Mittwoch, 30. April 2025

Was kann Musik zum Frieden und zur Versöhnung im Nahostkonflikt beitragen?

 Michael Barenboim im Interview

https://www.fr.de/kultur/musik/in-den-fokus-michael-barenboim-palaestina-muss-im-gazakrieg-staerker-93698328.html

"[...] Barenboim: „Make Freedom Ring“ ist ein Künstlerkollektiv aus der klassischen Musikbranche. Musiker, Musikerinnen, aber auch Musikvermittler, Musikmanager. Das Erste, was wir machten, war eine Art Doppelkonzert, eins in London, eins in Berlin, im März 2024. Seitdem geben wir Benefizkonzerte für Organisationen, die in Palästina und jetzt insbesondere in Gaza helfen. [...]

"Sie können jedenfalls nicht von einem Musikstück erwarten, dass es irgendwelche Probleme löst, die offensichtlich schon seit einem knappen Jahrhundert vorhanden sind. [...] Ich glaube, es kommt darauf an, was man sich vornimmt. Auch jetzt in Frankfurt gehen die Leute natürlich zuallererst in ein Konzert. Es gibt auch Redebeiträge, aber sie erleben Schumann, Mozart, Schubert. Aber vielleicht nimmt man die Musik ein wenig anders wahr, wenn man die Situation der Palästinenser in Gaza vor Augen hat. Vielleicht fühlt man sich anders dabei, wenn der Raum voller Menschen ist, die sich wie Sie selbst mit den Leidenden solidarisieren. [...]

FR: Begegnen sich im West-Eastern Divan Orchestra Israelis, die vom Hamas-Überfall betroffen sind, und Palästinenser aus Gaza?

Barenboim: Dort begegnen sich immer schon israelische, palästinensische, libanesische, syrische, ägyptische Musiker. Sie spielen miteinander im Orchester, sitzen an einem Pult. Natürlich gibt es auch Workshop-ähnliche Formate während der Proben, es gibt Diskussionen. [...]

FR: Sie haben neben Musik auch Philosophie studiert, haben sich nicht zwischen Geige und Bratsche entschieden. Würden Sie sich wünschen, dass klassische Musiker und Musikerinnen sich insgesamt breiter aufstellen, mehr Kontakt zur Welt halten?

Barenboim: Ich bin ja sozusagen das wandelnde Beispiel dafür, dass ich so denke. Und dass von der klassischen Musikszene nach Beginn des Vernichtungskriegs in Gaza praktisch überhaupt nichts kam, war einer der Impulse, „Make Freedom Ring“ zu starten. Viele von uns verbringen den ganzen Tag in einem Übezimmer und verlieren den Blick dafür, wofür sie das alles tun und was um sie herum geschieht. Andererseits ist mir wichtig zu sagen: Es ist nicht realistisch, mehr von Menschen zu erwarten, die in klassischer Musik tätig sind, als von anderen. [...] es gibt Leute, die mehr Interesse haben, und Leute, die weniger Interesse haben. Aber ja, auch wir Künstler haben eine Mitverantwortung für das, was geschieht, und wir haben eine Verpflichtung, uns aktiv einzubringen. Nur darf man von uns auch nicht mehr erwarten als von allen anderen."

Ich bin von der Institution West-Eastern Divan Orchestra fasziniert. Dass seit über 25 Jahren trotz all der Zuspitzungen des Nahostkonflikts "israelische, palästinensische, libanesische, syrische, ägyptische Musiker" zusammen spielen, oft nach Nationen gemischt an einem Pult ist der Faszination der Gründer, jetzt besonders Daniel Barenboim und seinem Sohn Michael zu danken, die von sich selbst mehr erwarten als von allen anderen, weil sie nicht nur ihrer Kunst leben, sondern auch der Versöhnung trotz des alten schier unlösbaren Konflikts. 

Sie geben Hoffnung allem Grauen zum Trotz. 

