Donnerstag, 27. Dezember 2018

euro|topics: 2018 - Jahr der Instabilität?

Handelskrieg zwischen China und den USA, neue Spannungen zwischen Russland und dem Westen, chaotische Brexit-Verhandlungen, Stärkung des populistischen Lagers in Europa und Proteste gegen die Eliten: Die Welt ist ein zunehmend unruhiger Ort geworden, resümieren Kommentatoren zum Ende des Jahres und stellen fest, dass alte Gewissheiten nicht mehr gelten.
JUTARNJI LIST (HR)

Tektonische Erschütterungen

Für Europa war es ein besonders unruhiges Jahr, resümiert Jutarnji list:
„Seit den bleiernen 1970er Jahren bis heute gab es wahrscheinlich kein Jahr, in dem die politischen Systeme aller großer Staaten des Alten Kontinents gleichzeitig von solch tektonischen Erschütterungen heimgesucht wurden. In Großbritannien hieß dieser disruptive Effekt Brexit. ... In Frankreich wollte der neugewählte Präsident Emmanuel Macron sein Mandat mit grossen Plänen für Reformen im In- und Ausland beginnen, um sehr schnell an den Klippen der öffentlichen Meinung zu zerschellen. ... In Italien kam eine komische Koalition aus Populisten und ehemaligen rechten, regionalen Separatisten an die Macht, die sogleich einen Kampf mit Brüssel und den europäischen Finanzregeln eröffnete.“
Marko Biočina
Teilen auf
zur Homepage
 
JOURNAL 21 (CH)

Die Illusion von der besseren Welt

Knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall hat sich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft als Illusion erwiesen, klagt das Schweizer Journal 21:
„Die Welt ist nicht sicherer geworden, nur anders: unübersichtlicher, brüchiger und auf eine Weise bedroht, die unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Die Amerikaner und die Israeli errichten neue Mauern, die Russen bringen Raketen gegen Nato-Länder in Stellung, auf Weihnachtsmärkten gehen Terroristen um, und im Mittelmeer ertrinken die Menschen. Nein, so hatten wir uns das 1989 nicht vorgestellt. Auch wenn wir nicht unbedingt vom Ende der Geschichte ausgingen, so hofften wir doch auf das Ende der weltweiten Feindseligkeiten und den Beginn einer friedlicheren Welt. Mit Terror, Cyber-Kriminaliät und neu aufflammendem Nationalismus hatten wir nicht gerechnet.“
Klara Obermüller
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
LA STAMPA (IT)

Westliche Demokratien in Bedrängnis

Der Westen muss sich gegen zunehmenden Druck aus Russland und China wappnen, mahnt Maurizio Molinari, Chefredakteur von La Stampa:
„Die vergleichende Lektüre der Worte und Botschaften von Xi und Putin führt uns zu dem Schluss, dass beide sich auf der Gewinnerseite der Geschichte fühlen und in den populistischen Bewegungen das Symptom des unaufhaltsamen Niedergangs der liberalen Demokratien sehen. Sie bieten sich den schwächeren Staaten des Westens als Garanten der Sicherheit an, versprechen ihnen, sie unter ihre wirtschaftlichen Fittiche zu nehmen. Letztendlich setzen sie auf den Niedergang des rivalisierenden Geschäftsmodells, um dessen strategische und wirtschaftliche Vorteile zu übernehmen. Es bleibt abzuwarten, ob die Demokratien diese Herausforderung begreifen und wie sie darauf reagieren werden.“
Maurizio Molinari
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
LA LIBRE BELGIQUE (BE)

Viel Gift für die Börsen

Warum 2018 besonders für Anleger negativ war, erklärt La Libre Belgique:
„Die sich ankündigende Konjunkturabkühlung, politische Erschütterungen in Europa (Italien, Brexit), die restriktivere Geldpolitik der Notenbanken, der Handelskrieg... Hört auf mit den Schreckensnachrichten, die Investoren sind bedient! In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Donald Trump nicht gerade dazu beigetragen hat, die Lage zu verbessern. Er, der sich damit gerühmt hatte, dass die US-Börse seit Beginn seiner Amtszeit in Bestform sei, wird seine Tweets seit einigen Monaten bereuen. Dies hat ihn jedoch nicht daran gehindert, einen beunruhigenden persönlichen Streit mit dem Präsidenten der Fed über die US-Währungspolitik vom Zaun zu brechen. Den ohnehin schon fast völlig orientierungslosen Märkten beschert er somit noch mehr Verunsicherung, wenn nicht gar Chaos.“
Nicolas Ghislain
Teilen auf
Zum Originalartikel

Freitag, 21. Dezember 2018

euro|topics: Welche Folgen hat der US-Rückzug aus Syrien?

