Donnerstag, 26. September 2019

euro|topics: Trump und Johnson Symptome einer schwächelnden Demokratie

Es liegt nicht allein an Trump und Johnson, dass ihnen nicht recht beizukommen ist, sondern an schweren Fehlern, die andere begangen haben, und an der Zerstrittenheit derer, die versuchen, sie auszuschalten.

Impeachment-Verfahren: Eigentor für Demokraten?
Die US-Demokraten haben erste Schritte für ein Amtsenthebungsverfahren von Donald Trump eingeleitet. Hintergrund ist ein Anruf, bei dem Trump Ende Juli den ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufgefordert haben soll, seine Behörden auf den Sohn von Präsidentschaftsbewerber Joe Biden anzusetzen, der in der Ukraine im Vorstand eines Gasversorgers sitzt. Kommentatoren spekulieren, ob ein Impeachment Chancen hat.
LA REPUBBLICA (IT)

Vielleicht hat Trump es drauf angelegt

Trump scheint es geradezu auf ein Amtsenthebungsverfahren abgesehen zu haben, findet USA-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica:
„Schließlich hat der Präsident selbst zugegeben, dass er fünf Monate vor Beginn der Vorwahlen eine ausländische Macht um Hilfe gebeten hat, um den Kandidaten der Demokraten in Pole-Position zu verunglimpfen. ... Es wäre das dritte Mal in der amerikanischen Geschichte, dass dies geschehen würde. Jedoch hat noch kein Verfahren zu einer Amtsenthebung geführt, denn am Ende wurde nie die für das entscheidende Urteil notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat erreicht. Der Verdacht ist, dass Trump darauf setzt, in den Umfragen wieder aufzuholen, indem er die Rolle des Opfers im Wahlkampf spielt.“
Federico Rampini
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LIDOVÉ NOVINY (CZ)

Beide haben Dreck am Stecken

Ein Amtsenthebungsverfahren würde Trump eher nützen als schaden, glaubt auch Lidové noviny:
„Die potenziellen Kläger sagen, der Präsident habe Druck auf die Ukraine ausgeübt, Hunter Biden, den Sohn von Obamas Vizepräsident, unter die Lupe zu nehmen. Das sei gesetzwidrig und unannehmbar. Die Trump-Leute opponieren: Die Firma von Hunter Biden in der Ukraine sei schon früher wegen des Verdachts auf Korruption untersucht worden. Damals habe Vizepräsident Biden Kiew unter Druck gesetzt, den Generalstaatsanwalt abzuberufen. Was ist schlimmer? Das ist eine Frage an die amerikanischen Wähler.“
Zbyněk Petráček
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TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Kein gutes Wahlkampf-Thema

Dass sich die demokratische Partei in Sachen Themensetzung für den Wahlkampf keinen Gefallen getan hat, fürchtet die taz:
„[D]ie Ukraine-Affäre interessiert in Wirklichkeit niemanden, ähnlich wie die russischen Verwicklungen, die zu den Mueller-Ermittlungen führten. ... Anders ist es bei Trumps Migrations-, Klima-, Waffen-, Militär-, Frauen- und Bildungspolitik, bei seinem Hofieren von Rechtsextremen und Rassisten, seinen diskriminierenden Tweets, seinen aberwitzigen Handelskriegen. … Die Demokrat*innen konnten nun nicht mehr anders. Aber sie brauchen eine sehr schlaue Strategie, um die politische Empörung über Trump nicht in Ausschussdebatten über die Interpretation irgendwelcher Telefonmitschnitte verpuffen zu lassen.“
Bernd Pickert
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NRC HANDELSBLAD (NL)

Niemand steht über dem Gesetz

NRC Handelsblad hält das Impeachment-Verfahren trotz aller Risiken für die Demokraten für den richtigen Schritt:
„Die Frage ist, wie geschlossen stehen die Demokraten hinter dem Plan, den Präsidenten abzusetzen? Viele werden eine weiter fortschreitende Spaltung des Landes befürchten. Die Möglichkeit eines Rückschlags, der sich in einen Vorteil für Trump verwandelt, ist real. Genauso wie eine weiter gehende Beschädigung von Präsidentschaftskandidat Joe Biden. Aber die Einschätzung des zu erwartenden Schadens hat die Demokraten offensichtlich nicht davon abgeschreckt, nun durchzugreifen. Und das zu Recht, trotz aller möglichen Nachteile. Denn der Kern des Rechtsstaats in einer liberalen Demokratie ist: Niemand steht über dem Gesetz.“
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LA VANGUARDIA (ES)

