, sollten sich Industrieländer zumindest doch gegenseitig vertrauen können – so die TTIP-Lehre. Wie trügerisch das sein kann, hat nun der Diesel-Skandal offengelegt.
Die USA und die EU kontrollieren die Einhaltung von Abgaswerten eigenständig. Eine automatische Übernahme von Messwerten aus Europa existiert genauso wenig wie identische Grenzwerte. Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es eigenständige Institutionen zur Abgasmessung, die sich nicht blind gegenseitig vertrauen. Würden Abgastests im Zuge diverser bilateraler Handelsabkommen gegenseitig anerkannt, wäre es schwerer, Skandale aufzudecken. Der verbreitete Filz zwischen Automobilindustrie, von Drittmitteln abhängiger Wissenschaft, Verwaltung und Politik in Deutschland könnte dann seine Ergebnisse gleich weltweit zur Geltung bringen. In anderen Ländern und Wirtschaftssektoren gibt es entsprechende Netzwerke."

Freitag, 16. Oktober 2015

Globalen Handel gestalten – TTIP & Ceta verändern

Globalen Handel gestalten – TTIP & Ceta verändern, 13.10.15
Fachkonferenz der Parlamentarischen Linken vom 2.10.15

[...] Die Stoßrichtung war klar: Freier Handel sollte eine dienende Funktion für die Gesellschaft erfüllen und nicht dem Interesse der Einzelunternehmer nach gestaltet werden. Nicht nur die Harmonisierung oder der Abbau von so genannten Handelshemmnissen, sondern auch die Ausweitung der progressiven Dimensionen der Handelspolitik müssen politisch durchgesetzt werden.
Die widerstreitenden Ansätze betreffen die normalerweise eher verborgen wirkende Fachpolitik der Handelspolitik einerseits und der globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele andererseits. Durch TTIP und CETA gibt es plötzlich eine neue Öffentlichkeit für diese Politikfelder. Herta Däubler-Gmelin plädierte für einen Vorrang des demokratischen Verfahrens. Der ideologische Vorrang der Privatisierung ziehe sich wie ein roter Faden durch alle gegenwärtigen Freihandelsabkommen. Den Ansatz, die Abkommen in geheimen Exekutivausschüssen weiterzuentwickeln, kritisierte daneben auch der Vertreter von Foodwatch, Martin Rücker. So geht es in der ganzen Diskussion nicht nur um die Offenlegung der Verhandlungsdokumente oder die Transparenz der zukünftigen Regulierung, sondern vornehmlich um die Herstellung von demokratischer Öffentlichkeit.  [...]

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Vermischte europäische Zeitungsartikel von Eurotopics

Savon Sanomat - Finnland
Airlines haben Gefahr unterschätzt 
Der Abschlussbericht bringt das Versagen der Fluggesellschaften deutlich zutage, erklärt die liberale Tageszeitung Savon Sanomat: "Die Schuldfrage ist weiterhin ungeklärt. Vielleicht bekommen wir dazu mehr Klarheit, wenn die derzeit laufende strafrechtliche Untersuchung im Laufe des nächsten Jahres abgeschlossen ist. Einen schweren Fehler hat der Bericht der niederländischen Ermittler jedoch aufgedeckt. Obwohl in der Ostukraine schon lange vor dem Abschuss der Maschine gekämpft wurde und in der Region mehrere Militärmaschinen abgeschossen worden waren, war man allgemein der Auffassung, dass die zivile Luftfahrt normal weitergehen könne. Dies haben die ukrainischen Behörden geglaubt, Malaysia Airlines und weitere 60 Fluggesellschaften, deren Maschinen im Luftraum der Ostukraine in einer Höhe von rund zehn Kilometern flogen. So darf man nicht noch einmal denken." (14.10.2015) 

The Guardian - Großbritannien
Ukraine hat wohl nur durch Absturz überlebt 
Zwar ist noch immer unklar, ob die prorussischen Separatisten hinter dem Abschuss von MH17 stehen, fest steht, dass sie einen hohen Preis dafür zahlen mussten, analysiert Kolumnistin Mary Dejevsky in der linksliberalen Tageszeitung The Guardian: "Im Nachhinein könnte es sich herausstellen, dass die Rebellen sogar einen höheren Preis zahlen müssen als Moskau. Dieser katastrophale Fehler - und es war ein Fehler - kostete sie letztlich die lebenswichtige Hilfe aus Moskau. ... Moskaus Unterstützung, die aus meiner Sicht stets überschätzt wurde, begann im vergangenen Herbst abzunehmen. Putin wandte sich Syrien zu, die ostukrainischen Rebellen wurden weitgehend sich selbst überlassen. Das zweite Minsker Abkommen hält. Eine politische Lösung ist wahrscheinlich geworden. Die perverse langfristige Folge des Abschusses von MH-17 könnte gar das Überleben der Ukraine (ohne Krim) als einheitlicher Staat sein." (13.10.2015) 

