Dienstag, 9. Juli 2019

Investitionen und Schuldenbremse

"[...] Rietzler: Es gibt noch ein weiteres Problem: Wir hatten vor ein paar Jahren eine Schuldenquote von 80 Prozent der Wirtschaftsleistung, inzwischen sind wir bei unter 60 Prozent, und wenn es so weitergeht, bewegen wir uns nach unseren Prognosen in den nächsten Jahren auf zehn Prozent zu. Das bedeutet: Der Bund und die Länder geben immer weniger Staatsanleihen heraus. Für die Stabilität des Finanzsystems sind diese Anleihen aber von zentraler Bedeutung, weil Banken und Versicherungen sichere Finanzprodukte für die Geldanlage benötigen. [...]
 Fuest: Deshalb müssen wir aber die Schuldenbremse nicht abschaffen. Wir haben im Ifo-Institut vorgeschlagen, einen öffentlichen Fonds zu gründen. Dieser Fonds würde sich über die Ausgabe von Anleihen Geld borgen – und dieses Geld dann in Aktien investieren. Weil der Bund sich sehr günstig verschulden kann, würde er mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit Gewinne erzielen. Die würden dann an die Bürger ausgeschüttet. [...] Nach unseren Berechnungen könnten für jeden Bürger bei Eintritt ins Rentenalter bis zu 30.000 Euro zusammenkommen, wenn der Bund Jahr für Jahr Geldmittel im Wert von einem halben Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung anlegt. Rietzler: Ich halte das nicht für eine gute Idee. So etwas machen normalerweise Länder wie Norwegen mit ihren Überschüssen aus dem Rohstoffhandel. Es wäre widersprüchlich, wenn wir es uns nicht erlauben würden, Schulden für Investitionen und die Infrastruktur aufzunehmen – aber auf Kredit Aktien kaufen.
 Fuest: Unsere gute Bonität ist unser Öl. Die Leute wollen ihr Geld in deutschen Staatspapieren anlegen, obwohl es praktisch keine Zinsen mehr gibt oder der Zinssatz sogar negativ ist. Warum sollten wir uns das nicht zunutze machen?
 Südekum: Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir sollten natürlich zuerst in die Infrastruktur investieren, aber daneben halte ich den Staatsfonds durchaus für sinnvoll. Er würde nämlich auch ein anderes Problem lösen. Die Digitalisierung wird dazu führen, dass die Gewinne der Unternehmen tendenziell stärker steigen als die Löhne der Arbeitnehmer. Normalerweise würde der Staat diese Zusatzgewinne besteuern, damit der Graben zwischen Arm und Reich nicht immer größer wird. Die Digitalkonzerne sind aber sehr gut darin, Steuern zu vermeiden. Mit dem Staatsfonds würde einfach ein Teil der Gewinne in die öffentlichen Kassen umgeleitet. Wenn man Google nicht besteuern kann, kann man sich an Google beteiligen."
(Neuverschuldung: Fehlt hier das Geld? ZEIT, 26.6.19)

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