Samstag, 12. April 2025

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Regierungsbildung in Berlin: Koalitionsvertrag vorgelegt
 +++ USA pausieren neue Zölle – außer für China 

Regierungsbildung in Berlin: Koalitionsvertrag vorgelegt

Auf dem Weg zu einer neuen Regierung ist Deutschland einen entscheidenden Schritt weiter. Die Unterhändler von CDU, CSU und SPD haben sich auf gemeinsame Ziele geeinigt und den Entwurf eines Koalitionsvertrags vorgelegt. Nun müssen die jeweiligen Parteigremien darüber abstimmen. Als möglicher Zeitpunkt für die Wahl des neuen Kanzlers durch den Bundestag ist Anfang Mai im Gespräch. Europas Presse kommentiert.

Aargauer Zeitung (CH)

Diszipliniert angesichts der Krise

Die Koalitionäre haben sich unter Druck zügig geeinigt, lobt die Aargauer Zeitung:

„Dass die Gespräche alles in allem schnell und reibungslos abliefen, dürfte nicht zuletzt dem allgegenwärtigen Krisengefühl zu verdanken sein. … So paradox es klingen mag: Die Krise hat Merz geholfen. Seine heimlichen Verbündeten waren US-Präsident Donald Trump, dessen Einfuhrzölle die Exportnation Deutschland besonders schwer treffen könnten, und die AfD, die in einer Umfrage bereits vor der Union auf Platz eins liegt. All das scheint auf die Unterhändler eine disziplinierende Wirkung ausgeübt zu haben … Auch die Sozialdemokraten haben offenbar realisiert, dass sich manches ändern muss, wenn das Land nicht in die Unregierbarkeit abrutschen soll.“

Hansjörg Friedrich Müller
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La Repubblica (IT)

Gibt es einen außenpolitischen Kurs?

Dass über ein in diesen Zeiten sehr bedeutendes Ressort zu wenig vereinbart wurde, moniert La Repubblica:

„Zusammen mit der SPD-Führung unterzeichnete der künftige Kanzler einen 144-seitigen Koalitionsvertrag, der den Kurs für die vier Jahre stürmischer Fahrt geben soll – stürmisch insbesondere in den Gewässern der Außenpolitik. Doch gerade dieses Thema ist immer noch der große Abwesende in den Gesprächen zwischen den beiden Parteien der ehemaligen 'großen' Koalition.“

Tonia Mastrobuoni
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El País (ES)

Deutschland kann Führungsrolle wieder ausfüllen

El País sieht den künftigen Regierungschef in einer stabilen Ausgangslage:

„Merz' Vorteil ist, dass die große, die Amtszeit bestimmende Entscheidung schon vor drei Wochen gefallen ist, als der scheidende Bundestag das Grundgesetz reformierte, um Deutschland eine Verschuldung zu ermöglichen. ... Die Reform verschafft ihm einen ungewöhnlichen Handlungsspielraum, der es ihm erlaubt, die Wirtschaft wieder zu beleben und das Land aufzurüsten. ... Der Koalitionsvertrag ist bescheiden, aber das sollte kein Hindernis sein: Europas größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land kann seine Rolle in der EU voll ausfüllen. In der Welt von Donald TrumpWladimir Putin und Xi Jinping ist dies notwendiger denn je.“

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Zeit Online (DE)

Abgefederter Neoliberalismus

Für Zeit Online gehen die Reformvorhaben in die richtige Richtung:

„Die Koalition hat sich, so kann man das wohl formulieren, für einen sanften neoliberalen Reformkurs entschieden, der durch umfangreiche staatliche Ausgabenprogramme abgefedert wird. Das ist der Kompromiss, auf den sich die beiden Parteien verständigen konnten. Es ist angesichts der Lage im Inneren und im Äußeren nicht der schlechteste Kompromiss. ... Damit gilt: Wenn US-Präsident Donald Trump nicht komplett durchdreht, könnte das Land die wirtschaftliche Stagnationsphase hinter sich lassen. Ob das ausreicht, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können und den Aufstieg radikaler Kräfte zu verhindern, lässt sich heute nicht vorhersagen.“

Mark Schieritz
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The Spectator (GB)

Merz verprellt konservative Wähler

The Spectator sieht zu viele Zugeständnisse an die SPD:

„Wenn konservative Mainstream-Politiker ihre Prinzipien verraten, bekehren sie ihre Wähler nicht zum Progressivismus, sie lassen sie politisch verwaist zurück und machen sie anfällig für radikale Alternativen. ... Merz war als Heilsbringer angetreten, der die konservative Glaubwürdigkeit seiner Partei nach Jahren des Abdriftens unter Merkel wiederherstellen sollte. Stattdessen entpuppt er sich als ein weiterer rückgratloser Politiker, der bereit ist, seine Prinzipien zugunsten der Macht zu opfern. Für deutsche desillusionierte bürgerliche Wähler die Unterzeichnungszeremonie nicht einfach nur ein weiterer Koalitionsvertrag – es ist die Beerdigung ihrer einstigen politischen Heimat.“

Henry Donovan

USA pausieren neue Zölle – außer für China

US-Präsident Trump setzt sein umstrittenes Zollpaket großenteils für 90 Tage aus. Finanzminister Scott Bessent stellte mehr als 70 Staaten Gespräche über Zollabkommen in der kommenden Woche in Aussicht. Für China dagegen, das mit eigenen Sonderzöllen von 84 Prozent auf US-Importe reagiert hatte, wurden die Zölle noch einmal erhöht – auf nun 125 Prozent. Warum das Zurückrudern und die Härte gegenüber Peking?

