Mittwoch, 25. Mai 2022

euro|topics: Ukraine: Bewegung im Ringen um diplomatische Lösung

 


Der ukrainische Präsident Selenskyj setzt angesichts der Fortdauer des Krieges verstärkt auf Verhandlungen: In einem Interview sagte er am Wochenende, der Krieg könne letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. Gleichzeitig legte Italien den UN einen mehrstufigen Friedensplan vor. Wie hinnehmbar wäre ein Kompromissfrieden?

FRANCE INTER (FR)

Selenskyj an der Verhandlungsfront

France Inter sieht im Setzen auf Diplomatie einen Schritt in die richtige Richtung:

„Der Realismus, den der ukrainische Präsident an den Tag legt, steht im Gegensatz zu der Idee eines rein militärischen Sieges, den sich einige in den letzten Wochen vorgestellt und laut verkündet hatten. Dennoch scheinen ernsthafte Verhandlungen in nächster Zeit noch nicht möglich, weil die Logik der Waffen noch nicht an ihr Ende gekommen zu sein scheint. Aber de facto ist eine weitere Kriegsfront die der öffentlichen Diplomatie, der Signale, die die eine oder die andere Seite manchmal auf widersprüchliche Weise aussendet. Die Aussage von Präsident Selenskyj gehört dazu.“

Pierre Haski
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LA REPUBBLICA (IT)

Eine ausgestreckte Hand

Italien hat der Uno einen Plan für den Frieden in der Ukraine vorgelegt. La Repubbica schöpft Hoffnung:

„Die vier Kernpunkte des Plans bieten einen Rahmen für die Aufnahme von Gesprächen über einen Waffenstillstand, einschließlich des Seekorridors, wobei eine schrittweise Verringerung der Sanktionen im Gegenzug zu konkreten russischen Schritten in Aussicht gestellt wird. ... An dem Grundsatz der territorialen Integrität der Ukraine wird festgehalten, doch die Krim könnte, wie Selensky gestern ebenfalls andeutete, ausgeklammert werden. Der Plan gewährt Putin die Aussicht auf eine Konferenz zur Neudefinition der Machtverhältnisse in Europa, eine unabdingbare Bedingung für den Kreml. Voraussetzung ist ein Waffenstillstand, der heute jedoch der schwierigste Aspekt zu sein scheint.“

Gianluca Di Feo
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EESTI PÄEVALEHT (EE)

Keinen Frieden um jeden Preis

Der ehemalige Verteidigungsminister Margus Tsahkna warnt in Eesti Päevaleht vor einem aufgezwungen Kriegsende in der Ukraine:

„Manche Staatsoberhäupter wollen Frieden um jeden Preis, um ihr Gewissen wegen den vielen zivilen Opfern zu beruhigen. Man hofft, dass man nach dem Frieden zum business as usual zurückkehren kann. Estland hat die Ukraine sowohl militärisch, finanziell und wertebasiert stark unterstützt und das Geschehen zum Völkermord erklärt. Wir müssen dafür stehen, dass der Westen nicht vom Krieg ermüdet den leichteren Weg sucht mit einem aufgezwungenen Frieden. Estland muss das strategische Ziel des Westens formulieren und überall verteidigen. Das ist eine Welt ohne Putins Russland, damit es uns nie wieder gefährden kann.“

Margus Tsahkna
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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Von wegen geeinter Westen

Bei der Suche nach Wegen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs zieht der Westen leider nicht an einem Strang, klagt The Daily Telegraph:

„Bei allem Gerede über ein gemeinsames Vorgehen des Westens ist das Bild, wenn es darum geht, auf Putins Aggression zu reagieren, weitaus zerrissener – und es geht immer stärker in diese Richtung. ... Das westliche Bündnis ist nicht so geschlossen, wie wir vielleicht glauben möchten. Ja, Putin hat uns in diesem Jahr alle geschockt, und seine Taten erschüttern uns. Aber wie darauf reagieren? Das bleibt höchst unklar. Der Westen ist in seinem Entsetzen vereint. Aber wir sind uns alles andere als einig, wenn es darum geht, was wir angesichts dessen tun sollen.“

Douglas Murray
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Ukraine: Bewegung im Ringen um diplomatische Lösung

euro|topics: EU-Beitritt: Wie lange muss die Ukraine warten? - Russland blockiert ukrainisches Getreide

Sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Frankreichs Präsident Macron haben der Hoffnung der Ukraine auf einen schnellen EU-Beitritt erneut einen Dämpfer verpasst: Aus Fairness gegenüber anderen langjährigen Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan dürfe es keine Abkürzung in die EU geben, so Scholz. Macron hatte betont, das Verfahren könne "Jahrzehnte" dauern. Europas Presse diskutiert Zwischenlösungen.

LA STAMPA (IT)

Viele Zweifler am Schnellverfahren

Da kommt eine neue Zerreißprobe auf die EU zu, prophezeit La Stampa:

„Auf der einen Seite stehen die Befürworter eines schnellen Beitritts - in erster Linie Polen und die baltischen Republiken - und auf der anderen Seite diejenigen, die der Meinung sind, dass die Beitrittsphasen ausnahmslos für alle gleich sein sollten. Frankreich hat es klar und deutlich gesagt, und Clément Beaune, der neue bestätigte Europaminister, bekräftigte dies gestern. Auch andere haben, wenn man sie gefragt hat, dies bezeugt - etwa die Niederlande und Dänemark. Gestern stellte sich zudem Deutschland offiziell auf die Seite Frankreichs. Macron versucht, seine westlichen Verbündeten zu beruhigen und gleichzeitig den dünnen Gesprächsfaden mit Putin nicht abreißen zu lassen.“

