Donnerstag, 12. Dezember 2019

euro|topics: Von der Leyens 'Green Deal' - Macrons Rentenreform


Von der Leyens 'Green Deal': Teuer, aber richtig?
Am gestrigen Mittwoch hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um Europa bis 2050 'klimaneutral' zu machen. Eine Billion Euro will sich die Union den 'Green Deal' bis 2030 kosten lassen, zu dem auch eine CO2-Steuer auf Importe gehört, die nicht gemäß den EU-Klimastandards produziert wurden. Europas Presse debattiert, ob diese Kosten gerechtfertigt sind.
NRC HANDELSBLAD (NL)

Nichtstun wäre teurer

Von der Leyen hat sich eine riesige Herausforderung auferlegt, analysiert NRC Handelsblad:
„Für die Umsetzung bleibt die Union in hohem Maße abhängig von den Mitgliedsstaaten. Wie schwierig es ist, die Bürger, besser gesagt die Wähler, für Klima-Maßnahmen zu gewinnen, wurde vergangenes Jahr in den Niederlanden deutlich. Und da ging es nur um die Ankündigung eines ersten Maßnahmenpakets. Der Widerstand ist in anderen EU-Ländern nicht kleiner. Und dann sind da auch noch die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten. ... Der Green Deal zeigt nach allen Seiten, dass es Europa ernst ist. Zurzeit geht es noch um Makropolitik. Aber auf der Mikroebene werden die Maßnahmen tief einschneiden. Die Kosten sind in jeder Hinsicht hoch. Aber, wie Ursula von der Leyen zu Recht sagte: Die Kosten des Nichtstuns wären noch höher.“
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DIE PRESSE (AT)

Endlich kommt die CO2-Importabgabe

Europas Wirtschaft wird ausreichend geschützt, freut sich Die Presse:
„Klar, wenn die [österreichische Stahlfirma] Voest für ihren Stahl teure CO2-Zertifikate bezahlen muss, hat sie gegenüber dem Stahlwerk in der Ukraine, das das nicht muss, einen Nachteil. Und es hilft dem globalen Klima nichts, wenn wir solche Industrien aus Europa vertreiben. Dieser Punkt wird nun im 'Green New Deal' aufgegriffen. Und zwar in Form einer CO2-Importabgabe. Diese von Experten schon seit Langem geforderte Abgabe fungiert wie ein Zoll anteilig auf den CO2-Ausstoß von Produkten, die aus Drittstaaten in die EU importiert werden. Und auch wenn Zölle grundsätzlich abzulehnen sind, ist es die einzige Möglichkeit, eine zukunftsorientierte Klimapolitik zu betreiben, ohne die eigene Wirtschaft zugrunde zu richten.“
Jakob Zirm
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CONTREPOINTS (FR)

Geld wird in den Taschen von Schlawinern enden

Die geplante großzügige Finanzierung der Vorhaben zur Klimarettung sieht Atomkraftverfechter Michel Gay in Contrepoints skeptisch:
„Aus diesem Segen öffentlicher Gelder, die von allen Europäern in Form von Einkommens- und Verbrauchsteuern (Kraftstoffe, Elektrizität, Verkehrsmittel …) gezahlt werden, werden gerissene Geschäftsleute Profit schlagen: die, welche am glaubhaftesten behaupten, ihre Dienste zum Erreichen der 'CO2-Neutralität 2050' seien unerlässlich. … Wird dieses 1000-Milliarden-Euro-Programm wirklich dem europäischen Wachstum dienen? Oder wird es Kumpane und Schlawiner diskret mit Milliardenzahlungen versorgen, wie es bei den Windrädern geschieht? … Die Schulden in Milliardenhöhe belasten die Zukunft unserer Kinder zusätzlich, denn sie zahlen die Rechnung für diese 'Klimarettung', deren Finanzierung vielleicht bald zum Skandal des Jahrhunderts wird.“
Michel Gay
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FINANCIAL TIMES (GB)

Europas Förderpolitik ökologisieren

Der Fokus sollte auf jene Unternehmen gerichtet werden, die aktiv mitwirken, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, fordert Financial Times:
„Von der Leyens Forderung, Investitionen auf den Green Deal auszurichten, bedeutet, dass sich die Industrie- und Innovationspolitik nicht auf bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige konzentrieren sollte. Vielmehr sollten Unternehmen in allen Bereichen unterstützt werden, die bereit sind, durch Innovation und Transformation in einer Form zu wachsen, die zur Ökologisierung beiträgt. Dies bedeutet, dass sich der Denkansatz grundlegend ändern muss: Es sollte nicht mehr darum gehen, die 'Sieger' auszuwählen, sondern die 'Willigen'. Ironischerweise war Großbritannien in dieser Frage führend und nutzte einen solchen Ansatz für seine Industriestrategie - bevor das Land vom Brexit verzehrt wurde.“
Mariana Mazzucato
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Protektionismus mit grünem Anstrich

In Corriere della Sera erklärt Wirtschaftsexperte Federico Fubini, warum der Green Deal der Industrie Angst macht:
„Die EU, die Ursula von der Leyen die Kommission anvertraut hat, ist auf dem Weg zum Postliberalismus. Sie stellt sich immer weniger gegen Interventionismus, ist offener für protektionistische Mittel, die sie als edle Absichten tarnt, und zunehmend bereit, die Konzentrationen der sogenannten 'europäischen Champions' zu tolerieren. ... Das ist zum Teil der ökologischen Berufung geschuldet, die mit dem Aufstieg der grünen Parteien (fast 10 Prozent im neuen Europäischen Parlament) in Brüssel Fuß fasst. … Der grüne Faktor definiert eine neue Gleichung: Nicht nur wird die exportierende Industrie anfangs weniger wettbewerbsfähig sein, sie wird auch mehr Investitionen benötigen. Aus diesem Grund erwachen protektionistische Instinkte.“
Federico Fubini
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Von der Leyens 'Green Deal': Wer muss leiden?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um Europa bis 2050 'klimaneutral' zu machen. Eine Billion Euro will sich die Union den 'Green Deal' bis 2030 kosten lassen, zu dem auch eine CO2-Steuer auf Importe gehört, die nicht gemäß den EU-Klimastandards produziert wurden. In Nord-, Ost-, und Mitteleuropa bangen Kommentatoren aus unterschiedlichen Gründen.
LIDOVÉ NOVINY (CZ)

Kalte Dusche für Länder mit Atomstrom

Die Position, Atomkraft sei eine "grüne Energie", hat sich beim Ringen um einen Klimakompromiss nicht durchsetzen können, stellt Lidové noviny enttäuscht fest:
„Hätte der Ausstoß von CO2 eine so grundlegende Priorität, wie immer vorgegeben wird, wäre die Einordnung der emissionsfreien Kernenergie sinnvoll gewesen. Da es aber in der Praxis des Green Deals nicht nur um Emissionen geht, sondern auch um Abfälle und andere Dinge, wird die Kernenergie zwar nicht als schmutzig verboten, bekommt aber auch nicht den Aufkleber einer 'grünen Investition'. Für Tschechien, Frankreich und andere Länder, die mit der Kernenergie zur Klimaneutralität wollen, ist das eine kalte Dusche. Nach dem Motto: Baut nur weiter Atomkraftwerke, aber ohne Vorzugsbedingungen. Das riecht nach dem Versuch einer Umerziehung.“
Zbyněk Petráček
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KAUPPALEHTI (FI)

Finnland muss um seine Forstwirtschaft bangen

Hoffentlich versteht man in Brüssel, dass man Wälder auch nachhaltig bewirtschaften kann, sorgt sich Kauppalehti:
„Ein für Finnland sensibles Thema ist die Frage, was die EU-Kommission in Bezug auf die Wälder plant. Finnland fragt sich, ob in der EU wirklich verstanden wird, dass die wirtschaftliche Nutzung des Waldes auch nachhaltig sein kann. In der EU werden Wälder vorwiegend im Hinblick auf die biologische Vielfalt und als Kohlenstoffsenker gesehen. Die von der EU angestrebte neue Forststrategie und die Modernisierung der Rechtsvorschriften führen dazu, dass sich der Forstsektor in fortwährender Unsicherheit befindet.“
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MAGYAR NEMZET (HU)

