Donnerstag, 31. März 2011

Kernkraftwerke statt erneuerbarer Energie durch Aktienmehrheit

Kernkraftwerke vor dem Einfluss der Grünen sichern will die OEW.
"Um die Macht beim Energiekonzern ENBW hat ein heftiges Gerangel eingesetzt. Nach Informationen der F.A.Z. strebt der Zweckverband OEW an, den Anteil an der ENBW von derzeit 45 Prozent auf eine Mehrheit von 50,1 Prozent aufzustocken, um das Schicksal der ENBW nicht der neuen grün-roten Landesregierung zu überlassen", berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Es wäre doch gelacht, wenn sich nicht demokratische Entscheidungen durch Aktienmehrheit aushebeln ließen, oder?

Republikaner zerstören Stück für Stück Obamas Finanzreform

Spiegel online weiß zu berichten:
In geschlossener Front stemmen sie sich der Reform rückwirkend entgegen: Republikaner, wankelmütige Demokraten, die Finanzbranche, Industrie- und Handelskammern.
Wenn man sich ansieht, was die bisherige Bilanz Obamas seit dem Wahlsieg der Republikaner ist: Fortführung von Guantanamo und der Militärgerichtsbarkeit für die dortigen Gefangenen, ein neuer Krieg, eine große Ausweitung des Baus von Atomkraftwerken in Aussicht und jetzt noch die Zerstückelung seiner Finanzreform, dann braucht man zwar nicht an Obamas gutem Willen zu zweifeln, wohl aber muss man daran zweifeln, dass seine Reformen auch nach der nächsten Wahl einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der Clinton-Ära bedeuten. Freilich mit Ausnahme der Gesundheitsreform, an der Hillary und Bill damals gescheitert sind.

Mittwoch, 30. März 2011

Grün-Rot, Rot-Grün

Früher hat man nicht so darauf geachtet. Heute kann man sagen: Eine Landespartei, in der Rainer Brüderle seit Jahrzehnten unangefochten Spitzenmann ist, kann nicht so sehr gut aufgestellt sein.
Aber ganz unabhängig davon: Es tut nicht gut, wenn eine Regierungskostellation jahrzehntelang nicht wechselt. Konrad Adenauer und Helmut Kohl gehören zweifelsfrei zu den stärksten politischen Begabungen der CDU, dennoch war in ihren letzten Jahren ein deutlicher Niedergang in der Effektivität ihrer politischen Führung zu verspüren.
Kurt Beck ist sicher ein sehr guter Ministerpräsident, doch eine Auflockerung der politischen Routine, die von Kungelei und Klüngelwirtschaft zuletzt zumindest angefressen war, durch die Grünen wird gewiss dazu führen, dass wieder mehr Alternativen in Betracht gezogen werden.

Ein grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg ist gewiss ein Gewinn für die Demokratie, auch wenn Winfried Kretschmann sich nicht als die Mischung von Reformbereitschaft, Pragmatismus und Solidität herausstellt, als die er gegenwärtig durch die Medien geistert.

Diese meine Aussagen bedeuten für die meisten Leser wohl nichts Neues. Sie sind auch nur als Tagebuchnotiz gedacht, wo mir für eine Beschäftigung mit Politik so git wie keine Zeit bleibt.

Samstag, 26. März 2011

Ab wann verdienen Proteste in anderen Ländern unsere militärische Unterstützung?

Wenn die große Mehrheit der Bevölkerung hinter ihnen steht? Ab wann war das in Ägypten der Fall?

Wenn sie sich für Menschenrechte einsetzen? Ist das in China nicht der Fall?

Wenn die Unterdrückung besonders grausam ist und besonders lange anhält? Weshalb greift man in Syrien nicht ein, obwohl dort schon seit 1962 Ausnahmezustand herrscht? Was geschieht in Burma, was in Nordkorea?

Wenn die Protestierenden getötet werden? Wie war das bei Benno Ohnesorg?

Wenn Völkermord droht? Ab wann beginnt Völkermord? Gibt es im Amazonasgebiet indianische Völker, die bedroht sind? Ab wann beginnt Bedrohung?

Wieso wurde in Lybien eingegriffen, nicht bei der grünen Revolution im Iran, nicht in Syrien?