Linie

Tages-Anzeiger - Schweiz
EU will Belarus als Puffer gegen Russland 
In Belarus ist Staatspräsident Alexander Lukaschenko am Sonntag offiziell mit 83,5 Prozent wiedergewählt worden. Beobachter der OSZE kritisierten den Wahlablauf. Dass die EU ihre Sanktionen gegen Minsk trotzdem vorerstaussetzen will, hat geopolitische Gründe, analysiert der linksliberale Tages-Anzeiger: "Mit der Begnadigung von sechs politischen Gefangenen im August hat Lukaschenko … eine zentrale Forderung der EU erfüllt. Indem die Wahlen nun immerhin ohne Massenverhaftungen abliefen, bestand Minsk den letzten Test. Mit der Aussetzung der Sanktionen vollziehen die europäischen Regierungen eine Wende in der Politik gegenüber ihren Nachbarn: Die Sanktionen wurden verhängt, weil Lukaschenko Regimegegner verfolgt. Das tut er nach wie vor. Aufgehoben werden sie jetzt aus geopolitischer Erwägung. Man braucht ihn als Puffer gegenüber Russland und als Partner für die Ukraine." (14.10.2015) 

Delfi - Litauen
Litauen braucht einen guten Draht nach Minsk 
Ein enger Kontakt mit Minsk ist in diesen Monaten insbesondere für Litauen sehr wichtig, findet das Online-Portal Delfi und erklärt warum: "Ein lebenswichtiges Thema für Litauen ist das [belarussische] AKW Ostrowets. Dieses wird knapp 50 Kilometer von Vilnius entfernt gebaut und wird mit Wasser aus dem Neris [zweitgrößter Fluss Litauens] gekühlt werden müssen. Bei einem Unfall würde ein Teil Litauens in eine radioaktiv hoch belastete Zone geraten, und im Fall eines Abflusses in die Neris wäre unser Trinkwasser sogar bis hoch nach Kaunas [zweitgrößte Stadt Litauens] verschmutzt. Somit betrifft dieses Thema die nationale Sicherheit. Es ist keine Lösung, das Thema mit einer Ausgrenzung des Lukaschenko-Regimes zu umgehen oder [Belarus] mit Tadeln zu überschütten. Im Gegenteil, gerade jetzt ist die Zeit reif für Gespräche, vielleicht sogar auf höchstem Niveau. Das Ziel dieser Gespräche wäre, Litauen vor einer möglichen Katastrophe zu schützen." (14.10.2015) 


Süddeutsche Zeitung - Deutschland
Flucht nach Europa: Merkel fährt als Bittstellerin zu Erdoğan 
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht am Sonntag die Türkei, um mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Premier Ahmet Davutoğlu unter anderem über den Syrienkrieg und die Flüchtlingskrise zu sprechen. Merkel hat eine schwierige Mission, meint die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Die Flüchtlingskrise hat die EU und besonders Deutschland in die Rolle desBittstellers gedrängt. Der Umgang mit der Türkei erzwingt einen neuen Realismus. ... [Deutschland] kann sich bemühen, seine Vorstellungen einer vernünftigen Flüchtlingspolitik durchzusetzen. ... Der Preis: Die Türkei wird die Visafreiheit für ihre Staatsbürger verlangen sowie den Status als sicheres Herkunftsland trotz aller innenpolitischer Repressalien. ... Merkels Besuch darf Recep Tayyip Erdoğan nicht aufwerten, sondern muss dem zweifelnden Teil der türkischen Bevölkerung die EU-Sicht klar machen: Die Visafreiheit ist überfällig. Zu einem sicheren Drittstaat gehört aber das Ende der politischen Repression und die Rückkehr zur Versöhnungspolitik mit der Kurdenpartei HDP." (14.10.2015) 