Demokraten geben ein Lebenszeichen

Warum riskieren die Demokraten ein Scheitern auf ganzer Linie?, fragt La Vanguardia und antwortet wie folgt:
„Weil es vor den Wahlen noch schlimmer gewesen wäre, gar nichts unternommen zu haben. ... Sie hatten die Wahl zwischen Ohnmacht und Reaktion und haben den wichtigsten Stein auf dem Spielbrett bewegt. Er könnte ihnen weggenommen werden, aber es geht nicht ums Gewinnen, sondern darum, sich im Spiel zu halten. Die Demokraten mussten beweisen, dass sie noch leben, dass sie der Trump-Tsunami nicht weggespült hat und dass sie stark genug sind, um das Weiße Haus zu erobern. Sie nutzen das Impeachment-Verfahren auch, um ihre eigene Position zu stärken.“
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Impeachment-Verfahren: Eigentor für Demokraten?


Warum können sich Trump und Johnson halten?
Trotz Impeachment-Verfahrens respektive einer krachenden Niederlage vor Großbritanniens Oberstem Gericht sehen US-Präsident Trump und der britische Premier Johnson ihren Rückhalt beim Volk nicht gefährdet. Kommentatoren beschäftigen sich mit der Frage, warum es nicht unwahrscheinlich ist, dass sie die kommenden Wahlen in ihren Ländern gewinnen.
DE STANDAARD (BE)

Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden

De Standaard sieht eine große Gefahr für die Demokratie:
„Plötzlich müssen die Hebel umgelegt werden, die einst eingerichtet wurden für den unwahrscheinlichen, ja hypothetischen Fall, dass die Exekutive auf den irren Gedanken kommt, totalitäre Züge zu entwickeln. Doch an diesem unseligen Punkt befinden wir uns jetzt. Das ist eine große Herausforderung für die liberale Demokratie. Nicht nur durch die Schamlosigkeit, mit der Trump und Johnson die Grundregeln des politischen Systems mit Füßen treten, sondern auch durch die Sympathie, die sie damit bei ihren Anhängern hervorrufen. ... Die Demokratie wird gegen sich selbst gerichtet. Die Opposition steht in der Ecke.“
Karel Verhoeven
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Kampf zwischen Demokratie und Populismus

Trump und Johnson stehen symbolisch für den heutigen Konflikt zwischen Führungskräften und Parlamenten, wirft Kolumnist Antonio Polito in Corriere della Sera ein:
„Zwischen alten Parlamenten und neuen aufstrebenden Autokraten herrscht global ein heftiges Tauziehen. ... Auf der einen Seite stehen Führungskräfte, die ihre Macht aus sich selbst heraus, aus ihrer direkten Beziehung zum Volk beziehen wollen. Auf der anderen Seite befinden sich die Parlamente, die diese Führungskräfte dem Gesetz unterwerfen wollen, das sie als Volksvertreter anwenden. Es ist ein unweigerlich zweideutiger Kampf: Schließlich ist die Etymologie der beiden gegensätzlichen Begriffe 'Demokratie' und 'Populismus' die gleiche: Denn 'demos' auf Griechisch bedeutet 'populus' auf Lateinisch.“
Antonio Polito
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HELSINGIN SANOMAT (FI)

Rückkehr in alte Zeiten ist unwahrscheinlich

Solange die Unzufriedenheit in der Gesellschaft fortbesteht, werden populistische Politiker Erfolg haben, meint Helsingin Sanomat:
„In stark polarisierten Gesellschaften wird nur der Version der eigenen Seite geglaubt. Im Fall von ausgeprägtem Misstrauen gegenüber der Gegenseite, kann nicht einmal eine Gesetzesverletzung die leidenschaftlichsten Anhänger verärgern. Die Entwicklung ist damit noch nicht zu Ende. Irgendwann werden die politischen Anführer wechseln. Wenn die Gründe für die Unzufriedenheit aber weiter bestehen, wird es wohl keine Rückkehr in die alte Zeit geben. ... Es ist bereits deutlich geworden, dass schärfere Reden potenziellen Nachfolgern helfen können, an die Macht zu kommen.“
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