Was bedeuten die Rüstungsrekorde aufgrund des Ukraine- und Gazakrieges für den Klimawandel?

 Gemeinsame weltweite Bemühungen gegen den Klimawandel

„Was wäre, wenn die führenden Politiker weltweit beschließen würden, im Rahmen eines gemeinsamen Plans 20 Jahre lang jedes Jahr fünf Prozent des weltweiten BIP zur Lösung des Klimaproblems zu verwenden? Das würde bedeuten, dass fünf Prozent der arbeitenden Bevölkerung und fünf Prozent des Kapitals für die Herstellung und Erbringung klimafreundlicher Güter und Dienstleistungen arbeiten würden. Dieses große Projekt würde das Klimaproblem lösen. Nach 20 Jahren gemeinsamer und gut geplanter Anstrengungen wäre die Weltwirtschaft emissionsfrei.“ (S. 298)[18]

Fonty: Das wurde 2012 geschrieben. Die gemeinsamen Bemühungen sind weit bescheidener geblieben, statt dessen sind immer wieder Kriege geführt worden und die Investitionen in weltweite Rüstung erreichten immer neue Rekorde.

"Die globalen Finanzmärkte würden die nachhaltige Entwicklung vorantreiben, sobald sie die Überbewertung der fossil-basierten Unternehmen erkannt hätten, meint Nick Robins.[19]

Die Welt muss lernen, mit geringerem Wirtschaftswachstum als heute üblich zu leben. Das gelingt uns nur, wenn wir auch lernen, wie man ohne Wachstum umverteilt. (Jørgen Randers2052. Der neue Bericht an den Club of Rome. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre, S. 309)


2016 wies "Ein Prozent ist genug", ein weiterer Bericht des Club of Rome von Jørgen Randers und Graeme Maxton, darauf hin, was eine Umverteilung von Investitionen auf nachhaltiges Wirtschaften bringen würde: 

"In dem Buch geht es nicht nur um eine Begrenzung des Wachstums in den Industrieländern, sondern um eine Abkehr vom derzeitigen marktradikalen Denken insgesamt[2] und um einen radikalen Umbau der Volkswirtschaften.[3] „Das Wirtschaftssystem ist eher der Grund unserer Probleme und nicht ihre Lösung“, so die Autoren.[4] Mit ihren Thesen versprechen sie sich Zustimmung breiter Kreise: „Unsere Vorschläge dürften für die demokratische Mehrheit der Wähler sehr attraktiv sein, denn so gut wie alle Maßnahmen schaffen nicht nur langfristig eine bessere Welt, sondern auch kurzfristig unmittelbare Vorteile für die meisten Menschen“.[2]

Neben dem Wirtschaftssystem geht es den Autoren um die Begrenzung der Weltbevölkerung. Die Verdoppelung der Bevölkerung in den vergangenen 50 Jahren identifizieren sie als die Hauptursache für die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten und plädieren dafür, die Wachstumsrate der Bevölkerung weiter zu drosseln bzw. ins Negative zu kehren.[3]" (Wikipedia)

Montag, 28. April 2025

euro|topics: Istanbul: Erdbeben nach politischen Erschütterungen

Istanbul wurde letzte Woche von einer Serie von Erdbeben erschüttert, 6.500 Gebäude wurden beschädigt. In der türkischen Metropole mit etwa 16 Millionen Einwohnern ist jederzeit mit einem deutlich heftigeren Beben zu rechnen. Doch derweil sitzen der Istanbul Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu und viele Verantwortliche in Schlüsselpositionen im Gefängnis. Die Landespresse diskutiert die Lage.