Inzwischen hört man aus Libyen, dass es droht, auseinanderzufallen, aus Syrien hört man von Folterungen durch Soldaten der syrischen Opposition. (20.3.12)

Dienstag, 22. März 2011

Einige Links zu natur- und menschengemachten Katastrophen in Japan, Atomkraftwerken u.a.

Brüderle: Moratorium ist nur Wahlkampftaktik
Aus dem Protokoll:
Herr Dr. Keitel machte darauf aufmerksam, dass derzeit eine Meldung über die Ticker laufe, wonach die Bundesregierung am Nachmittag ein Moratorium der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke bekannt geben wolle. Der Minister bestätigte dies und wies erläuternd darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien. Er sei ein Befürworter der Kernenergie in Deutschland und für ihn sei klar, dass die energieintensive Industrie in der Wertschöpfungskette gebraucht werde. Es könne daher keinen Weg geben, der sie in ihrer Existenz gefährde. (Spiegel online)
In der weiteren Aussprache, an der sich die Herren Dr. Enders und Dr. Keitel beteiligten, bezweifelte der Minister, ob das Bekenntnis der Politik zur Kernenergie flächendeckend sei."

Merkel spielt auf Zeitgewinn und setzt Kommissionen ein.
Das Rezept, das bei Stuttgart 21 gewirkt hat, soll wieder helfen.

Erdbeben in Japan u.a.
          Minamisoma
          Strahlenbelastung von Arbeitern in Fukushima
          Leck in Reaktor 2 (kontaminiertes Wasser fließt direkt ins Meer, 2.4.2011)

Unruhen in Libyen und Reaktionen darauf
         Nato zerstreitet sich über Libyenaktionen
allgemein:
Unruhen in der arabischen Welt

Atomausstieg u.ä.:
Atomausstieg
Energiewirtschaft
speziell: Erneuerbare Energien
        Finanzspritze für offshore Windkraftanlagen

Links zu

Atomkraft, Atomkraftwerke, Atomlaufzeiten, Atommüllendlager, Atommülllager Asse,
Atomwaffen, Atomwaffensicherheit in den USA, Atomwaffensicherheit in Russland, Atomkonflikt mit Nordkorea


Übersicht über Themenseiten von Spiegel online

Montag, 21. März 2011

Nicht Gesundheitsgefährdendes nicht verkaufen! (Forderung in Japan)

"Die Landwirte sollen freiwillig darauf verzichten, verstrahlte Lebensmittel in den Handel zu bringen. Der Gouverneur der Präfektur Ibaraki, Masaru Hashimoto, sagte laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo, es bestehe zwar kein Gesundheitsrisiko. Er werde aber jede Kommune bitten, keinen Spinat auf die Märkte zu bringen."
Das versteht der Gouverneur unter Freiheit. Jeder soll Verstrahltes verkaufen dürfen. Niemand soll informiert werden, was verstrahlt ist. Tut euch keinen Zwang an!

Andere Personen ziehen andere Folgerungen: Historischen Irrtum beenden!

Sonntag, 20. März 2011

Was hilft der Bevölkerung Libyens?

Eine Diskussion unter vielen wird gegenwärtig in Spiegel online geführt.

Meine Position: Ich bin gegen alle mit der Sicherung von Menschenrechten begründeten militärischen Einsätze, die Menschenrechte einer großen Anzahl von Personen gefährden. (Also praktisch gegen alle.)
Zu groß ist die Gefahr, dass die eigentlichen Motive nicht in der Sicherung der Menschenrechte bestehen.

Das einzige Beispiel, wo meiner Kenntnis nach ein Eingreifen aus Menschenrechtsgründen sinnvoll gewesen wäre, stellt für mich immer noch die nicht erfolgte Bombardierung der Gleisanlagen nach Auschwitz dar. Selbst der Völkermord in Ruanda ist für mich in seinen damals nicht überschaubaren denkbaren Komplikationen kein klares Beispiel.
Kritik am Vorgehen der Alliierten durch die Arabische Liga. Der als notwendige Voraussetzung des Vorgehens geforderte Konsens scheint also schon wieder verloren.

