Freitag, 6. September 2024

Guterres zu Reformbedüftigkeit der UNO

António Manuel de Oliveira Guterres:

"[...] Die internationalen Entscheidungsprozesse hängen in einer Zeitschleife fest. Etliche der globalen Institutionen und Instrumente sind ein Produkt der 1940er-Jahre – einer Zeit vor der Globalisierung, vor der Dekolonialisierung, vor der weitgehenden Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte und der Geschlechtergleichstellung, bevor Menschen in den Weltraum vordrangen, vom Cyberspace ganz zu schweigen. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs haben im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach wie vor eine Vorrangstellung inne, während dem gesamten afrikanischen Kontinent ein ständiger Sitz vorenthalten bleibt. Die globale Finanzarchitektur ist stark zu Lasten der Entwicklungsländer ausgelegt und nicht in der Lage, ihnen in schwierigen Situationen ein Sicherheitsnetz zu bieten, sodass sie in Schulden ertrinken. Dadurch gehen ihnen Gelder verloren, die für Investitionen in die eigene Bevölkerung fehlen.

Dazu kommt, dass die globalen Institutionen nur begrenzten Raum für viele der gegenwärtig wichtigsten Akteure bieten – von der Zivilgesellschaft bis hin zur Privatwirtschaft. Junge Menschen, denen einst die Zukunft gehören wird, sind nahezu unsichtbar; die Interessen der künftigen Generationen finden kein Gehör.

Die Botschaft lautet im Klartext: Eine Zukunft für unsere Enkelkinder können wir nicht mit einem System aus der Zeit unserer Großeltern gestalten. Der Zukunftsgipfel bietet die Chance, einen Neustart für die multilaterale Zusammenarbeit durchzuführen und sie für das 21. Jahrhundert tauglich zu machen. 

Zu den von uns vorgeschlagenen Lösungen zählt die Neue Agenda für den Frieden, deren Ziel es ist, die internationalen Institutionen und Instrumente zur Verhütung und Beilegung von Konflikten, einschließlich des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, auf den Stand der heutigen Zeit zu bringen. Die Neue Agenda für den Frieden enthält die Forderung,

einen erneuten Vorstoß zu unternehmen, unsere Welt von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen zu befreien und die Definition von Sicherheit so auszuweiten, dass auch geschlechtsspezifische Gewalt und Bandengewalt davon erfasst werden. Sie berücksichtigt zukünftige Sicherheitsbedrohungen und erkennt dabei den sich wandelnden Charakter der Kriegführung und die Risiken einer Zweckentfremdung neuer Technologien als Waffen. So brauchen wir beispielsweise eine globale Vereinbarung über das Verbot sogenannter letaler autonomer Waffensysteme, die ohne menschliches Zutun Entscheidungen über Leben und Tod treffen.

Die globalen Finanzinstitutionen müssen auf der Höhe der Zeit und dafür gerüstet sein, energischer auf aktuelle Herausforderungen – Verschuldung, nachhaltige Entwicklung, Klimamaßnahmen – zu reagieren. Dazu gehören konkrete Schritte zur Eindämmung der Überschuldung, zum Ausbau der Kreditvergabekapazitäten der multilateralen Entwicklungsbanken und zur Änderung ihres Geschäftsmodells mit dem Ziel, den Entwicklungsländern deutlich verstärkten Zugang zu privaten Finanzmitteln zu erschwinglichen Konditionen zu bieten.

Ohne diese Mittel werden die Entwicklungsländer nicht in der Lage sein, unsere größte zukünftige Bedrohung, die Klimakrise, zu bewältigen. Sie benötigen dringend Ressourcen, um den Übergang von umweltschädlichen fossilen Brennstoffen auf umweltschonende, erneuerbare Energien zu vollziehen. Schon im vergangenen Jahr hoben die Staats- und Regierungsoberhäupter hervor, dass die Reform der globalen Finanzarchitektur auch ein wichtiger Faktor ist, um den so dringend notwendigen Fortschritten bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung neuen Anschub zu verleihen." (FR6.9.24)

Keine Kommentare: