Große amerikanische Präsidenten leben gefährlich. Abraham Lincoln und John F. Kennedy wurden ermordet. Schwarze Amerikaner, die für Bürgerrechte eintreten, leben gefährlich. Martin Luther King wurde ermordet.
Zwei Jahre vor seiner Ermordung wurde Martin Luther King mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Ich gebe zu, mein erster Gedanke war nur Überraschung, als ich von der Auszeichnung hörte. Dann folgten Ungläubigkeit und Genugtuung. Konnte wirklich wahr sein, dass Obama, auf dem so viele Erwartungen ruhen und dem Schritt für Schritt mehr in den Weg gelegt wird, so dass seine Ziele immer noch schwerer erreichbar scheinen, dass dieser vom Scheitern Bedrohte ausgezeichnet wurde? Wofür eigentlich? Doch nur für sein Wollen. Nur für die unglaubliche Energieleistung, aus dem verhassten Weltdiktator USA wieder einen Sympathieträger zu machen.
Und dann die Genugtuung: Ja, auch wenn seine Gesundheitsreform zunächst nicht durchkommen wird, obwohl die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung die Ziele befürwortet, obwohl viele seiner Anhänger von ihm abfallen, weil er nicht in einem halben Jahr gut machen konnte, was in acht Jahren Bush-Herrschaft verdorben wurde, sein Einsatz wird anerkannt.
Erst als ich die die Welle von Hohn und Hass, die durch die Preisverleihung ausgelöst wurde, wahrnahm, wurde mir klar, welche Gefahr mit diesem Preis sich enorm vergößert hat.
Dass seine Dankesrede herausstellen würde, dass die Verleihung für ihn überraschend sei und er das Gefühl habe, sie nicht verdient zu haben, war zu erwarten. Denn es war klar, dass das die Meinung sehr vieler Menschen, wenn nicht die der Mehrheit sein werde. Dass er die Verleihung als verstärkte Herausforderung an alle sehe, sich den Weltproblemen zu stellen, liegt in der Logik der vielen Reden, in denen er betont, dass nur gemeinsame Anstrengung aller Parteien die Lösung näher bringen könne.
Es fällt aber auf, wie oft der versierte Redner bei seinem kurzen Statement auf sein Manuskript sah. Natürlich muss er seine Worte wägen; aber im Grunde liegt das, was er zu sagen hat, doch auf der Linie dessen, was er immer und immer wieder vertreten hat. Warum diese Unsicherheit?
Michelle und Barack Obama kennen die amerikanische Geschichte und die amerikanische Gegenwartssituation weit besser als ich. Michelle hat schon früh - recht sachlich - von dem hohen Attentatsrisiko gesprochen, dem er sich mit seiner Kandidatur für die Präsidentschaft aussetzte. Sie wussten weit besser als ich, welcher Hass ihnen entgegenschlägt.
Diese kurze Rede Obamas kam von einem Mann, der sich klar war, dass seine Überlebenschance durch diese Entscheidung eines norwegischen Komitees weiter verringert wurde, der aber die Chance, dass die Entscheidung die Verwirklichung mancher seiner Ziele erleichtern könnte, unbedingt nutzen will.
In den USA überleben manche zum Tode Verurteilte ihr Urteil um Jahrzehnte. Obama hat eine reelle Chance, noch lange für seine ehrgeizigen Ziele arbeiten zu können.
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