Donnerstag, 19. Mai 2022

euro|topics: Nordirland-Protokoll und Mariupol

 

Nordirland-Protokoll: Verprellt London die EU?

Die britische Regierung will ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Regelungen des mit Brüssel vereinbarten Nordirland-Protokolls teilweise aussetzt. Bei Zollkontrollen zwischen den Inseln soll für Waren nach Nordirland ein Schnellverfahren gelten. Nordirische Unternehmen sollen zudem wählen können, ob sie britische oder EU-Standards anwenden. Europas Presse ist skeptisch.

THE GUARDIAN (GB)

Unnötiger Vertrauensbruch, unnötige Eskalation

Dieser Schritt ist unverantwortlich und destabilisierend, findet The Guardian:

„Indem Liz Truss jetzt ihre Bereitschaft erklärt, ein internationales Abkommen einfach aufzukündigen, sendet sie der Welt eine schädliche Botschaft: Man kann den Versprechen Großbritanniens nicht trauen. Sie verärgert damit auch unnötigerweise unseren wichtigsten Handelspartner und riskiert, eine Abwärtsspirale in den Beziehungen zur EU in Gang zu setzen - und das in Zeiten einer Wirtschaftskrise. Brüssel zeigt Verhandlungsbereitschaft und man ist sich einig darüber, dass eine flexiblere Umsetzung des Protokolls wünschenswert wäre. Auch wurden bereits Lockerungen angeboten, beispielsweise bei Lebensmittelkontrollen und Arzneimitteln. Warum also diese Eskalation?“

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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Keine Schwäche zeigen

London muss diesen Schritt jetzt mutig weitergehen, fordert hingegen The Daily Telegraph:

„Das Nordirland-Protokoll wurde zu einer Zeit vereinbart, als Remainer im Parlament alles in ihrer Macht Stehende taten, um die Position des Vereinigten Königreichs zu untergraben, wozu auch die Streichung der Möglichkeit gehörte, sich ohne Deal voneinander zu trennen. Der Verlauf der Gespräche und die Weigerung der EU, innovativere Lösungen der irischen Grenzfrage in Betracht zu ziehen, banden der Regierung die Hände. . ... Das schlimmste Resultat wäre nun, wenn die Regierung den Einsatz erhöht und dann aus Angst vor den Folgen doch vor den Maßnahmen zurückschreckt. Großbritannien hat schon mal dafür gezahlt, angesichts von Drohungen aus der EU Schwäche zu zeigen.“

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IRISH EXAMINER (IE)

Auf der falschen Baustelle unterwegs

Johnson will mit seinem Einwirken auf die Unionisten Bewegung in die nordirische Regierungsbildung bringen, kritisiert Irish Examiner:

„Dass das Protokoll ein hart umkämpfter Teil des Brexit-Abkommens zwischen der EU und Großbritannien war, welches von Johnson unterschrieben und als 'großartiges Abkommen' gelobt wurde, scheint für ihn jetzt kaum noch von Bedeutung zu sein. ... Anstatt zu versuchen, die Parteien in Stormont zu beschwatzen, wieder 'an die Arbeit' zu gehen, sollte er Gespräche mit der EU orchestrieren und das Problem im richtigen Forum lösen - nicht nur Risse in einer Mauer überkleben, die er selber mit errichtet hat.“

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SYDSVENSKAN (SE)

Jämmerliches Spektakel

Großbritannien muss sich damit abfinden, dass der Brexit eben auch negative Folgen hat, stellt Sydsvenskan klar:

„Das Brexit-Abkommen, das neue Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland verhindern soll, hat eine Grenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs geschaffen. Mit dem Brexit hat das Vereinigte Königreich nicht nur neue Grenzen zwischen sich und der EU, sondern auch innerhalb des Vereinigten Königreichs errichtet. ... Boris Johnson führte den Kampf für den Brexit an. Jetzt ist er unzufrieden mit den Folgen für Großbritannien. Jämmerlich.“

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SALZBURGER NACHRICHTEN (AT)

Johnsons Lügen holen ihn ein

Zumindest theoretisch gäbe es für London einen einfachen Ausweg aus dem Dilemma, finden die Salzburger Nachrichten:

„Nun wollen Johnson und seine forsche Außenministerin Liz Truss das Nordirland-Protokoll kurzerhand versenken. Einseitig, völkerrechts- und vertragswidrig. Ein gelinde gesagt absurder Vorgang, denn es ist nur geschehen, was klar war: Die britische Provinz Nordirland kann nicht gleichzeitig in und außerhalb der EU sein. ... Es gäbe ja eine simple Lösung. London müsste nur die Lebensmittel- und Tiergesundheitsstandards der EU weiterhin selbst anwenden. Dann wäre der Löwenanteil aller Kontrollen hinfällig. Damit aber wäre eine nächste Lüge Johnsons ausgehebelt, nämlich dass sämtliche EU-Regeln überflüssiger Nonsens sind.“

Martin Stricker
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Nordirland-Protokoll: Verprellt London die EU?
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Mariupol: 264 Soldaten ergeben sich

Die ukrainischen Kämpfer, die sich im Stahlwerk Asowstal bis zuletzt weigerten, sich den übermächtigen russischen Truppen zu ergeben, haben ihren Posten am 17. Mai verlassen und sich in russische Gefangenschaft begeben. Damit fällt die Schwarzmeer-Hafenstadt Mariupol endgültig an Russland. Kommentatoren erörtern, was das für den Verlauf des Krieges bedeutet und würdigen die Tapferkeit der Soldaten.