Cumhuriyet (TR)

Verhaftungen statt Krisenmanagement

Während die Stadt sich in Kooperation mit dem Staat auf ein schweres Beben vorbereiten müsste, lässt die Regierung alle bei der Stadtverwaltung Zuständigen festnehmen, schimpft Cumhuriyet:

„Obwohl wir heute bei der Bekämpfung möglicher Erdbebenrisiken mehr denn je eine gemeinsame Strategie, Solidarität und gemeinsame Aktionen brauchen, halten der Präsident und die Minister ein Meeting zum Thema Erdbeben in Istanbul ab, aber der gewählte stellvertretende Bürgermeister von Istanbul wird nicht einmal zu dem Treffen eingeladen. Wichtige Stadtplaner, die in der Istanbuler Stadtverwaltung arbeiten, sitzen im Gefängnis. Damit nicht genug, wurden gestern in einer zweiten Operationswelle sogar die Ehegatten der Inhaftierten festgenommen.“

Irfan Hüseyin Yıldız
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Akşam (TR)

Bereicherung auf Kosten der städtischen Sicherheit?

Die Inhaftierten hatten anderes zu tun als Istanbul auf Erdbeben vorzubereiten, kontert die regierungsnahe Zeitung Akşam:

„Was haben diejenigen, die im Gefängnis sitzen, in Wirklichkeit getan? Widerstand gegen die Stadterneuerung gezeigt. ... Städtische Budgets für Werbung ausgegeben, anstelle für den Stadtumbau. Das bedeutet was? Sie haben sich stattdessen selbst bereichert. ... Wer das nicht glaubt, sollte sich folgende Frage stellen: Wie viele einsturzgefährdete Gebäude haben diese Leute bisher mit ihren Milliarden von Lira abgerissen und wie viele stabile Gebäude haben sie bisher gebaut – und falls sie das nicht getan haben, wofür haben sie dieses Geld dann ausgegeben?“

Serkan Fıçıcı
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T24 (TR)

Katastrophenhilfe von unten aufbauen

Angesichts des Ausfalls des Istanbuler Mobilfunknetzes durch das Beben fordert Kolumnistin Füsun Sarp Nebil in T24, Vernetzung durch bürgerliche Selbsthilfe zu schaffen:

„Wenn die AKP-Regierung keinen Wert auf unseren Zugang zu Kommunikationsmöglichkeiten bei Erdbeben legt, sollten wir als Volk dies selbst tun. Funksysteme sind ein wichtiges Kommunikationselement nicht nur bei Erdbeben, sondern auch bei allen Arten von Katastrophen und in Kriegszeiten. Wir sollten uns für die Verbreitung dieser Instrumente einsetzen. Und wir müssen eine Katastrophenkultur schaffen. Freiwillige Helfer aus der Nachbarschaft sind sehr wichtig. ... Es sollten sich viel mehr Menschen diesen Gruppen anschließen. Sie erklären nützliche Dinge wie zum Beispiel Notfallmaßnahmen.“

Füsun Sarp Nebil
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euro|topics: Was bedeutet das Treffen von Trump und Selenskyj in Rom?

Am Rande der Trauerfeier für Papst Franziskus haben sich US-Präsident Donald Trump und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj am Samstag im Petersdom zu einem Gespräch über den Ukraine-Krieg zusammengesetzt. Das Weiße Haus sprach danach von einem "sehr produktiven" Treffen, Selenskyj erklärte, es könne historisch bedeutend werden. Kommentatoren debattieren, ob die Zusammenkunft ein Wendepunkt sein könnte.

Echo24 (CZ)

Symbolträchtiges Bild des Miteinanders

Echo24 schöpft ein wenig Hoffnung:

„Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj sitzen gemeinsam unter der Kuppel des Petersdoms auf gewöhnlichen Stühlen, sitzen allein, unbehelligt und unterhalten sich. In der Nähe des Sarges des verstorbenen und zu beerdigenden Papstes Franziskus – der offiziell in Europa arbeitete, aber aus Amerika, wenn auch aus Südamerika, stammte. So viel Symbolik in einem Moment. Ein Bild der Hoffnung, des Glaubens an Wunder und der Fähigkeit der Menschen, miteinander zu reden. Wochen nach dem letzten Treffen der beiden Politiker im Weißen Haus, bei dem sie vor aller Welt stritten, ist dies ein Kontrapunkt: Nicht Arroganz, sondern Bescheidenheit und Schweigen prägen das neue Treffen der beiden Männer.“

