Donnerstag, 11. Januar 2024

Die Bauernproteste aus Sicht des Umweltinstituts München

 "Wogegen demonstrieren die Bäuerinnen und Bauern? 

Zunächst richten sich die Proteste gegen die beschriebenen Kürzungen der Subventionen im Agrarbereich: Als Folge der aktuellen Haushaltskrise sollte die Kfz-Steuerbefreiung für Fahrzeuge in der Land- und Forstwirtschaft sowie die sogenannte Agrardieselbeihilfe entfallen. Diese sieht eine Erstattung von 21,48 Cent pro Liter Diesel für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vor. Das Ende der Kfz-Steuerbefreiung ist in Folge des Protests inzwischen wieder vom Tisch, die Dieselsubvention soll nun erst bis Ende 2025 schrittweise abgebaut werden. 

 Darüber, wie stark landwirtschaftliche Betriebe unter dieser Maßnahme leiden würden, gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige Agrarökonom:innen sind der Meinung, dass die Einschnitte durchaus zu verkraften wären: Es geht über alle Höfe gerechnet um einen Verlust von 1700€ im Jahr. Haupterwerbsbetriebe würden durchschnittlich mit rund 2900€ belastet, während die Einschnitte für Klein- und Nebenerwerbsbetriebe noch deutlich geringer ausfallen. Hinzu kommt, dass die vergangenen Jahre für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland Rekordjahre waren, weil die Preise deutlich stärker anstiegen als die Erzeugungskosten. [...]

Die Heftigkeit, mit der die Proteste ausgefochten werden, erklärt sich jedoch nicht allein aus den vergleichsweise kleinen Kürzungsvorhaben der Ampel. Die Ursache liegt tiefer und reicht deutlich weiter zurück als in die laufende Legislaturperiode. Die AbL schreibt: „Es fehlt seit vielen Jahren an einer mutigen Agrarpolitik, die langfristige Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Stattdessen denken die politisch Verantwortlichen viel zu häufig in vermeintlich kurzfristigen Erfolgen und Klientelpolitik“. Damit trifft sie den Nagel genau auf den Kopf: Das Höfesterben, das die deutsche Landwirtschaft seit den 1960er Jahren plagt, hat ein ganzes Bündel von Ursachen:

Es ist die Folge einer immer mehr auf Profitmaximierung angelegten Agrarpolitik, von immer weiterer Intensivierung, von enormem Kostendruck, einer schlechten Verhandlungsposition gegenüber den großen Handelsketten. Dazu kommt der politische Unwille, sich von einfachen, flächengebundenen Direktzahlungen (so genannten Gießkannensubventionen) zu verabschieden und stattdessen die Förderung von Betrieben zu priorisieren, die sich besonders um Umwelt-, Klima- und Tierschutz bemühen. Landwirt:innen, die wichtige Leistungen für Natur- oder Umweltschutz erbringen, werden als Folge dafür nicht ausreichend vergütet. Statt ihnen erhalten diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe am meisten staatliche Förderung, die die größten Flächen haben.

All das hat zu einer verhängnisvollen Logik des „Wachse-oder-weiche“ geführt. Die Folge: Die Kleinen geben auf, die Großen wachsen weiter. Die vielen Plakate, die auf das Höfesterben Bezug nehmen („Stirbt der Bauer, stirbt das Land“), sind ein Ausdruck dieser Unzufriedenheit. [...]

Zunächst müssen die Behörden klipp und klar machen, dass Hass keinen Platz auf den Demonstrationen hat und konsequent gegen diesen einschreiten. Vor allem aber ist der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit allen anderen Organisatoren in der Pflicht, rechte Umtriebe konsequent zu ächten und von den Protesten auszuschließen.

Aber auch die Ampel muss ihre Prioritäten überdenken: Zwar war die Streichung der Agrardieselförderung im Kern richtig, da staatliche Subventionen für fossile Energieträger in Zeiten der Klimakrise natürlich abgeschafft werden müssen. Trotzdem steht fest: Andere, weniger notwendige Subventionen hätten zuerst abgebaut werden können und müssen.

Und das Wichtigste: Die Regierung muss sich endlich ernsthaft der Krise der deutschen Landwirtschaft annehmen und die zugrundeliegenden Probleme angehen! Dafür muss sie auch nicht bei Null anfangen, sondern kann auf die Arbeit der sogenannten Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zurückgreifen, der bereits seit 2021 in der Schublade liegt und darauf wartet, endlich in konkrete Politik übersetzt zu werden. In der ZKL haben Bauern- und Umweltverbände gemeinsam Vorschläge erarbeitet, wie der dringend notwendige Umbau der Landwirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit so gelingen kann, dass er den Landwirt:innen auch sinnvolle wirtschaftliche Perspektiven bietet. Außerdem kann sich die Bundesregierung am agrarpolitischen 6-Punkte-Plan der ABL orientieren. In diesem zeigt der Verband kurzfristige Maßnahmen auf, die sowohl kostenneutral oder entlastend für den Bundeshaushalt sind als auch die Ökologisierung der Landwirtschaft vorantreiben und gleichzeitig zur wirtschaftlichen Sicherung vieler landwirtschaftlicher Betriebe beitragen. [...]"

(Bauernproteste: Es geht längst nicht mehr um den Dieselpreis, Umweltinstitut München 10.1.2024)



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