Donnerstag, 4. September 2025

Neue Weltordnung: Und Europa?

 

Beim SOZ-Gipfel in Tianjin und der Militärparade in Peking hat China versucht, sich als aufstrebende Weltmacht mit starken Verbündeten zu präsentieren. Während im Westen die Beziehungen mit den USA angespannt sind, steht Europa zunehmend vor der Herausforderung, sich selbst zu behaupten. Neben großen Gefahren für den Kontinent bewerten Kommentatoren auch die Chance, künftig auf eigenen Füßen zu stehen.

Le Figaro (FR)

Gefahr aus China erkannt

Für Europa ist die Entwicklung Chinas bedenklich, warnt Le Figaro:

„Der asiatische Riese präsentiert sich als stabile und rationale Macht gegenüber Trumps Chaos. Doch Europa hat aus Fehlern gelernt und weiß nun, was gemeint ist, wenn Xi Jinping Chinas 'unaufhaltsame Renaissance' lobt: eine Strategie wirtschaftlicher Ausbeutung, die auf kritische Sektoren (Häfen, 5G-Netze, Seltene Erden) abzielt, um die Demokratien in Abhängigkeit zu halten. Innerhalb von zehn Jahren hat die EU ihr Handelsdefizit gegenüber Peking sich verdoppeln lassen. Nachdem sie gegenüber Trump gekuscht hat, wird Xi kaum glauben, dass sie ihm Paroli bieten kann.“

Philippe Gélie
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Der Spiegel (DE)

Xi und Putin haben das attraktivere Narrativ

Der Westen ist nicht mehr das Vorbild, betont der China-Korrespondent des Spiegels, Georg Fahrion:

„Arabische und asiatische Mittelschichten erkennen in Europa ein pittoreskes Urlaubsziel, aber sicher nicht das Maß aller Dinge. In Afrika und Lateinamerika können sie es nicht mehr hören, wenn der Westen von Menschenrechten redet, während an seinen Grenzen Migranten umkommen. Die Welt ist genervt davon, dass Europäer und Nordamerikaner sich im 21. Jahrhundert immer noch für irgendwie zivilisatorisch überlegen halten, auf einer Vorrangstellung beharrend wie auf einem Erbhof, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Gewichte verschoben haben. ... Peking und Moskau haben derzeit einfach die attraktivere Erzählung anzubieten: Willkommen in unserer neuen Welt, in der wir uns als Gleiche begegnen und einander nicht reinreden.“

Georg Fahrion
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Irish Independent (IE)

Der Westen könnte auch ohne Trump

Vom geopolitischen Abstieg der USA sollte nicht nur China profitieren, meint Irish Independent:

„Neun der 25 weltgrößten Volkswirtschaften sind in der EU. Wenn man Großbritannien und die Schweiz hinzufügt, sind das elf europäische Staaten. Rechnet man dann noch Kanada, Japan und Taiwan dazu, sind die prowestlichen Länder weltweit in einer dominierenden Position. ... Europa kann Donald Trump überleben. Und so wie Peking im Vergleich zu Washington global an Geltung gewonnen hat, kann auch Europa seine Bedeutung erhöhen. Der Abstieg der USA sollte nicht nur China zum Vorteil gereichen.“

Sam Kiley
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Expresso (PT)

An die liberale Demokratie glauben

Nach der Machtdemonstration in China ermutigt Expresso Europa dazu, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass China versucht, Freunde zu gewinnen, dass es die USA nicht sonderlich stört, ihre alten Freunde zu verlieren, und dass es Europa schwerfällt, neue Freunde hinzuzugewinnen. ... Europa ist die Heimat der liberalen Demokratie. Es ist wichtig, dass wir an ihre Vorzüge glauben, wenn wir die Alternativen bekämpfen wollen, die einerseits rund um China, andererseits als Antwort auf die Machtdemonstration Amerikas entstehen.“

Henrique Burnay
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La Repubblica (IT)

Auf der Suche nach Führungskraft

Inwieweit sich Europa gegen seine Feinde behaupten kann, fragt sich La Repubblica:

„Sicher, es gibt noch die Nato. ... Aber kann man wirklich glauben, dass die notdürftig zusammengeflickte Union in der Lage ist, die Russen in Schach zu halten, wenn Amerika nicht oder nicht ausreichend präsent ist? Im Moment scheint das eine Illusion zu sein. Macron scheint daran zu glauben. ... Aber es gibt vor allem innenpolitische Gründe, die die Dynamik des Präsidenten erklären, der an der Spitze eines Frankreichs steht, das zu fragil ist, um eine Führungsrolle glaubwürdig auszuüben. Der Deutsche Merz, der alles andere als feige ist, glaubt viel weniger daran. Der Kanzler will keinen Fehler machen: Mit den Extremisten der AfD im Nacken kann er sich das nicht leisten.“

Stefano Folli
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Neue Weltordnung: Und Europa?
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Brüssel billigt Freihandelsabkommen mit Mercosur

Die EU-Kommission hat die Ratifizierung des seit 1999 verhandelten Freihandelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten auf den Weg gebracht. Neue Schutzklauseln für Agrarprodukte sollen dabei noch vorhandenen Widerstand überwinden, denn nun müssen die nationalen und das europäische Parlament zustimmen. Tritt das Abkommen in Kraft, entsteht eine der größten Freihandelszonen der Welt.

La Croix (FR)

Fair ausgehandelte Win-win-Situation

Endlich gibt es einmal positive Entwicklungen in den internationalen Beziehungen, freut sich La Croix:

„In den meisten Ländern dient der internationale Handel dazu, Wachstumsquellen zu finden. Das trifft auch auf Frankreich zu, das sich dem Abkommen mit Mercosur jedoch vehement entgegengestellt hat. Paris hat Branchen des Agrar- und Lebensmittelsektors verteidigt, die unter dem Abkommen leiden werden, wenn es in Kraft tritt. Andere Sektoren werden hingegen profitieren. In einer Welt, in der räuberische Mächte ihre Interessen unilateral durchsetzen wollen, zeigt der Vertrag zwischen EU und Mercosur, dass es möglich ist, Nützliches auszuhandeln und dabei seine Grundsätze zu verteidigen. Das ist ermutigend.“

Jean-Christophe Ploquin
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Polityka (PL)

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