DE TELEGRAAF (NL)

Ein Sieg für Moskau - aber kein Ende des Krieges

Die Soldaten können kaum auf Gnade von Russland hoffen, fürchtet De Telegraaf:

„Der Kreml erklärte zwar schnell, dass man die Soldaten 'human' behandeln werde. ... Doch wer das platt bombardierte Mariupol sieht und den Haufen Schrott, zu dem die mächtige Stahlfabrik wurde, hat wenig Hoffnung, dass sich die Russen, die in der Hafenstadt in großem Stil Menschenrechte verletzt haben sollen, an die Absprachen halten werden. ... Der späte Fall von Mariupol ist ein Boost für Moskau, aber Kyjiw schöpft auch Hoffnung, weil es bei Charkiw Gebiete zurückerobert hat. Das blutige Kapitel Mariupol ist abgeschlossen, aber das Buch 'Überfall auf die Ukraine' ist noch nicht zu Ende.“

Frank van Vliet
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EL PERIÓDICO DE CATALUNYA (ES)

Jetzt bitte realistisch werden und verhandeln

El Periódico de Catalunya findet, dass sich im Gesamtbild nichts Grundlegendes geändert hat:

„Russland hat zwar die Kontrolle über die Küste des Asowschen Meeres erlangt, das sollte beide Seiten aber nicht daran hindern, Realismus walten zu lassen und Verhandlungen in Gang zu setzen. ... Für den Westen darf der Ausgang nicht folgenlos bleiben. Die enorme Hilfe zeigt Wirkung, aber es gibt keine Anzeichen für eine Niederlage Russlands. ... Emmanuel Macron hat gesagt, dass das ukrainische Regime vielleicht darüber nachdenken sollte, welche territorialen Zugeständnisse es zu akzeptieren bereit ist. Damit zieht er nur logische Schlussfolgerungen aus den objektiven Fakten der Krise.“

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GORDONUA.COM (UA)

Asows Kampfgeist für alle ukrainischen Soldaten!

Jurij Butusow, Chefredakteur von Censor.net, wünscht sich in Gordonua.com die Asow-Kampftruppe, bisher der Nationalgarde unterstellt, als Speerspitze der ukrainischen Armee:

„Ich glaube, dass nun auf Beschluss der militärischen Führung als Teil der ukrainischen Streitkräfte eine Asow-Sturmbrigade geschaffen werden sollte, um ihre großen Verdienste für das ukrainische Volk zu würdigen. All die Prinzipien, auf denen die phänomenale Kampfeffizienz von Asow beruht - die nationalistische Ideologie und die Vorstellungen der OUN [Organisation ukrainischer Nationalisten], das Nato-System der Befehlsgewalt und des Kampfeinsatzes, die Unteroffiziersschule, die Offizierslehrgänge, die hohe Motivation und Initiative der Kämpfer - all dies könnte in der Armee organisiert werden, um unseren Sieg näher zu bringen.“

Jurij Butussow
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DIE WELT (DE)

Ein Stoff für Hollywood

Für die Tageszeitung Die Welt sind die Verteidiger von Mariupol Helden:

„Viele haben ihr Leben geopfert in ihrem bewundernswerten Widerstand gegen die russische Übermacht. Und selbst als längst klar war, dass sie diesen Kampf auf lange Sicht nur verlieren konnten, haben sie daran festgehalten. Wenn es schon nicht mehr aussichtsreich schien, die Stadt vor der Übernahme durch Russland zu retten, so wollten sie wenigstens russische Kräfte in Mariupol binden, um es der Ukraine zu ermöglichen, die Front an anderen Stellen gegen die neue Offensive Moskaus im Osten zu halten. Die Abwehrschlacht von Mariupol ist ein Stoff, aus dem Bestseller und Hollywood-Filme entstehen.“

Clemens Wergin
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GAZETA WYBORCZA (PL)

Neue Helden helfen polnisch-ukrainischer Versöhnung

Gazeta Wyborcza hofft, dass dem polnisch-ukrainischen Streit um die historische Bewertung ukrainischer Nationalhelden nun der Boden entzogen wird:

„Im Laufe der Jahre haben wir in unseren Diskussionen mit den Ukrainern immer wieder gefragt, warum sie sich auf Helden des Zweiten Weltkriegs wie Stepan Bandera oder General Roman Schuchewytsch berufen. Schuchewytsch war tatsächlich Täter des Massakers in Wolhynien [ethnische Säuberungen der ukrainischen UPA-Partisanen unter der polnischen Zivilbevölkerung]. ... Die Ukrainer antworteten uns, dass sie außer Bandera und Schuchewytsch keine anderen historischen Helden haben. Heute hat die Ukraine neue Nationalhelden. Seit 2014 die Verteidiger des Donezker Flughafens oder die Pilotin Nadija Sawtschenko. ... Und jetzt die Verteidiger von Asowstal, einschließlich der Soldaten des Regiments Asow.“

Paweł Wroński
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Mariupol: 264 Soldaten ergeben sich

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