Nachtrag vom 25.3.:
Die tagelange Uneinigkeit der NATO, während die Operationen schon liefen, das Abspringen Putins, jetzt die Trennung zwischen NATO-Führung des Gesamteinsatzes und Zuständigkeit der Staaten für Einzeloperationen, die offensichtlich innenpolitisch motivierte Feldherrenrolle, die Sarkozy sich als Antreiber der Aktion ausgedacht hat, die mangelnde Fassbarkeit von Verantwortlichen der Revolutionsregierung (Mit wem kooperiert die NATO, die technsche Schwierigkeit, Gaddafis Truppen getrennt von den Revolutionären anzugreifen; jetzt sind es schon so viele Komplikationen, die für den weiteren Fortgang der Operationen Schwierigkeiten bereiten, eine Exit-Strategie existiert nicht.
Dann: Die Staaten, die jetzt Gaddafi angreifen, haben ihm vorher Waffen geliefert, ihn umworben, damit er Flüchtlinge an der Flucht hindere ...
Die ZEIT vom 24.3.11 zählt (auf S.9) eine Fülle von Gründen auf, weshalb der Krieg durch die UNO-Charta nicht gedeckt ist, nur um dann zu behaupten, er sei gerechtfertigt. Freilich - und jetzt wird es stark - nur wenn - ja wenn - er die angestrebten Ziele erreicht.
Eine "wunderbare" Begründung, in den Krieg zu ziehen: Falls wir wider Erwarten alle Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreichen sollten, dann wäre der Krieg gerechtfertigt.

's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
(Matthias Claudius)

Auch Darmstädt, der den Krieg gegen Libyen befürwortet, ist der Meinung, dass das Vorgehen dem bisher völkrerechtlich Üblichen nicht entspricht.

Nachtrag vom 31.3.:
Dirk Niebel meint, Großbritannien, Frankreich und Italien ginge es bei dem Einsatz in Libyen vor allem ums Öl. Matthias Krupa von der ZEIT (31.3.11, S.1) findet es "schändlich" einen solchen Verdacht zu äußern.
Dabei gehört es seit Klaus Kinkel zum neuen erweiterten Sicherheitsbegriff auch der BRD, für dass die Sicherheit der Rohstoffversorgung gesorgt wird. Im Weißbuch der Bndeswehr 2006 heißt es dazu: vgl.  auch Humanitäre Intervention, Erweiterter Sicherheitsbegriff, Stichworte zur Sicherheitspolitik (2006, pdf)
zu den aktuellen Vorgängen:
CIA und MI6 operieren seit Wochen in Libyen
Gadhafis Außenminister setzt sich nach London ab

Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen. [...] Deutsche Sicherheitspolitik muss auch Entwicklungen in geografisch weit entfernten Regionen berücksichtigen, soweit sie unsere Interessen berühren. [...] Deutsche Sicherheitspolitik beruht auf einem umfassenden Sicherheitsbegriff. Risiken und Bedrohungen muss mit einem abgestimmten Instrumentarium begegnet werden. Dazu gehören diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche und militärische Mittel, wenn geboten, auch bewaffnete Einsätze. (Weißbuch 2006)
Damit ist auch die Ausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze begründet, in deren Logik der Umbau der Bundeswehr zu einer Berufsarmee angestrebt wird.

Zur Vorgeschichte dieser Entwicklung vgl.Sebastian Stamm: Zwischen humanitärer Intervention und Neuen Kriegen. Neue Herausforderungen für die Bundeswehr, 2006 (pdf)

Donnerstag, 17. März 2011

Ich will nicht recht behalten!

Da ich aus privaten Gründen einige Tage am Bloggen verhindert war, möchte ich jetzt wenigstens so viel schreiben: Ich will nicht, dass die deutsche Regierung durch eine Katastrophe in Japan gezwungen wird, einsichtig zu werden. Lieber soll sie weitermachen wie bisher, als dass das passiert, was jetzt schon fast unvermeidlich erscheint, dass viele Millionen von einer atomaren Katastrophe so schwer betroffen werden, dass eine umweltpolitische Zeitenwende eintritt. (vgl. Spiegel-online-Artikelserie zu Fukushima)
Kurz gesagt: Ich habe den internationalen Terrorismus von Anfang an für weniger gefährlich gehalten als die Kernenergie. Aber - zugegebenermaßen - ich habe irgendwie die Wahrscheinlichkeit einer ganz großen Katastrophe für so gering gehalten, dass ich die unmittelbare Bedrohung für mich persönlich in beiden Fällen als relativ gering eingeschätzt habe.

Ich hoffe sehr, dass in der Geschichte Gaddafi als schuldiger erscheinen wird als die hartnäckigen Befürworter der Kernenergie. Ich hoffe es inständig.

Über die atomare Abschreckung habe ich 1989 im Rahmen einer Artikelserie geschrieben:
Wir sehen, das System der atomaren Abschreckung schafft eine Verantwortung, die kein Mensch übernehmen kann. Mehr noch: Jeder Mensch, der für dieses System mitverantwortlich ist, trägt eine Verantwortung, die ungeheuerlicher ist als selbst die, die Hitler frevlerischerweise zu übernehmen versprach.

Vor der Ungeheuerlichkeit eines atomaren Weltkrieges ist die Welt bis heute verschont geblieben.
Noch ist aber nicht sicher, dass nicht in tausend Jahren einmal festgestellt werden wird:
Wir haben erlebt, dass das System der Energiegewinnung mit Kernkraft eine Verantwortung geschaffen hat, die kein Mensch übernehmen kann. Mehr noch: Jeder Mensch, der für dieses System mitverantwortlich war, trägt eine Verantwortung, die ungeheuerlicher ist als selbst die, die Hitler frevlerischerweise zu übernehmen versprach.
Wir haben uns auf die Kernkraft eingelassen, und ich sehe keine Möglichkeit, mich aus dieser Verantwortung der Menschheit mit einer "Gnade der späten Geburt" herauszureden.
So bleibt mir nur ein Wort von Matthias Claudius für mich umzuformen. Er schrieb:

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Es wäre wie der Ruf des Zauberlehrlings, wenn ich jetzt Gott anriefe "Herr, die Not ist groß! Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los."
Natürlich will ich nicht schuldig sein. Aber eine Mitverantwortung für die Folgen der "friedlichen Nutzung der Atomenergie" trifft uns alle, die wir nicht mit unserer ganzen Energie dafür gekäpft haben, sie rechtzeitig abzuschaffen.
Und auch uns betrifft Claudius Frage:

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Es wären freilich keine Erschlagenen, sondern die vielen Strahlenopfer des Unglücks von Tschernobyl und möglicher späterer Katastrophen, für die wir die Verantwortung tragen, insbesondere die, - mehr oder minder sehenden Auges - einen schrecklichen Tod an Strahlenkrankheit wählen, um der Menschheit die ungeheuerliche Schuld zu ersparen. An sich müssten sie uns schon heute vor Augen stehen.
Ich wünsche sehr, das das anscheinend Unabwendbare doch noch abgewendet wird, dass das Opfer uns noch einmal rettet und uns noch die Chance zur späten Einsicht gewährt wird.

Hier das vollständige "Kriegslied" von Matthias Claudius:

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!


Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?


Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?


Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?


Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?


Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Es wäre mir lieb, wenn ich mir einreden könnte, alle Opfer einer Atomkatastrophe in Japan wären allein Opfer einer Naturkatastrophe. Aber nein, die Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung ist von Menschen entwickelt worden und ist von Menschen zu verantworten.

Für die, denen meine Aussagen zu gefühlsbetont erscheinen:
Tōhoku-Erdbeben 2011
Folgen des Erdbebens für Kernkraftwerke
Unfallserie nach dem Erdbeben vom 11. März 2011
Zustand der Reaktorblöcke
Daten der Reaktorblöcke, insbesondere der zwei, deren Leistungsbetrieb ab 2014 bzw. 2015 geplant ist
Fragen zu Fukushima (aus dem Abstand eines in Deutschland Lebenden)
Zum Atom-Moratorium von März 2011
Folgen des Moratoriums: Abschaltung von Biblis A
Planungen für Maßnahmen in Fukushima, falls die jetzigen Notmaßnahmen Erfolg haben sollten

Samstag, 12. März 2011

Wie ist ein Schuldenverbot in den Ländern zu verhindern?

