Dienstag, 13. September 2022

euro|topics: Was bedeuten die ukrainischen Rückeroberungen?

 

Innerhalb weniger Tage hat die ukrainische Armee im Gebiet Charkiw große Gebiete zurückerobert. Russland reagierte mit einem überstürzten Abzug aus der Region, aber auch mit Raketenangriffen auf zivile Kraftwerke in der Ukraine. Kommentatoren fragen sich, wie der Erfolg möglich wurde - und welche Konsequenzen sich für Kyjiw, den Westen, aber auch für Moskau daraus ergeben.

THE CONVERSATION (FR)

Strategisches Dilemma für Kyjiw

Die Rückeroberungen im Nordosten zwingen die Ukraine zu einer schweren Entscheidung, analysiert Politologe Cyrille Bret in The Conversation:

„Diese Gegenoffensiven bringen offenkundig die Entschlossenheit der Ukrainer zum Ausdruck, ihren Staat zu retten, ihr Gebiet und ihre Souveränität zu verteidigen. Sie sind jedoch im Raum und in ihren Ergebnissen begrenzt. Daher spitzt sich die Frage nach dem von der Ukraine verfolgten strategischen Ziel zu. … Sollten sich die derzeit verzeichneten taktischen Erfolge bestätigen und wiederholen, wird die ukrainische Regierung vor ein echtes Dilemma gestellt: einen vollständigen Sieg in weiter Ferne anstreben oder einen unzufriedenstellenden Frieden in näherer Zukunft vorziehen?“

Cyrille Bret
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PÚBLICO (PT)

Abtretung der Krim als Zugeständnis an Moskau

Público sieht Chancen für eine Verhandlungslösung, sofern beide Seiten Zugeständnisse machen:

„Es ist unrealistisch, die Kapitulation einer der beiden Parteien zu fordern. Das wird weder von Russland noch - zu Recht - von der Ukraine akzeptiert werden. Beide könnten kleine Siege verbuchen, falls man den Status der Krim einbezieht. Die Krim ist historisch gesehen kein ukrainisches Hoheitsgebiet und könnte unter russische Souveränität zurückkehren, wodurch die seit 2014 bestehende De-facto-Situation festgeschrieben würde. Das wäre ein Trumpf, um die öffentliche Meinung und den Moskauer Militarismus zu beschwichtigen. ... Und die Ukraine könnte stolz darauf sein, dass sie zum ersten Mal seit 300 Jahren einen Annexionsversuch ihres riesigen Nachbarn abwehren konnte.“

Manuel Carvalho
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KRISTELIGT DAGBLAD (DK)

Lehren aus Versailles nicht ignorieren

Die Geländegewinne der Ukraine sind erfreulich, aber zugleich auch Grund zur Sorge, meint Kristeligt Dagblad:

„Das Risiko besteht darin, dass [in Russland] fanatische Nationalisten übernehmen, die sich nicht scheuen, Atomwaffen einzusetzen oder hunderttausende Wehrpflichtige als Kanonenfutter zu mobilisieren. ... Daher ist es höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie Russland vor sich selbst und der totalen Demütigung gerettet werden kann. Darauf gibt es keine einfachen Antworten, aber das erschreckendste Beispiel ist nach wie vor der Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg, der ein gedemütigtes Deutschland hinterließ, das 20 Jahre später Rache nahm und die bis heute weltweit schlimmste Kriegskatastrophe verursachte.“

Henrik Hoffmann-Hansen
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KALEVA (FI)

Putin gerät auch zu Hause unter Druck

Putin kann nicht länger zum Rückzug der russischen Armee schweigen, wenn er seinen Rückhalt bei Bevölkerung und Eliten bewahren möchte, meint Kaleva:

„Ziemlich außergewöhnlich ist, dass eine Reihe lokaler Abgeordneter in Moskau, St. Petersburg und der Kleinstadt Kolpino bei St. Petersburg öffentlich den Rücktritt des Präsidenten forderten. Noch ist zu erwarten, dass diese Forderung denjenigen, die sie stellen, mehr Probleme bereiten wird als Putin selbst, aber auch der Druck auf den Präsidenten wächst von Tag zu Tag. Bis zum frühen Montagabend hatte er sich nicht zur jüngsten militärischen Entwicklung geäußert. Das Schweigen kann nicht weitergehen. Andernfalls entsteht der Eindruck eines ratlosen Präsidenten. Dieser Eindruck könnte aber auch richtig sein.“

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AARGAUER ZEITUNG (CH)

Die Wende mit mehr Waffen absichern

Der militärische Erfolg der Ukraine zeigt für die Aargauer Zeitung zweierlei:

„1. Nur die Ukrainer entscheiden, wann es Zeit wird für Verhandlungen. Niemand sonst. Und 2. Westliche Waffenlieferungen machen den entscheidenden Unterschied. Panzer aus Polen, Transporter aus den USA, Geheimdienstinformationen und moderne Artillerie- sowie Luftabwehrgeschütze ermöglichen es den Ukrainern, ihr Land zurückzuholen. Putins Armee ist noch nicht geschlagen. Doch dieser Vorstoss könnte den Wendepunkt bedeuten. Wenn der Westen jetzt nicht einknickt, sondern alles liefert, was die Ukraine braucht, kann sie diesen Krieg gewinnen.“

Fabian Hock
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