Freitag, 30. November 2018

euro|topics: Moskau und Kiew: Worum geht es im Asowschen Meer? - Genmanipulierte Babys in China


Das ukrainische Parlament hat am Dienstag der Verhängung des Kriegsrechts für zunächst 30 Tage zugestimmt. Hintergrund ist ein Zwischenfall in der Meerenge von Kertsch. Dort hatte Russland vorübergehend das Fahrwasser unter der neuen Krim-Brücke blockiert und mit seiner Marine die Durchfahrt mehrerer ukrainischer Militärschiffe gewaltsam gestoppt. Kommentatoren glauben, dass beide Seiten aus der Eskalation Kapital schlagen.
ECHO MOSKWY (RU)

Zündelnde Präsidenten

Echo Moskwy vertritt die Ansicht, dass die Krise von Kertsch hier wie dort ausgeschlachtet wird:
„Poroschenko droht bei den Wahlen durchzufallen. In der Ukraine sind das - kein Witz - wirklich Wahlen, 20 Jahre lang durchregieren geht da nicht. Doch seine Beliebtheitswerte sind im Keller. Und weil Poroschenko nicht die Möglichkeit hat, einen kleinen siegreichen Krieg anzuzetteln, sorgt er halt für eine kleine siegreiche Niederlage. So wird jetzt originellerweise eine Armee in vollständige Kampfbereitschaft versetzt, die vollständig nicht kampfbereit ist. Doch auch Russland kommt jeder Tropfen Benzin, der ins ukrainische Feuer gegossen wird, sehr gelegen. Auch das Rating unseres Anführers fällt. Und das Volk sorgt sich mehr um sein eigenes Leben als um Syrien oder die verfluchten Banderowzy [rechtsextreme Anhänger von Stepan Bandera (1909 – 1959) in der Ukraine].“
Anton Orech
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EXPRESSEN (SE)

Russische Salami-Taktik

Hinter dem Zwischenfall in der Straße von Kertsch erkennt Expressen eine typisch russische Vorgehensweise:
„Der Kreml hat das Nachbarland seit langem als Experimentierwerkstatt für militärische Grauzonenstrategien genutzt. Die Halbinsel Krim wurde 2014 von russischen Spezialeinheiten ohne Länderabzeichen - 'kleine grüne Männer' - besetzt, was die Welt lange verwirrte. So wurden vor Ort Tatsachen geschaffen. ... Die Strategie des Kremls ist eine Salami-Taktik: Durch kleine Positionsveränderungen, die jeweils für sich genommen nicht ernst genug sind, um deshalb Krieg zu führen, wird das Kräfteverhältnis dauerhaft zum Vorteil Russlands verändert. Wladimir Putin braucht eine Krise. Seine unpopuläre Rentenreform hat seine Meinungsumfragen erschüttert. ... Lasst nicht zu, dass Putin ungestraft einen weiteren Bissen von der Ukraine bekommt.“
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VERSLO ŽINIOS (LT)

Zum ersten Mal ohne Maske

Verslo žinios hebt einen Punkt besonders hervor:
„In dieser ganzen Eskalation ist die wichtigste Tatsache diese: Zum ersten Mal nach 2014 greift Russland die Ukraine unter der russischen Flagge an. Bisher schob es die Verantwortung stets anderen in die Schuhe. … Es ist wichtig, dies zu verstehen und zu wiederholen: Ein seit fünf Jahren tobender hybrider Krieg wurde zu einem offenen Krieg unter der russischen Flagge. Das ist kein zwischenstaatlicher Konflikt wegen irgendwelchen Grenzverläufen. Das ist ein vom Aggressor Russland geführter Krieg gegen die Ukraine. Wir dürfen keine sanfteren Ausdrücke wählen. Ein Krieg ist ein Krieg. Ein Aggressor ist ein Aggressor. Wir müssen endlich klare Worte benutzen.“
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THE GUARDIAN (GB)