In Art. 109 und 115 des Grundgesetzes wurde 2009 die Schuldenbremse für die Bundesrepublik festgeschrieben.
In Artikel 109 heißt es in Absatz 3:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. (Hervorhebungen von Fonty)
Weiter unten in Absatz 3 heißt es dann:
Die nähere Ausgestaltung für die Haushalte der Länder regeln diese im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Maßgabe, dass Satz 1 nur dann entsprochen ist (d.h., dass die Länder nur dann selbständig ihre Finanzen regeln dürfen - Erläuterung von Fonty), wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden.
Da Bundesrecht Landesrecht bricht, kann man daraus schließen, dass zu Recht behauptet werden könne, ohne Schuldenbremse "würde ab dem Jahre 2020 in Hessen ausnahmslos das absolute Schuldenverbot gelten".
Ob das eine juristisch zwingende Beurteilung ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Aber: Wenn der Hessische Staatsgerichtshof diese Meinung nicht teilen sollte und nur aus Termingründen keine Änderung dieser Erläuterung durch "den Hessischen Landtag" zugelassen haben sollte, wäre der Wählerbetrug noch massiver, als ich es in meinem vorigen Blogeintrag vermutet habe.
Die Partei "Die Linke" hat nämlich offenbar dieser Erläuterung nicht zugestimmt, also stammt die Erläuterung nur von der Landtagsmehrheit. Außerdem würde eine juristisch fragwürdige Erläuterung zur Basis für eine Volksabstimmung gemacht.

Ich fordere alle Leser dieses Blogeintrags auf, mir aufzuzeigen, dass hier kein Wählerbetrug (oder präziser: Stimmberechtigtenbetrug) vorliegt.
Juristen aus meiner Bekanntschaft, die ich angeschrieben habe, haben mir leider bisher nicht diesen Gefallen getan.

Bisher war es nur meine Absicht, gegen die Schuldenbremse zu stimmen. Wenn ich bis zum Tag der Abstimmung der Meinung sein müsste, dass Wählerbetrug vorliegt, müsste ich ungültig abstimmen.

Leider habe ich gegenwärtig nicht die Zeit, meine Überlegungen genauer zu begründen, da ich kurz vor einer Abreise stehe. Nach der Rückkehr werde ich aber die mir zugänglichen Materialien sorgfältig studieren und eine möglichst abgewogene Aussage versuchen.

Hier noch einmal kurz der Grund für meine Irritation:
Das Gesetz wird von der Landtagsmehrheit angekündigt als "Aufnahme einer Schuldenbremse in Verantwortung für kommende Generationen". Die Erläuterung "des" Landtages besagt aber, es diene der Verhinderung eines Schuldenverbots. Das sind offenkundig zwei sich widersprechende Angaben. Aus der Erläuterung könnte man sogar schließen, dass sich der Landtag vorbehalten wolle, die Verantwortung für kommende Generationen zugunsten kurzfristiger konjunktureller Steuerungsmaßnahmen fallen zu lassen.
Bei mir entsteht der Eindruck, es könnte sein, dass die Landtagsmehrheit mit dem Instrument der Volksabstimmung Schindluder treibt.
Ich habe nicht jahrzehntelang gegen Politikverdrossenheit gekämpft, um jetzt kommentarlos hinzunehmen, wenn die Landtagsmehrheit sie - wenn auch unabsichtlich - mit aller Macht zu befördern unternimmt.
Noch hoffe ich darauf, dass ich nur einem Irrtum aufgesessen bin. Der Kommentar von Stefan hat meine Befürchtungen leider nur bestärkt.

Weshalb schreibe ich nicht vom Tsunami in Japan, der doch ungleich schlimmere Folgen hat - die Regierung spricht inzwischen von einer zweiten Kernschmelze in einem Atomreaktor?
Naturkatastrophen sind unabwendbar. Man kann nur mehr oder weniger Vorsorge treffen und im Fall der Katastrophe die Folgen zu mildern helfen.

Im Fall der Schuldenbremse aber wird systematisch daran gearbeitet, den Wählern ein X für ein U vorzumachen: Man führt die Schuldenbremse ein, um den Wählern nicht sagen zu müssen, weshalb man gewisse Ausgaben macht und andere nicht. Man kann jetzt ja sagen: Es steht in der Verfassung.

Man erläutert dem Wähler nicht, was das Gesetz bedeutet (was ja schon 2009 hätte passieren können), weil man sich scheut, eine Volksabstimmung durchzuführen, bei der die Bevölkerung weiß, dass sie so gut wie nichts zu entscheiden hat, weil schon zwei Jahre vorher Bundestag und Bundesrat festgelegt haben, wie groß der Bewegungsspielraum ist und dass Parlamente und Regierung nur eine Zustimmung erwarten. Jede andere Entscheidung würde - wie beim europäischen Verfassungsvertrag - zu schlechten Notlösungen führen. Die Bevölkerung soll nichtsahnend zustimmen oder Furcht vor dem fehlenden Plan B soll sie zur Zustimmung bringen, unabhängig davon, was sie eigentlich für richtig hält.

