Samstag, 12. März 2011

Wie ist ein Schuldenverbot in den Ländern zu verhindern?

In Art. 109 und 115 des Grundgesetzes wurde 2009 die Schuldenbremse für die Bundesrepublik festgeschrieben.
In Artikel 109 heißt es in Absatz 3:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. (Hervorhebungen von Fonty)
Weiter unten in Absatz 3 heißt es dann:
Die nähere Ausgestaltung für die Haushalte der Länder regeln diese im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Maßgabe, dass Satz 1 nur dann entsprochen ist (d.h., dass die Länder nur dann selbständig ihre Finanzen regeln dürfen - Erläuterung von Fonty), wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden.
Da Bundesrecht Landesrecht bricht, kann man daraus schließen, dass zu Recht behauptet werden könne, ohne Schuldenbremse "würde ab dem Jahre 2020 in Hessen ausnahmslos das absolute Schuldenverbot gelten".
Ob das eine juristisch zwingende Beurteilung ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Aber: Wenn der Hessische Staatsgerichtshof diese Meinung nicht teilen sollte und nur aus Termingründen keine Änderung dieser Erläuterung durch "den Hessischen Landtag" zugelassen haben sollte, wäre der Wählerbetrug noch massiver, als ich es in meinem vorigen Blogeintrag vermutet habe.
Die Partei "Die Linke" hat nämlich offenbar dieser Erläuterung nicht zugestimmt, also stammt die Erläuterung nur von der Landtagsmehrheit. Außerdem würde eine juristisch fragwürdige Erläuterung zur Basis für eine Volksabstimmung gemacht.

Ich fordere alle Leser dieses Blogeintrags auf, mir aufzuzeigen, dass hier kein Wählerbetrug (oder präziser: Stimmberechtigtenbetrug) vorliegt.
Juristen aus meiner Bekanntschaft, die ich angeschrieben habe, haben mir leider bisher nicht diesen Gefallen getan.

Bisher war es nur meine Absicht, gegen die Schuldenbremse zu stimmen. Wenn ich bis zum Tag der Abstimmung der Meinung sein müsste, dass Wählerbetrug vorliegt, müsste ich ungültig abstimmen.

Leider habe ich gegenwärtig nicht die Zeit, meine Überlegungen genauer zu begründen, da ich kurz vor einer Abreise stehe. Nach der Rückkehr werde ich aber die mir zugänglichen Materialien sorgfältig studieren und eine möglichst abgewogene Aussage versuchen.

Hier noch einmal kurz der Grund für meine Irritation:
Das Gesetz wird von der Landtagsmehrheit angekündigt als "Aufnahme einer Schuldenbremse in Verantwortung für kommende Generationen". Die Erläuterung "des" Landtages besagt aber, es diene der Verhinderung eines Schuldenverbots. Das sind offenkundig zwei sich widersprechende Angaben. Aus der Erläuterung könnte man sogar schließen, dass sich der Landtag vorbehalten wolle, die Verantwortung für kommende Generationen zugunsten kurzfristiger konjunktureller Steuerungsmaßnahmen fallen zu lassen.
Bei mir entsteht der Eindruck, es könnte sein, dass die Landtagsmehrheit mit dem Instrument der Volksabstimmung Schindluder treibt.
Ich habe nicht jahrzehntelang gegen Politikverdrossenheit gekämpft, um jetzt kommentarlos hinzunehmen, wenn die Landtagsmehrheit sie - wenn auch unabsichtlich - mit aller Macht zu befördern unternimmt.
Noch hoffe ich darauf, dass ich nur einem Irrtum aufgesessen bin. Der Kommentar von Stefan hat meine Befürchtungen leider nur bestärkt.

Weshalb schreibe ich nicht vom Tsunami in Japan, der doch ungleich schlimmere Folgen hat - die Regierung spricht inzwischen von einer zweiten Kernschmelze in einem Atomreaktor?
Naturkatastrophen sind unabwendbar. Man kann nur mehr oder weniger Vorsorge treffen und im Fall der Katastrophe die Folgen zu mildern helfen.

Im Fall der Schuldenbremse aber wird systematisch daran gearbeitet, den Wählern ein X für ein U vorzumachen: Man führt die Schuldenbremse ein, um den Wählern nicht sagen zu müssen, weshalb man gewisse Ausgaben macht und andere nicht. Man kann jetzt ja sagen: Es steht in der Verfassung.

Man erläutert dem Wähler nicht, was das Gesetz bedeutet (was ja schon 2009 hätte passieren können), weil man sich scheut, eine Volksabstimmung durchzuführen, bei der die Bevölkerung weiß, dass sie so gut wie nichts zu entscheiden hat, weil schon zwei Jahre vorher Bundestag und Bundesrat festgelegt haben, wie groß der Bewegungsspielraum ist und dass Parlamente und Regierung nur eine Zustimmung erwarten. Jede andere Entscheidung würde - wie beim europäischen Verfassungsvertrag - zu schlechten Notlösungen führen. Die Bevölkerung soll nichtsahnend zustimmen oder Furcht vor dem fehlenden Plan B soll sie zur Zustimmung bringen, unabhängig davon, was sie eigentlich für richtig hält.

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