Freitag, 21. August 2015

Egon Bahr

Nach meiner Einschätzung war Bahr zusammen mit Brandt der wichtigste Wegbereiter der deutschen Einigung. Damals wurde die Basis für die Annäherungspolitik Gorbatschows gelegt, die Helmut Kohl ermöglichte, der "Vater der deutschen Einigung" zu werden. 
Zunächst hörte ich Bahr nie persönlich, las nur von dem, was Brandt mit ihm zusammen in der neuen Ostpolitik voran brachte. Als ich ihn dann im Fernsehen erlebte, habe ich ihn für einen sehr scharfsinnigen, auf der Basis von viel Hintergrundwissen urteilenden Analysator internationaler, besonders deutsch-russischer Politik erlebt. Gegen Schluss konnte er bei im Schlagabtausch geführten Talkshow-Diskussionen seine differenzierten Positionen nicht immer zur Geltung bringen.
  • "Wandel durch Annäherung" (1961)
  • "Ich bin eigentlich ein Nationalist" (1967)
  • "Bisher hatten wir keine Beziehungen. Jetzt werden wir schlechte Beziehungen haben. Das ist der Fortschritt." (1972 über den Grundlagenvertrag von BRD und DDR)
  • "Jetzt haben wir endlich die Probleme, die wir uns 40 Jahre lang gewünscht haben." (1989 über die deutsche Einigung)
  • "Zu einem Teil wurde ich politischer Kammerdiener, aber der Chef blieb groß. der Freund auch." Egon Bahr: "Zu meiner Zeit" (1996)
  • Kritik an der Stasiunterlagenbehörde: "Das vertieft die mentale Spaltung unseres Volkes."
  • Kritik an Joachim Gauck, ihrem ersten Leiter: "Ich kann ihm nicht vergessen, dass er die Kampagne gegen meinen Freund Manfred Stolpe eröffnet hat."
  • Henry Kissinger in seinen Memoiren: "Bahr gehörte zwar zur Linken, aber ich hielt ihn vor allem für einen deutschen Nationalisten."
  • Arnulf Baring: "Machtwechsel" (1982): "Die Vorstellung und der Wille, die historische Chance einer Wiedervereinigung unbedingt offen zu halten, verließen Bahr nie." 
Alle vorstehenden Zitate nach Holger Schmale: "Der ewig Neugierige" Frankfurter Rundschau 21.8.2015, S.20-21

  1. "Verstand ohne Gefühl ist unmenschlich; Gefühl ohne Verstand ist Dummheit." - Talkshow "III nach 9", 9. März 1975
  2. "Von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl waren alle Bundeskanzler inoffizielle Mitarbeiter des CIA." - Berlin, 27.10.1996 (http://www.neues-deutschland.de/artikel/632920.bahr-alle-kanzler-waren-im-der-cia.html)
  3. "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt." am 3. Dezember 2013 vor Schülern in der Ebert-Gedenkstätte Heidelberg (http://www.rnz.de//heidelberg/00_20131204060000_109801352-Egon-Bahr-schockt-die-Schueler-Es-kann-Krieg-g.html) (1-3 von Wikiquote überprüft)
"Egon Bahrs Erbe verpflichtet" ZEIT online 21.8.15
" Deutschland und Russland dürfen ihre Beziehungen nicht einfrieren, sagt der Moskauer Historiker Watlin. Das sei die Hinterlassenschaft des verstorbenen SPD-Politikers. [...]
Watlin: Ohne die neue Ostpolitik hätte es keine Entspannung gegeben. Und ohne Entspannung hätte es das "neue Denken" nicht gegeben, mit dem Michail Gorbatschow die Bühne der Weltpolitik betrat.""

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