Schuldenbremse in Hessen: Vom Landtag organisierter Wählerbetrug?

Nach der Erläuterung des Hessischen Landtages ist das hessische Gesetz zur Schuldenbremse nicht das, was es vorgibt zu sein, sondern ein Gesetz zur Verhinderung eines Schuldenstopps im Jahr 2020.
Ohne dies Gesetz, führt der Landtag in seiner Erläuterung zur Volksabstimmung aus, "würde ab dem Jahre 2020 in Hessen ausnahmslos das absolute Schuldenverbot gelten".
Wenn man Art. 109 und 115 des Grundgesetzes nachliest, sieht man diese Formulierung bestätigt.
Das ist die Situation seit 2009.
Der Bevölkerung Hessens bleibt nur die Wahl zwischen absolutem Schuldenverbot und Schuldenbremse. Offenbar sind alle Parteien des Landtages, einschließlich der Linken, übereingekommen, das zu verschleiern. Anders lässt sich nicht erjkären, dass sie sich angeblich zwischen Schuldenbremse ja oder nein streiten. Auch der DGB spielt mit, hoffentlich aus Unkenntnis.

Wer Erläuterungen über den Grundgesettext hinaus lesen will, kann das bei Wikipedia Schuldenbremse (Deutschland) tun.

Mehr zu dem Thema später.

Mittwoch, 9. März 2011

E10 ist eine öklogische Mogelpackung

... meint der BUND.
Zwar wird  "Zuckerrohr für die Ethanol-Herstellung [...] nicht im Amazonasgebiet angebaut, sondern im Süden des Landes. Doch wenn dort deshalb Acker- und Weideflächen für Bauern wegfallen, weichen diese notgedrungen in Richtung Regenwald aus." (ZEIT online vom 8.3.11)

Da in den USA inwischen aber ca. 40% der Anbaufläche für Biosprit verbraucht werden, kann selbst bei umweltschädlichen Verhalten nicht so viel neues Ackerland erschlossen werden, wie gebraucht würde, um die Agrarpreise stabil zu halten. Das treibt hunderte Millionen in Hunger und zig Millionen in den Tod.
Es wäre müßig, sich darüber zu streiten; aber es ist nicht sicher, ob nicht durch die Umstellung auf Biosprit jährlich mehr Menschen zu Tode kommen, als es durch Kriegseinwirkung im Zweiten Weltkrieg geschah.
Natürlich könnten auch bei besseren Lagerungsmethoden mehr Agrarprodukte als Nahrungsmittel genutzt werden. Aber ein Fehler wird nicht besser dadurch, dass auch andere gemacht werden. (Und Lagerung ganz ohne Verderb gibt es weltweit nicht.)
Ich habe erst im August 2007 erstmalig vor Biosprit/Biodiesel gewarnt. Denn natürlich ist die Verwendung von sonst nicht nutzbarer Biomasse zur Produktion von Treibstoff sinnvoll (wenn es halbwegs kostengünstig möglich ist).
Dass die Regierung trotz der Warnung von Umweltschutzorganisationen kein besseres Kozept als E10 zur Erdöleinsparung entwickelt hat, ist ein Armutszeugnis. Wenn man die Steuerbegünstigung von Treibstoffgroßverbrauchern betrachtet, merkt man freilich, wie gering die Priorität für diese angeblich ernst genommene Aufgabe ist.

Nachtrag vom 17.3.
In Guatemala werden Bauern von ihrem Land vertrieben, um Biospritproduktion zu ermöglichen. Die Lebensmittelproduktion geht zurück.