Večernji list - Kroatien
Orbán sabotiert Adria-Baltikum Achse 
Während die meisten Staatschefs Osteuropas bemüht sind, eine strategische Achse Adria-Baltikum aufzubauen, sabotiert Ungarns Premier Viktor Orbán das Projekt immer wieder, bedauert die konservative Tageszeitung Večernji list: "Energiesicherheit und Wirtschaftswachstum sind der Schlüssel zur Unabhängigkeit von russischem Einfluss, aber diese zwei Punkte sind die Schwachstellen Mittel- und Osteuropas. Deshalb muss die Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsinfrastruktur vom Baltikum bis zur Adria zusammengeführt werden. ... Wenn die Achse jedoch nur als Gemeinschaftsprojekt Erfolg haben kann, wie passt dann Ungarn ins Bild? ... Orbán hat im Februar Vladimir Putin in Budapest empfangen, den Russen den Bau des Kernkraftwerks Paks anvertraut und von den Russen die Verlängerung des Vertrags über eine Erdgasversorgung zu günstigeren Konditionen zugesichert bekommen - trotz der Bitten der anderen Länder, nicht in solche Solo-Projekte mit Russland einzusteigen, sondern an die gemeinsame Politik zu denken." (14.10.2015) 

Les Echos - Frankreich
Internetgiganten als Waffe gegen Terror nutzen 
Dschihadistische Organisationen nutzen Dienstleistungen großer Internet-Firmen wie Google, Facebook und Apple unter anderem zur Rekrutierung neuer Anhänger. Die Konzerne könnten im Kampf gegen Terror eine ganz andere Rolle spielen, erklärt IT-Experte Michel Lévy-Provençal in der liberalen Wirtschaftszeitung Les Echos: "Es ist nur konsequent, sich Gedanken darüber zu machen, welche Rolle diese Internetgiganten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus spielen könnten. Zumal diese im Verlauf von nur einem Jahrzehnt bewiesen haben, dass sie fähig sind, zahlreiche Lebensbereiche zu revolutionieren: Infrastruktur, Kultur, Kommunikation, Marketing und seit kurzem auch Gesundheit, Verkehr und Bildung. … Warum also nicht auch die innere und äußere Sicherheit? Wären diese Unternehmen mit ihren Spitzentechnologien nicht die beste Waffe gegen eine Bedrohung wie die IS-Miliz? Sie könnten dadurch ihre Mission weiterverfolgen, die Welt zu verändern. Und sie würden sich eine starke Position auf dem Markt für Cybersicherheit sichern, indem sie das alte Modell der Staatswaffen obsolet machen." (13.10.2015) 

GESELLSCHAFT
Linie

Empros - Griechenland
Flucht nach Europa: Zum Hotspot auf Lesbos fehlt der Plan 
Auf der griechischen Insel Lesbos soll in wenigen Tagen ein so genannter Hotspot zur Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen eröffnet werden. Die lokale Zeitung Empros schreibt in ihrer Onlineausgabe, dass viele Fragen offen bleiben: "Wie diese Hotspots betrieben werden und wie die Registrierung und Identifizierung von Flüchtlingen und Migranten stattfinden wird, ist bis jetzt nicht geklärt, und die Verwirrung die daraus resultiert hilft nicht weiter. Insbesondere ist nicht klar, was mit denjenigen geschehen soll, die als [Wirtschafts-]Migranten registriert werden. Wo werden sie untergebracht und für wie lange? Dies alles muss geklärt werden. Das Ziel kann auf keinen Fall sein, sie auf der Insel zu lassen. Dies ist ein wichtiges Thema, das eine entscheidende Rolle bei der gesamten Entwicklung der Flüchtlingsthematik auf Lesbos spielen wird, und deswegen muss man verantwortungsvoll damit umgehen." (13.10.2015) 

Le Vif/L'Express - Belgien
Flucht nach Europa: Staat darf Versorgung nicht an Firmen abtreten 
Noch Ende 2014 hat die belgische Regierung die Schließung von Flüchtlingsunterkünften beschlossen - nun schreibt sie die Einrichtung neuer Wohnplätze öffentlich aus. Die Rechtsanwältin Selma Benkhelifa vom belgischen Juristennetzwerk Progress Lawyers Network wittert einen Plan dahinter, wie sie im Wochenmagazin Le Vif/L'Express erklärt: "Wir glauben nicht, dass dies aus Blindheit geschieht, sondern dass es sich um eine organisierte Krise handelt, die darauf abzielt, den Privatisierungsprozess der Flüchtlingsaufnahme zu rechtfertigen. … Flüchtlinge sind Menschen und keine Ware, deren Verwaltung einem Privatunternehmen übertragen werden kann - traurig genug, daran erinnern zu müssen. Vor allem, wenn man weiß, dass es auch um Minderjährige ohne Begleitung geht. … Die Erfahrung anderer europäischer Länder, in denen die Flüchtlingsbetreuung Privatfirmen übertragen wurde, zeigt ein zunehmendes Risiko für die Missachtung der Grundrechte der Flüchtlinge. Die Aufnahme muss Vorrecht des Staates und der Nichtregierungsorganisationen bleiben." (13.10.2015)