[...] haben wir zwei Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge besucht – und dort so Schreckliches gesehen, dass es uns noch lange bewegen wird. In Fylakio waren in einer Gemeinschaftszelle von knapp 40 Quadratmetern 26 Frauen „untergebracht“. Verzweifelt schreiend, weinend und dicht gedrängt am Eingangsgitter haben die Frauen aller Altersgruppen und Nationalitäten uns um Hilfe angefleht, weil sie unter diesen Bedingungen zum Teil seit fünf Monaten gefangen gehalten wurden.
Wir glaubten, viel schlimmer könne es nicht kommen. Das war ein Irrtum, [...]
(Veit:Rettungsschirm für Flüchtlinge)
Über das Leben im Getto in Lodz (hier war freilich die Vernichtung der Bewohner das Ziel, nicht ihre zwangsweise Rücksendung in ihr Fluchtland):
So schwer das Leben auf den Gettomenschen auch lastet, wollen sie doch nicht ganz und gar auf jedes kulturelle Leben verzichten. Die Auflassung der Institution des Kulturhauses hat im Getto die letzten Reste eines Kultur- und Gesellschaftslebens geraubt. Aber die Zaehigkeit und Vitalitaet des durch die zahllosen Schlaege gehaerteten Gettobewohners sucht immer neue Wege, um den Hunger nach etwas Kulturgut zu stillen. Insbesondere ist das Beduerfnis nach Musik sehr intensiv. So haben sich allmaehlich, freilich nur fuer eine gewisse Oberschichte, kleine Zentren gebildet, in denen Musik gepflegt wird. Da sind es Berufsmusiker, dort wieder Amateure, die fuer einen engen Kreis von Geladenen musizieren. Es wird Kammermusik betrieben und gesungen. Dann wieder bilden sich kleine fast familiaere Kreise, in denen in bescheidenem Masse etwas geistige Nahrung verabreicht wird. Dichter und Schriftsteller lesen aus eigener Werkstaette. Rezitatoren interpretieren Altes und Neueres der internationalen Literatur, so rettet das Getto etwas von seinem frueheren geistigen Leben.
(Chronik des Gettos Lodz, Tagesbericht vom 24.11.1943)
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