Francesca Sforza
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ROMÂNIA CURATĂ (RO)

Dringend benötigter Anker

Eine Beitrittseinladung sowohl an die Ukraine, als auch die Republik Moldau und Georgien wäre jetzt angebracht, meint die Politologin Alina Mungiu-Pippidi in România Curată:

„Ich glaube, dass die EU mit dem Austausch von Fragebögen mit der Republik Moldau und der Ukraine (und Georgien) Zeit verliert. Selenskyj hat zwar nicht Recht, wenn er meint, dass wir wegen der russischen Lobby zögern würden, aber er hat Recht, dass eine sofortige Einladung das Einzige ist, was wir tun können. ... Wir sollten alle drei in die EU einladen, so wie es einst mit Rumänien und Bulgarien geschehen ist, die damals von Nationalismus im eigenen Land bedroht waren. ... Eine solche Einladung ist ein politischer und wirtschaftlicher Anker, ohne den man das Abdriften und die Panik nicht stoppen kann.“

Alina Mungiu-Pippidi
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ELDIARIO.ES (ES)

Am besten Schritt für Schritt

Der Politiker Ramón Jáuregui plädiert in eldiario.es wie zuvor Macron für eine Art Vorzimmer der EU:

„Die Ukraine wird europäisch sein, oder sie wird aufhören, zu existieren. Der Beitrittsprozess wird sehr, sehr lange dauern. ... Moldau und Georgien befinden sich im selben Prozess. ... Europa muss die Zukunft dieser Länder im Blick behalten, denn es geht um seine nachbarschaftlichen Beziehungen und seinen geopolitischen Einfluss. Dies kann jedoch nicht um den Preis geschehen, dass wir unsere Ansprüche zurückschrauben. ... Wir brauchen uns nur an die Schwierigkeiten zu erinnern, die durch die massive Integration der osteuropäischen Länder entstanden sind. ... Aus all diesen Gründen ist es sinnvoll, an eine Europäische Politische Gemeinschaft zu denken, die die Länder schon im Beitrittsprozess integriert.“

Ramón Jáuregui
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OBSERVADOR (PT)

Potenzielle Kandidaten nicht demotivieren

Die EU sollte für sie wichtige Nicht-EU-Länder stärker fördern, fordert die Ökonomin und ehemalige Abgeordnete des portugiesischen Parlaments Inês Domingos in Observador:

„Angesichts der Dringlichkeit für die Ukraine ist es sinnvoll, die wirtschaftlichen Beziehungen und die institutionellen und finanziellen Unterstützungsprogramme in den Nachbarländern, die für die Europäische Union von strategischer Bedeutung sind, zu stärken. ... Erstens, weil es angesichts der Gefahr zunehmender Konflikte im Osten aus Sicherheitsgründen eine Priorität ist, die schwächeren Demokratien in unserer Umgebung zu unterstützen. Aber auch, weil ein zu frühes Beitrittsverfahren die Gefahr birgt, die derzeitigen und potenziellen Kandidaten zu demotivieren, und das kann kontraproduktiv sein für die Reformen, die wir zu fördern versuchen.“

Inês Domingos
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EU-Beitritt: Wie lange muss die Ukraine warten?
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Hungersnot: Russland blockiert ukrainisches Getreide

Der weltweite Hunger hat einen dramatischen Höchststand erreicht. Die Zahl der Menschen mit starker Ernährungsunsicherheit erhöhte sich in zwei Jahren von 135 auf 276 Millionen, so die Uno. Der Ukraine-Krieg verschärft die Not dramatisch, weil Russland selbst kein Getreide mehr exportiert und dazu den Export aus den ukrainischen Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer blockiert. Muss der Westen eingreifen?

GORDONUA.COM (UA)

Kein Ausweg - außer Blockade zu beenden

Der Berater des Ministers für Infrastruktur, Mustafa Najem, schreibt in einem von gordonua.com übernommenen Facebook-Post:

„Zum ersten Mal seit Jahrzehnten werden wohl Millionen Menschen ohne Nahrungsmittel dastehen, nicht wegen einer Naturkatastrophe, sondern weil bereits geerntete Erzeugnisse nicht exportiert werden können. ... 70-75 Prozent unserer Exporte, einschließlich Getreide, werden über Seehäfen abgewickelt. ... Natürlich werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um die Waren an ihren Bestimmungsort zu bringen. Doch es gibt ein Problem. Mit unseren drei Donauhäfen, der Bahn und LKWs können wir maximal 3-4 Millionen Tonnen Agroprodukte pro Monat exportieren. Das ist nur die Hälfte (!) des Vorkriegsniveaus. Der einzige Ausweg ist, die Blockade der ukrainischen Häfen zu beenden. Mit oder ohne Waffen.“

Mustafa Najem
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LA REPUBBLICA (IT)

Die Retourkutsche

Die Situation ist vertrackt, betont La Repubblica:

„In Kyjiw beginnen die Menschen, sich an die große Hungersnot (Holodomor) zu erinnern. … Ist ein internationales Eingreifen denkbar? Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich darüber im Klaren sein, was für Moskau auf dem Spiel steht. Russland versucht, die Schwierigkeiten des Landkriegs durch die Kontrolle der Häfen auszugleichen. ... Während Moskaus Soldaten in den besetzten Gebieten ukrainisches Getreide zerstören oder stehlen - teilweise für Russlands Verbündeten Baschar al-Assad in Syrien - wird die russische Blockade von Odessa zur Retourkutsche gegen die westlichen Sanktionen: Solange diese nicht gelockert werden, werden russische Schiffe kein einziges Korn aus den ukrainischen Häfen lassen“

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Marta Dassù
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