Westen hat Russland zu sehr gedemütigt

Dass Moskau nach Ende des Kalten Krieges nicht aktiv in die politische Neuordnung Europas einbezogen wurde, rächt sich nun bitter, klagt The Guardian:
„Es ist unübersehbar, dass es Europa an einem gemeinsamen Forum fehlt, in dem derartige Eskalationen erörtert und möglicherweise gelöst werden können. Dem Ende des Kalten Krieges in Europa folgte keine Überarbeitung der Abkommen von Jalta und Potsdam, die vor, beziehungsweise unmittelbar nach Ende des Zweiten geschlossen worden waren. Es gab keinen neuen Vertrag mit Russland. Der Versuch, das Land mit der Nato militärisch zu umzingeln, war genauso unbesonnen wie Londons Bemühen, Moskaus Heer von Oligarchen und Kleptokraten mit offenen Armen zu empfangen. Gut möglich, dass Historiker den Umgang mit dem besiegten und niedergeschlagenen Russland in den 1990er-Jahren vergleichen werden mit dem Deutschlands nach 1918.“
Simon Jenkins
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Moskau und Kiew: Worum geht es im Asowschen Meer?
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Genmanipulierte Babys in China geboren
Der chinesische Forscher He Jiankui hat auf Youtube die Geburt der weltweit ersten genmanipulierten Babys verkündet. Dank des Eingriffs sollen die beiden Mädchen resistent gegen HIV sein. Der Versuch löste weltweit Entsetzen aus, die Universität in Shenzhen, an der He Jiankui lehrt, distanzierte sich davon. Die chinesische Regierung ordnete eine Untersuchung an. Wie weit darf Forschung gehen?
LA REPUBBLICA (IT)

Verstoß gegen die Ethik der Medizin

Für Alberto Mantovani, wissenschaftlicher Direktor des Mailänder Istituto Clinico Humanitas, sind Form und Inhalt der Bekanntgabe gleichermaßen verwerflich, wie er in La Repubblica erklärt:
„Ich bin empört über die Methode, weil wir auf Youtube nicht über ein solches Ereignis informieren, das eine kritische Bewertung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft erfordert. Ebenso empört bin ich über den Inhalt. Denn wir müssen uns fragen, welchen Sinn es hat, eine Genmanipulation bei einem Embryo vorzunehmen, um eine Krankheit zu verhindern, vor der wir uns sowohl durch unseren Lebensstil als auch durch Verhütung beim Geschlechtsverkehr wirksam schützen können. Wenn das, was gesagt wurde, der Wahrheit entspricht, halte ich es für einen Verstoß gegen die Ethik der Medizin und den hippokratischen Eid. Ich hoffe daher, dass die chinesischen Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen werden.“
Alberto Mantovani
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EL MUNDO (ES)

Ein Staat ohne Respekt vor dem Leben

El Mundo vermutet hinter dem Experiment auch geschäftliche Interessen des Arztes:
„Die Folgen sind besonders schwer, wenn man weiß, das He Jiankui mehrere Biotech-Firmen besitzt, die Nutzen aus der Sache ziehen könnten. ... Die Wissenschaft darf solche Forschungen nicht unterstützen. Alles, was nicht dem Leben dient, ist moralisch verwerflich, daran gibt es keine Zweifel. Als der Mensch im 20. Jahrhundert begann, Technik von Moral zu trennen, schuf er die Hölle. ... China hat sich als Staat erwiesen, der weder vor dem Leben noch vor den Menschenrechten den geringsten Respekt hat.“
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DER TAGESSPIEGEL (DE)

Veränderungen am Erbgut nicht verteufeln

Wer nun einfach nur den Empörungshammer rausholt, blendet die Chancen der Genmanipulation aus, warnt Der Tagesspiegel:
„Ja, es ist ein Tabubruch, der sich, theologisch gesprochen, auch als Tod der Schöpfung kritisieren lässt. Dem steht allerdings eine erhoffte Minderung menschlichen Leidens gegenüber, die es ebenfalls verdient hat, in die Waagschale geworfen zu werden. Ein reifes moralisches Urteil muss Differenzierungen vornehmen. Genveränderungen sind der elementare Bestandteil der Evolution, die Vorstellung einer ewig gleichen menschlichen Keimbahn ist falsch. Nicht, dass Gene verändert werden, schreckt auf, sondern dass sie durch Menschen verändert werden. Doch auch die Natur hat unsere Gene nicht optimal werden lassen, andernfalls gäbe es keine Erbkrankheiten. Die Frage, wer der bessere Erbveränderer ist, Mensch oder Natur, kann abschließend nicht beantwortet werden.“
Malte Lehming
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