Spitzenpolitiker im In- und Ausland haben Trumps Entscheidung scharf kritisiert, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Die Vereinigten Staaten haben bislang rund 2.000 Soldaten in dem Bürgerkriegsland stationiert. Viele Kommentatoren fürchten, dass nun die Terrormiliz IS neuen Auftrieb erhält und sich das Kräfteverhältnis in Syrien verschiebt.
DAGENS NYHETER (SE)

Eine Strategie ist nicht erkennbar

Trumps Beschluss wird schwerwiegende Konsequenzen haben, ist sich Dagens Nyheter sicher:
„Trumps wichtigste außenpolitische Devise war bislang, dass Obama alles falsch gemacht hat. Im Falle Syriens ist es frappierend, wie sehr Trumps Vorgehen dem seines Vorgängers ähnelt. Obama zögerte angesichts Syriens, bis der IS auf den Plan trat und Handlung verlangte. ... Wo sich Obama wand, desertiert nun Trump. Eine Strategie ist nicht erkennbar. ... 2.000 Soldaten - das klingt nach nicht viel, doch die indirekten Folgen des Abzugs dürften erheblich sein. Der IS kann einen Neuanfang wagen. Assad sitzt sicher im Sattel. Russland und der Iran stärken ihre Positionen. Die Türkei bekommt ihre Chance, um gegen die Kurden vorzugehen. Israel dürfte eigene Methoden suchen, um die Position der Iraner in Syrien zu schwächen. Trumps Amerika sieht hier keineswegs groß aus.“
Zum Originalartikel
Teilen auf
 
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

US-Präsident stärkt den IS

Mit dem Rückzug aus Syrien stärkt Trump die Gegner der USA, kritisiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Vor allem dürfte der Kampf gegen den IS, der bis anhin noch viele Kurden bindet, mit einer neuen türkischen Militäroffensivezum Erliegen kommen. Anders als Trump behauptet, ist der Islamische Staat ja keineswegs besiegt. ... Ziehen sich die kurdischen Kämpfer wieder in den Norden zurück, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der IS neue Kräfte sammelt oder sich ein anderes Terrornetzwerk in der Wüste bildet. Man kann sich den Kopf darüber zerbrechen, was Trump zu seiner Entscheidung bewogen hat, welche so offenkundig den Anti-Terror-Kampf gefährdet, die kurdischen Verbündeten ins offene Messer laufen lässt und obendrein noch den Iranern freies Feld in Syrien überlässt.“
Daniel Steinvorth
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
HOSPODÁŘSKÉ NOVINY (CZ)

Paradox und nicht nachvollziehbar

Trumps Beschluss mutet für Hospodářské noviny paradox an:
„Die Entscheidung bestätigt, dass der Westen den Frieden nicht gewinnen kann. Außerdem kämpft er mit dem Terror des Dschihad in nur kurzen Zeitspannen. Während die Dschihadisten strategisch im Zeithorizont von Generationen planen, tut das ein US-Präsident im besten Fall für seine Amtszeit. Man denke an Obamas Rückzug 2011 aus dem Irak. Trumps jetzige Entscheidung ist noch weniger nachvollziehbar. Der Beschluss ist auch paradox angesichts des historisch höchsten US-Verteidigungshaushaltes. Dessen Aufstockung wurde unter anderem mit der Fortsetzung des Kampfes gegen den IS begründet.“
Erik Siegl
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
LE MONDE (FR)

Immer noch mehr Chaos

Die Lehren, die man aus der Entscheidung ziehen kann, sind äußerst beunruhigend, meint Le Monde:
„Die Unvorhersehbarkeit des Präsidenten breitet sich wie Lepra innerhalb seiner Regierung aus. Das allseits bekannte Fehlen hierarchischer Entscheidungsprozesse entwertet das Wort der Washingtoner Gesprächspartner bei Verhandlungen mit Alliierten und Feinden. Denn die Vertreter der US-Regierung können jederzeit von ihrem Oberbefehlshaber widerlegt werden. Und selbst der Kompass 'America first' funktioniert nicht mehr, wenn der Präsident sich gegen etwas entscheidet, was grundlegend im Interesse Amerikas wäre. Dieses 'America First' ist ein Hirngespinst, wenn es um die größten Gefahren für das Gleichgewicht der Welt und die Sicherheit der USA geht. Ihr Steuermann scheint leider nur in der Lage zu sein, dem Chaos weiteres Chaos hinzuzufügen.“
Zum Originalartikel
Teilen auf
 
SABAH (TR)

Trump war immer gegen Truppen in Syrien

Dass Trump die US-Truppen aus Syrien zurückholt, ist nur logisch angesichts seiner politischen Prioritäten und seiner Kenntnis der Region, kommentiert die regierungsnahe Tageszeitung Sabah:
„Man muss sich nicht allzu sehr über diese Nachrichten wundern. Wenn die US-Außenpolitik schon früher in den Kompetenzbereich Trumps gefallen wäre, würden die USA überhaupt nicht in Syrien sein. Wenn Sie die Archive sichten, können Sie sehen, dass sich Trump bereits vor seiner Wahl zum Präsidenten gegen eine Truppenpräsenz in Syrien ausgesprochen hat. ... Zwischen damals und heute hat Trump zudem gelernt, dass die Oppositionskräfte, mit denen er in Syrien kollaboriert, Terroristen der [kurdischen Parteien] PKK und der PYD sind. Präsident Erdoğan hat Trump in diesem Punkt mehrmals informiert und gewarnt.“
Mehmet Barlas
Teilen auf
Zum Originalartikel