Le Soir (BE)

Die Katastrophe ist absehbar

Le Soir warnt vor einer Eskalation im Handelskrieg zwischen Washington und Peking:

„'Wir werden keinen Rückzieher machen, wenn man uns herausfordert', verkündeten chinesische Offizielle. ... Niemand ist überrascht: Präsident Xi Jinping gehört nicht zu denen, die – um es mit den überaus noblen Worten des unbelehrbaren Hausherrn im Weißen Haus zu sagen – 'Donald Trump den Arsch küssen'. Denn dieser versteht unter einer Beziehung nur ein Machtverhältnis mit einem unterwürfigen Partner. Bleibt die Frage: Kann die Kollision zweier tektonischer Platten zu etwas anderem führen als zu einem Erdbeben oder einem Tsunami?“

Béatrice Delvaux
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 Jemand hat Trump ins Gewissen geredet Kolumnist Alan Friedman höhnt in La Stampa: „Ich vermute, dass einer oder mehrere der milliardenschweren Sponsoren/Freunde von Donald Trump ihn zur Vernunft gebracht haben. ... Jemand hat ihm die Wahrheit gesagt. Vielleicht war es der Chor der Wall Street-Götter, wie Jamie Dimon von JP Morgan oder Larry Fink von BlackRock, oder vielleicht die vereinten Kräfte von Elon Musk, Jeff Bezos und [Fondsmanager] Bill Ackman, die Trump davon überzeugt haben, den Wahnsinn zu beenden. Oder ihn zumindest für 90 Tage auf Eis zu legen. Um das Gesicht zu wahren. Und auch, um eine große Finanzkrise zu vermeiden. Der US-Präsident denkt nicht differenziert genug, um die Makroökonomie zu verstehen. ... Donald Trumps Besessenheit von Zöllen hatte noch nie etwas mit Wirtschaft zu tun.“ Alan Friedman  Zum Originalartikel Teilen auf   Erste Risse im Weißen Haus Dass Elon Musk den Architekt des Zollpakets, Peter Navarro, öffentlich als "dümmer als ein Sack Ziegel" bezeichnet hat, ist für Trouw vielsagend: „Der Streit machte deutlich, dass es große Meinungsunterschiede über die Wirtschaftspolitik im Weißen Haus gibt. ... Die Wende, die Trump am Mittwoch vollzog, indem er eine Pause einlegte und eine ganze Reihe von Zöllen für viele Länder wieder deutlich senkte, macht nicht nur deutlich, dass er für Druck seitens des großen Geldes empfänglich ist. Sondern auch, dass Trumps Zoll-Falken im Weißen Haus vorerst das Nachsehen haben.“ Joris Belgers  Zum Originalartikel Teilen auf   Der Schaden ist schon angerichtet NRC analysiert: „Der Markt hat die erste Schlacht gewonnen. ... Dass der entfesselte Trump sich (vorübergehend) korrigieren muss, beruhigt aber nur wenige Marktteilnehmer. Selbst nach seiner Kehrtwende vom Mittwoch sanken die Zinsen für langfristige US-Staatsanleihen kaum. Trump und seine Entourage werden ihn bei den nun folgenden Verhandlungen als genialen 'Dealmaker' präsentieren. Aber da er so leichtfertig mit der Rezession kokettierte, die globalen Handelsströme zum Stillstand brachte und die Kreditwürdigkeit der USA aufs Spiel setzte, wird der Rest der Welt ihn und sein Land nach einer Woche Chaos weiterhin vor allem als unzuverlässigen Handelspartner und großen wirtschaftlichen Stressfaktor betrachten.“ Merijn de Waal  Zum Originalartikel Teilen auf   Werden hier Milliarden gemacht mit Insiderhandel? Soziologe Igor Eidman vermutet auf Facebook private Interessen hinter Trumps Zoll-Manövern: „Aktienkurse und Kryptowährungen sind nach der Einführung der neuen Zölle stark eingebrochen. Etwas später mildert Trump die drakonischen Zollmaßnahmen ab und die Aktien steigen wieder. So war es bereits, als er Zölle auf Exporte aus Mexiko und Kanada einführte, aufhob und dann wieder neue einführte. Nur Trump und seine Familie und Freunde wissen, wann er den Aktienmarkt abstürzen und wann er ihn steigen lässt ... Zweifellos verdienen sie auch jetzt mit Insiderinfos Geld. ... Ist das vielleicht der Hauptzweck der Erschütterungen, die Trump der US-Wirtschaft beschert?“
 

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