Lukáš Novosad
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Süddeutsche Zeitung (DE)

Nichts überinterpretieren

Die Süddeutsche Zeitung warnt vor zu schnellen Schlüssen:

„Die Wirkung des Bildes ist so groß, weil in ihm eine Hoffnung mitschwingt: Im Geiste Franziskus’ könnte Friede entstehen in der Ukraine. Aber zeigt das Bild das wirklich? Was in dem Moment gesprochen wurde, wissen nur die beiden. Was daraus wird, muss sich zeigen. Für die Wirkung der Aufnahme ist beides aber nachrangig. Sehen kann auch heißen: überinterpretieren.“

René Hofmann
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La Stampa (IT)

Ein Wunder wird nicht eintreten

La Stampa glaubt nicht, dass ein gerechter Frieden nun näher gerückt ist:

„Es ist schwer vorstellbar, dass es Selenskyj gelungen ist, die Annäherung zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu untergraben. ... Es stimmt zwar, dass Trump nach dem Treffen im Petersdom härtere Worte an Putin adressiert hat als sonst. Er kritisierte die russischen Raketen auf ukrainische Zivilisten, sagte, er sei vom Kremlchef 'verhöhnt' worden und spielte auf neue Sanktionen gegen Moskau an. Aber wir wissen, dass es für Putin nur allzu leicht ist, Trump zu schmeicheln und die Beziehungen zu Washington wieder auf Kurs zu bringen, während der Krieg weitergeht. Kurzum, es fällt schwer, auf das Wunder zu hoffen, dass Trump ein Verfechter eines gerechten Friedens in der Ukraine wird.“

Nathalie Tocci
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Večernji list (HR)

Nun müssen konkrete Taten folgen

Laut Večernji list sind die Aussagen des US-Präsidenten mit Vorsicht zu betrachten:

„Hatte Donald Trump im Vatikan eine unerwartete Erleuchtung? Nach zahllosen Äußerungen, die das Kreml-Narrativ zu den Gründen und Folgen des Ukraine-Krieges wiederholt hatten, sagte Trump nach dem samstäglichen Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Petersdom, dass ihn der russische Präsident Putin 'vielleicht nur hinhält' und den Krieg womöglich 'nicht beenden will', was auf Veränderungen in der Rhetorik hinweist. ... Dennoch sollte im Falle Trumps, insbesondere wegen seiner bisherigen Sympathien für Russland, jede wirkliche Veränderung seines Standpunkts durch konkrete Taten untermauert werden, irgendwelche Aussagen reichen nicht.“

Denis Romac
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Espreso (UA)

Kreml könnte sich verrechnet haben

Politologe Wadym Denyssenko rätselt in einem von Espreso übernommenen Facebook-Post darüber, was Trump und Selenskyj besprochen haben könnten:

„Nach den Gesprächen befürchtet man im Kreml allem Anschein nach, dass der Ball nun bei Russland liegt und dass man den [US-]Vorschlägen zum Atomkraftwerk Saporischschja, zum Rückzug aus der Region Charkiw usw. zustimmen muss. ... Soweit ich es verstehe, war Russlands Plan einfach: Die Ukraine würde die Vorschläge bezüglich der Krim ablehnen und Russland müsste dann nicht öffentlich erklären, dass es mit allen anderen Punkten des Plans einverstanden ist. Es sieht danach aus, dass eine Formulierung in puncto Krim bei den Gesprächen mit Trump gefunden wurde, die sowohl den USA als auch uns passen könnte.“

Wadym Denyssenko
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Fontys Kommentar
Trump legt Wert darauf, mitzureden, legt sich aber auf möglichst wenig fest.