Dienstag, 8. März 2011

Guttenberg und Berlusconi

Thomas Meyer sieht in der Art, wie auf die Plagiatsaffäre Guttenberg reagiert wurde, die Bundesrepublik Deutschland schon auf dem Weg nach Berlusconistan.
"Berlusconi wird, wie Romano Prodi formulierte, ungeachtet aller Vergehen und allen politischen Versagens von jenen  mit Freuden immer wieder gewählt, die gern in der zweiten Reihe parken undeinen, der schummelt, wie wir ja letztlich alle, mehr zutrauen als der ganzen politischen Klasse mit ihren heuchlerischen Ansprüchen", schreibt Meyer.
Der Vergleich scheint weit hergeholt. Für manche Äußerungen, die man dieser Tage hörte, passt er freilich gut. Bisher scheinen das politische Immunsystem und die Gerichte in Deutschland nch zu funktionieren. Freilich "die Kanzlerin, die den wissenschaftlichen Betrug als für politische Führungsämter unmaßgebliche Bagatelle beiseite wischte" (Meyer) leistet freilich in der Tat nichts zur politischen Immunabwehr. Sollte sie erkannt haben, dass wir schon tiefer in Berlusconistan stecken, als ich glauben will?
Die Tatsache, dass ein Doktorand, der eine Reihe von Plagiaten in Guttenbergs Doktorabeit schon 2010 erkannt hatte, auf den Rat seines Doktorvaters hin nicht das Risiko eingehen wollte, darauf hinzuweisen, beweist noch nichts für Berlusconistan, aber es nährt ebenfalls den Verdacht.
Nachtrag vom 15.6.11:
Die Universität Heidelberg entzieht der FDP-Europaabgeordneten Koch-Mehrin den Doktortitel wegen systematischen Plagiats (sieh Tagesschau)
Stand vom 23.11.11:
Berlusconi ist am 12.11.11 als Ministerpräsident zurückgetreten.
Guttenberg meldet sich selbstbewusst in der deutschen Politikszene zurück. Die Staatsanwaltschaft Hof stellt ihre Ermittlungen ein.

Freitag, 4. März 2011

Doktortitel

Der Direktor der London School of Economics geht, weil er in eine Korruptionsaffäre um einen Doktortitel verwickelt war. Freilich ging der Doktortitel an einen Sohn Gaddafis. Da haben die Verantwortlichen nichts zu lachen.
In Deutschland werden die Kritiker Guttenbergs jetzt von Seehofer abgestraft. Und er kündigt an, die weitere Reaktion auf ihr Verhalten werde "auf Wiedervorlage" gelegt.

Die CDU setzt darauf, dass Guttenbergs Rücktritt der SPD und den Grünen schadet.
Dabei will sie nicht bei der von Guttenberg geplanten Reform bleiben. Der neue Verteidigungsminister de Maizière hat den für die Reform verantwortlichen Staatssekretär Otremba bereits entlassen.

Donnerstag, 3. März 2011

Guttenberg Comeback

Nach dem Rücktritt des Freiherrn zu Guttenberg freunen sich manche schon auf sein Comeback.

"Immerdar enthüllt das Ende sich als strahlender Beginn", heißt es bei Werner Bergengruen.

Dienstag, 1. März 2011

Fürst Metternich und Guttenberg

Von Fürst Metternich berichtet die Anekdote, als sich der dänische Botschafter angemeldet habe, habe er rasch seine Orden anlegen wollen, aber ausgerechnet den dänischen Elefantenorden habe sein Diener nicht beischaffen können. "Wie sieht denn das aus! Ausgerechnet den dänischen Orden findest du nicht!"
So habe er rasch zu einem befreundeten Diplomaten geschickt und sich den Elefantenorden ausgeliehen.

Kurz bevor der Botschafter vorsprach, traf der Orden ein. Schnell legte Metternich ihn an und empfing dann den Botschafter.
Der trat ein und, obwohl sonst beredt, fehlten ihm die Worte. Etwas ungeduldig fragte Metternich, was er denn vorzubringen habe.
Darauf der Botschafter: "Ich sollte Ihnen im Auftrag unseres Königs den Elefantenorden verleihen, und nun sehe ich, dass Sie ihn schon haben."

So wie Fürst Metternich es mit dem Elefantenorden hielt, so hielt es Freiherr zu Guttenberg offenbar mit dem Doktortitel. Wenn er den nicht hatte, so musste es sich um ein Versehen handeln, dem schnell abgeholfen werden musste. Leider wurde er dabei auf dem falschen Bein erwischt.
Freilich, von Fürst Metternch berichtet es nur die Anekdote.

Eins ist freilich banale Tatsache: Fürst Metternich war zwar der führende Staatsmann Europas, der ein Jahrzehnt lang einen beherrschenden Einfluss auf die europäische Politik ausübte. Aber den Elefantenorden erhielt er nicht.


Kommentar von K. Polke-Majewski zum Rücktritt