Mitteleuropa will nicht doppelt blechen

Mitteleuropa sollte nicht für das Klimakonto des Westens zahlen müssen, moniert die regierungsnahe Magyar Nemzet:
„Wir sind es nicht, die 'den Himmel heizen': Der Großteil unserer Industrie - und damit auch der Großteil unseres Schadstoffausstoßes - ist aufgrund der zumindest umstrittenen Privatisierung der frühen 1990er Jahre verschwunden. Wir müssen hinzufügen: gerade im Interesse des Westens. ... Jetzt wollen wir nicht noch einmal bezahlen, wie ein Gelackmeierter, und auch nicht hinnehmen, dass der ungarische (oder polnische) Bauer, die Regionen und Dörfer weniger Förderung erhalten, weil die EU sich das schöne Ziel vorgenommen hat, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken.“
László Szőcs
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TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Am Wachstum wird nicht gerüttelt

Das grundlegende Manko des Deals ist, dass das Paradigma des ewigen Wachstums nicht infrage gestellt wird, kritisiert die taz:
„Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe, und wenn die Energie erneuerbar ist und die Rohstoffe recycelt sind, ist das immer noch so. Weil auch jedes Windrad Natur wegnimmt, jedes Elektroauto auf Asphalt fährt und auch recycelte Rohstoffe enorme Mengen Energie zur Herstellung verbrauchen. ... Würde die EU umsetzen, was sie selbstverliebt angekündigt hat, das Wachstum wäre dahin. Vielleicht weiß das Brüssel ja und sagt es nur niemandem. Eine schale Hoffnung.“
Ingo Arzt
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Frankreich: Regierung schwächt Rentenreform ab
Nach massiven Protesten hat Premier Edouard Philippe eine abgeschwächte Version der kritisierten Pläne für Frankreichs Altersvorsorge vorgestellt. Das Renteneintrittsalter soll vorerst bei 62 Jahren bleiben, eine 1000-Euro-Grundrente eingeführt und die zahlreichen Sonderregelungen durch ein einheitliches System ersetzt werden. Die Medien sind sich uneins, ob das den Zorn des Volkes besänftigen kann.
LE FIGARO (FR)

Eine positive Überraschung

Premier Edouard Philippe hat einen guten Kompromiss gefunden, lobt Le Figaro:
„Die Versuchung war groß, in dem Sturm, der durch Frankreich fegt, gegenüber denjenigen nachzugeben, die die Sicherstellung einer ausgeglichenen Finanzierung der Renten als nachrangig betrachteten. ... Der Premier hat dieser Bequemlichkeit widerstanden. Die sanfte Einführung eines dem Ausgleich dienenden Renteneintrittsalters von 64 Jahren wirkt wie ein vernünftiger Kompromiss, der eine dauerhafte Finanzierung unserer Renten sicherstellt ... Nicht zuletzt sieht die Reform die Abschaffung der Sonderregelungen für gewisse Berufskategorien vor, die durch nichts mehr zu rechtfertigen sind.“
Gaëtan de Capèle
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Macron hat schon verloren

Macron wird nun zwischen zwei Übeln entscheiden müssen, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Entweder er zwingt die Reform durch das Parlament, ohne auf die gemäßigten Gewerkschaften Rücksicht zu nehmen. Dann steht er als Spalter eines ohnehin zerrissenen Landes da. Oder Macron gibt nach ersten Zugeständnissen vom Mittwoch auch der Forderung nach, auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu verzichten, verwässert so die Reform weiter, opfert womöglich den Premierminister. Dann aber verliert Macron sein wichtigstes Gut: seine politische Identität als furchtloser Reformer. Entspricht er ihr nicht mehr, wird sich seine Wählerbasis abwenden.“
Leo Klimm
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